Abgasnorm Euro 7:Verbrenner vor dem Aus?

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Der Mercedes-AMG One hat mit seinem Formel-1-Motor Mühe, die Grenzwerte für Lärm- und Schadstoff-Emissionen einzuhalten. (Foto: Daimler)

Supersportwagen sind technisch auf dem höchsten Niveau. Doch nicht einmal sie dürften bei der Abgasreinigung die nächste Stufe Euro 7 schaffen. Das hat Folgen für alle Benziner.

Von Joachim Becker

Krise, welche Krise? Hochmotorisierte Benziner sind gefragter denn je. Von wegen Klimaschutz oder "Batterien sind der neue Hubraum": Tatsächlich lassen Spritschleudern mit mehr als 400 PS die Kassen der Autohersteller klingeln. Der Sportableger BMW M fuhr mit knapp 145 000 Bollermännern im vergangenen Jahr einen Rekord ein. Die Mercedes-Tochter AMG fiel zwar auf rund 125 000 Sportwagen zurück. Nach Berechnungen der Deutschen Bank steht der Werkstuner aber für 20 Prozent des Mercedes-Gewinns.

Während Volvo die Rennsportabteilung Polestar zur Elektromarke umgepolt hat und Jaguar den Verbrenner 2025 auslaufen lässt, scheinen die deutschen Hersteller weiter voll auf dem Gas zu stehen. "Das letzte Auto, das gebaut werden wird, wird ein Sportwagen sein", hatte Ferry Porsche schon vor Jahrzehnten prophezeit. Der Vater des Porsche 911 kannte allerdings die heutigen Lärm- und Abgaslimits nicht.

Es mag eine verwegene Idee gewesen sein, einen Rennmotor mit aufwändiger Elektrifizierung zukunftsfähig zu machen. Damals, in der letzten Dekade, als der heutige Daimler-Chef Ola Källenius noch Benzin im Blut hatte. Bevor der Schwede anfing, "electric first" zu predigen, hat er (wie Audi-Chef Markus Duesmann) den Rennsport als Karriere-Turbo genutzt. Nach Stationen bei McLaren in Großbritannien und als Werksleiter in den USA übernahm Källenius 2010 die AMG-Geschäftsführung. Ein klassischer Car Guy, hieß es, groß geworden in den beißenden Abgasen der Formel 1. Der perfekte Kandidat für die Konzernführung.

Was sind solche Männer-Mythen heute noch wert? Und vor allem: Welchen Mehrwert hat ein F1-Hochdrehzahl-Motor im Supersportwagen AMG One? Von der Rennstrecke auf die Straße, das galt lange als Erfolgsformel: "Mit über 1000 PS Systemleistung und mehr als 350 km/h Höchstgeschwindigkeit fährt dieses Hypercar genauso, wie es aussieht: atemberaubend", sagte Källenius als Mercedes-Entwicklungsvorstand auf der IAA 2017. Wenn der AMG One in diesem Spätsommer mit zweijähriger Verspätung an den Start geht, fährt der Plug-in-Hybrid aber ein wenig hinterher. Angesichts eines vollelektrischen Rimac C_Two mit fast 2000 PS erscheint die Idee, so einen kleinen, giftigen Rennmotor auf den Straßenverkehr loszulassen, als Verbrenner-Nostalgie.

Am Limit: Rennwagen von McLaren-Mercedes (links) und Mercedes-AMG One mit Formel-1-Technik für mehr als 2,5 Millionen Euro. (Foto: Daimler)

Obwohl der AMG One mehr als 2,5 Millionen Euro kostet, ist die Kleinserie von 275 Stück schon lange ausverkauft. Auch der Rimac C_Two für 1,7 Millionen Euro ist ein exklusives Sammlerstück, das eher nicht zum Brötchenholen eingesetzt wird. Selbst Tesla hat ja mal als Kleinserien-Manufaktur angefangen, um sich in schnellen Entwicklungszyklen nach vorne zu arbeiten. Der 32-jährige Mate Rimac gilt als "Elon Musk des Balkans", weil er die E-Mobilität genauso besessen vorantreibt wie der Tesla-Chef. Porsche sieht das ähnlich und hat gerade die Beteiligung an dem kroatischen Start-up um weitere 70 Millionen Euro von 15,5 auf 24 Prozent aufgestockt.

Beide Hypercars sind technologische Leuchtturmprojekte: Hier der Elektro-Supersportler, der auslotet, was bei E-Motoren und Batteriezellen möglich ist. Dort der AMG One, der nicht minder viel (Elektro-)Technik einsetzt, um die Altlasten des Verbrennungsmotors zu kompensieren. Die entscheidende Frage ist, wie zukunftsfähig die jeweiligen Antriebstechnologien sind. "Die Verbrennervielfalt wird deutlich zurückgehen - bis 2025 um 40 Prozent und bis 2030 um 70 Prozent", sagte der aktuelle Mercedes-Entwicklungsvorstand Markus Schäfer jüngst im Gespräch mit dem Handelsblatt. Allerdings könne der Wandel "auch weit schneller kommen".

Viel werde davon abhängen, wie streng die kommende Euro-7-Abgasnorm ausfalle. Ende dieses Jahres will die EU-Kommission ihren konkreten Entwurf für diese finale Emissionsstufe vorlegen. "Je nachdem, welche Regularien am Ende angewendet werden, kann sich die Perspektive für Verbrenner noch einmal dramatisch verändern - bis hin zu einem Szenario, das es fast unmöglich macht, ab 2025 noch Verbrenner zuzulassen", so Schäfer.

