Abgasaffäre:Schmutziger als versprochen - aber die Schuld liegt nicht bei Renault

Renault Espace beim Abgastest der Deutschen Umwelthilfe

Auch bei einem Abgastest der Deutschen Umwelthilfe fiel ein Renault Espace angeblich mit zu hohen Abgaswerten auf.

(Foto: Deutsche Umwelthilfe)
  • Bei Tests der französischen Regierung wiesen Dieselautos von Renault stark überhöhte Abgaswerte auf. An drei Unternehmensstandorten fanden daraufhin Razzien statt.
  • Der neue Vertriebschef der Herstellers beschwichtigt und sagt: "Renault hat nicht betrogen."
  • Nun muss Renault eine technische Lösung finden, um das Problem zu beheben. Es droht eine teure Rückrufaktion.

Von Leo Klimm, Paris

"Renault hat nicht betrogen." Thierry Koskas wiederholt den Satz immer wieder. Das ist die Botschaft, die nach dem Willen des Renault-Vertriebsvorstands bei den Kunden ankommen soll. Es stimmt zwar, räumt er ein, dass die Dieselautos des Pariser Konzerns die offiziellen Abgaswerte deutlich überschreiten. Aber Betrug am Käufer sei das nicht. Denn: "Wir benutzen keine Schummel-Software", so Koskas. "Man darf nicht alles durcheinanderbringen." Subtext: So schlimm wie Volkswagen ist Renault nicht.

Thierry Koskas, seit gerade zwei Wochen oberster Vertriebler des Konzerns, hat am Montag die undankbare Aufgabe, als erster Topmanager vor die Medien zu treten, seit die Dieselaffäre den französischen Hersteller erreicht hat. Der Termin stand lange fest. Von Konzernchef Carlos Ghosn, der sonst gern öffentlich auftritt, kommt seit Tagen nur Schweigen. "Carlos Ghosn wird das Wort ergreifen, wenn er es wünscht", verteidigt Koskas wacker den Chef. "Ich denke, da gibt es keine Not."

Razzien an drei Renault-Standorten

Das ist eine mindestens originelle Ansicht angesichts dessen, was vergangene Woche passiert ist: Da wurde bekannt, dass Anti-Betrugsermittler im Kontext der VW-Affäre schon Anfang Januar Razzien an drei Renault-Standorten durchgeführt haben. Und dass Renault-Dieselfahrzeuge in Tests einer Sonderkommission der französischen Regierung stark überhöhte Werte beim Ausstoß von Kohlenstoffdioxid und giftiger Stickoxide aufwiesen.

Um wie viel die zulässigen Werte überschritten wurden, ist zwar noch unklar. Frankreichs Umweltministerin bestätigt auch, dass eine Betrugssoftware in Renault-Autos ausgeschlossen werden kann. Trotzdem erholt sich die Renault-Aktie kaum von dem Einbruch um fast ein Viertel ihres Werts nach Bekanntwerden der Ermittlungen. Da können die Verkaufszahlen noch so ordentlich sein, die Thierry Koskas am Montag präsentiert.

Französischen Medien zufolge sollen die Abgaswerte von Renault in den Tests der Regierungskommission sogar deutlich schlechter sein als etwa jene von Volkswagen. Betroffen sei unter anderem der kleine Geländewagen Captur. Nach Angaben des Grünen-Abgeordneten Denis Baupin, der Mitglied in der Kommission ist, liegt der Stickoxid-Ausstoß mancher Dieselmotoren bei normalen Verkehrsbedingungen bis zu fünf Mal höher als bei der Modellzulassung angegeben. Deshalb, so die Grünen, könne nicht behauptet werden, dass Renault nicht betrüge.

Der Vertriebschef gibt Abweichungen zu

"Unter den Zulassungsbedingungen halten unsere Fahrzeuge die Abgasnormen ein", hält Koskas dagegen. Seit dem VW-Skandal ist allerdings allgemein bekannt, dass die Zulassungstests in den Labors mit der Fahrpraxis in der Wirklichkeit nichts gemein haben. Koskas gibt zu, dass es - wie bei allen Herstellern - Abweichungen gibt. Er will auch gar nicht bestreiten, dass die Labor-Zulassungen eine gewisse Heuchelei darstellen. "Aber die Vorgaben sind Sache des Gesetzgebers", sagt er lapidar. "Jedem seine Aufgabe."

Renaults Aufgabe besteht nun darin, möglichst schnell eine technische Lösung zu finden, mit der die realen Abgaswerte dem Verkaufsversprechen wenigstens näher kommen. Koskas kündigt einen Plan "für die nächsten Wochen" an. Er könnte teure Fahrzeug-Rückrufe beinhalten. Kern des Renault-Problems ist, dass der Konzern zur Verringerung des Stickoxid-Ausstoßes eine alte Technologie verwendet, die sogenannte "NOx-Trap". Das System reinigt schlechter als die neuere Technologie SCR (Selective Catalytic Reduction), die etwa vom Erzrivalen Peugeot genutzt wird. Die Ausrüstung eines Autos mit SCR kostet 200 bis 500 Euro.

Bei Renault ist der Verkaufsanteil an Dieseln besonders hoch

Koskas lässt offen, ob Renault den Kunden kurzfristig diese Umrüstung anbieten wird. In jedem Fall sollen ihnen keine Kosten entstehen. Für den Konzern bedeutet das: Die Abgasaffäre wird noch teuer. Schließlich fahren 63 Prozent aller Fahrzeuge, die Renault in Europa absetzt, mit Diesel.

Eigentlich will Koskas am Montag ja über die Verkaufserfolge im zurückliegenden Jahr reden. Er verkündet also: 2,8 Millionen verkaufte Autos - so viele wie noch nie. Besonders gut lief es in Europa und für die Billigtochter Dacia. In Indien findet ein neuer Billigwagen reißenden Absatz. Und 2016 soll alles noch besser werden.

Und die Diesel-Affäre? "Wir glauben nicht", sagt Koskas, "dass das unser Image beeinträchtigt."

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