Kaltstarts, Stop-and-go und Steigungen werden bei Euro 7 absehbar zum Abgasproblem

Was zählt, sind die Randbedingungen: Wie viel Kulanz räumt man Verbrennern ein, die lediglich auf dem Prüfstand und in streng limitierten Straßentests "sauber" sind? Einem Motor wie dem Sechszylinder im AMG One beispielsweise, der bis 11 000 U/min ähnlich hoch dreht wie eine E-Maschine, die Grenzwerte aber nur unter Schwachlastbedingungen einhält. Ab 2025 sollen die Stickoxide (NOx) im Stadtverkehr endgültig auf ein unbedenkliches Maß reduziert werden. Aktuell liegen die entsprechenden Grenzwerte für Benziner bei 60 Milligramm und für Diesel-Pkws bei 80 Milligramm pro Kilometer. Einige Experten-Szenarien, die von der EU veröffentlich wurden, sehen vor, dass Neuwagen künftig nur noch 30 oder gar zehn Milligramm NOx/km ausstoßen dürfen. Das erreichen die besten Dieselmodelle zwar heute schon, aber erst nach einer Warmlaufphase - und nicht unter großer Last.

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"Wenn ein neues Fahrzeug auch im Winter ab Start oder beim Ziehen eines Anhängers am Berg die gleichen Grenzwerte einhalten muss wie bei Tempo 50 auf gerader Strecke, dann kommt das faktisch einem Verbot des Kolbenmotors gleich", wettert VDA-Präsidentin Hildegard Müller. Fakt ist, dass zu viele Verbrenner auf Kurzstrecken oder im Stop-and-go fahren. Wenn die Reinigungssysteme noch nicht warm sind oder auskühlen, verpesten auch Kleinwagen die Stadtluft. Werden künftig weitere Emissionsbestandteile wie Kohlenmonoxid strenger reguliert, brauchen auch Benziner leistungsfähigere Katalysatoren. Vor allem muss die Anlage womöglich vorgeheizt werden, um aus dem Stand heraus effektiv zu arbeiten. Eine entscheidende Frage ist, ob sich eine entsprechende Elektrifizierung des Antriebsstrangs für Kleinwagen überhaupt lohnt.

Den 1000-PS-Benziner muss man vorglühen wie einen Vorkammer-Diesel

Supersportwagen sind ebenfalls am Limit, was die Reinigungstechnik angeht. Da hat der AMG One, der nach der aktuellen Euro-6-Norm zertifiziert ist, tatsächlich eine Vorreiterfunktion. "Um die Emissionsgrenzwerte einzuhalten, wird vorgeheizt, um den Katalysator auf die sogenannte Lightoff-Temperatur zu bringen", erklärt Guido Vent, AMG-Chefingenieur des Projekts. Bei kaltem Motor müsse bei einer maximalen Heizleistung von rund 16 kW im Durchschnitt rund eine Minute lang vorgeglüht werden. Das Hypercar benötigt also eine Rudolf-Diesel-Gedenkminute wie ehemals der Vorkammer-Selbstzünder. Das ist nicht nur für einen Benziner erstaunlich, sondern erst recht für einen vermeintlich effizienten Plug-in-Hybriden, der unter anderem seine beiden Vorderräder elektrisch antreibt.

Lässt sich nur auf der Rennstrecke ausfahren: Der Mercedes-AMG One mit mehr als 1000 PS. (Foto: Daimler)

Im Spagat zwischen Elektro- und Verbrennerwelt ist der AMG One voll gepackt mit nicht skalierbarer Spezialtechnik. Obwohl er wie der Porsche Taycan und der Rimac C_Two über ein leistungsstarkes 800-Volt-Bordnetz verfügt, muss die Hochspannung in der Rennflunder auf 48 Volt runtergeregelt werden, um die Drei-Wege-Katalysatoren zu heizen. Auch diese sind Sonderanfertigungen mit großen integrierten Partikelfiltern: Um dem enormen Abgasvolumen bei Volllast standzuhalten und den Motor nicht durch hohen Gegendruck abzuwürgen, teilt sich die Abgasanlage des AMG in zwei Stränge, die jedes Fitzelchen Freiraum im Heck des Mittelmotorwagens ausfüllen. Nicht weniger herausfordernd war der Lärmschutz bei der Straßenzulassung: "Bei der Formel 1 spielt die Geräuschemission keine Rolle. Ganz anders bei der Adaption für die Straße. Zumal wir die ursprüngliche Klangcharakteristik möglichst beibehalten wollten", so Guido Vent.

Hysterisches Hochdrehen bis weit über 15 000 U/min ringt den schmächtigen 1,6-Liter-Motoren in der Formel 1 absolute Höchstleistung ab. Ein weiterer Elektromotor an der Kurbelwelle hilft, den Wirkungsgrad der V6-Verbrenner auf nahezu 40 Prozent zu bringen. Was wenig ist im Vergleich zu einem Elektrosportwagen, der etwa 90 Prozent der gespeicherten Energie in Vortrieb umsetzen kann. Beim AMG One mussten die Entwickler Zylinderkopf und Nebenaggregate in Geräuschkapseln packen, um den Wagen straßentauglich zu machen. Weder die Elektromotoren aus der Formel 1 noch der elektrische Turbolader durften hochfrequent sirren.

"Wir planen, die Performance-orientierte Elektrifizierung unter der Bezeichnung EQ POWER+ für die Serie auszurollen", hatte Ola Källenius vor einiger Zeit angekündigt. Neben Plug-in-Hybriden ist auch ein reines Elektroauto mit dem AMG-Label geplant. Das ist der Notnagel, wenn Euro 7 solche Hyper-Zwitter wie den AMG One künftig unmöglich macht.

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