Abgasaffäre:Dieselautos werden spürbar teurer

OM 654, die neue Vierzylinder-Dieselmotoren-Familie von Mercedes

Ein Motor aus der neuen Vierzylinder-Turbodiesel-Generation von Mercedes, die als vergleichsweise sauber gilt.

(Foto: Daimler AG)
  • Motorenexperten halten die derzeitige Kritik an Dieselantrieben für übertrieben.
  • Auf dem Internationalen Wiener Motorensymposium wurde klar: Die meisten Autohersteller haben keine erschwingliche Alternative, um den Diesel zu ersetzen.
  • Deshalb halten sie an der Antriebstechnik fest. Doch weil viel Hightech nötig ist, um die Motoren sauber zu bekommen, dürften Dieselautos deutlich teurer werden.

Von Joachim Becker, Wien

Ende dieser Woche ist D-Day in Stuttgart. D wie Diesel, aber auch wie doomsday, dem englischen Wort für den Tag des jüngsten Gerichts. Am Samstag gibt es im Rathaus eine öffentliche Vorstellung des Luftreinhalteplans. Dann soll klarer sein, wie Autohersteller ihre Fahrzeuge nachrüsten wollen, um das angedrohte Fahrverbot für Diesel zu verhindern.

Für die Industrie geht es um viel: Denn das Beispiel Stuttgart könnte nicht nur Vorbildcharakter für andere Städte haben, hier könnte sich die Zukunft des Diesels insgesamt entscheiden. Zumal die Bundespolitik in Sachen Selbstzünder heillos zerstritten ist: Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD), Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und die grüne Landesregierung in Baden-Württemberg schieben sich im aufziehenden Bundestagswahlkampf gegenseitig den schwarzen Peter zu.

Das empört auch andere. "Zuerst hat man durch geringe Besteuerung des Diesel-Kraftstoffes die Leute zum Dieselmotor mit seinen geringen CO₂-Emissionen gelockt. Jetzt will man ihn plötzlich verbieten", sagt der emeritierte Wiener TU-Professor und gefeierte "Motorenpapst" Hans Peter Lenz, der sich früh für den Einsatz von Katalysatoren stark gemacht hatte. Als der Diesel seinerzeit auch von der Politik als Spritsparer gefeiert und gefördert wurde, war von den hohen Stickoxid-Emissionen kaum die Rede. Damals sei das zweitrangig gewesen, sagt Lenz, das Augenmerk galt dem - klimaschädlichen - CO₂-Ausstoß.

Nun ist guter Rat teuer. Die meisten Autohersteller haben keine erschwingliche Alternative, um den Diesel komplett zu ersetzen, wie die Debatten auf dem Internationalen Wiener Motorensymposium Ende voriger Woche zeigen. "Beim Umstieg von sparsamen Selbstzündern auf Benziner lägen die CO₂-Flottenemissionen im Schnitt um 16 Gramm pro Kilometer höher als heute", rechnet etwa Bosch-Geschäftsführer Rolf Bulander vor. Elektrofahrzeuge seien auch kein Allheilmittel, solange der Strom zum großen Teil aus Braunkohlekraftwerken stamme und die Batterieproduktion große Mengen an Klimagasen freisetzte. Jedes Grad Klimaerwärmung hätte einen weiteren Anstieg des Meeresspiegels zur Folge, mahnt Bulander: "Aber das kommt in vielen Jahren. Die Immissionsproblematik in den Städten ist hingegen jetzt da."

Ein Fahrverbot würde auch Krankenwagen und Müllabfuhr treffen

Ein simples Fahrverbot ist allerdings auch keine Lösung. Sollte das Stuttgarter Stadtgebiet ab 2018 zum Sperrbezirk für ältere Diesel-Fahrzeuge (Euro 5 und älter) werden, wären viele betroffen. Nicht nur Anwohner, die sich keine neuen Diesel leisten können, sondern auch viele kommunale Fahrzeuge. Theoretisch könnte dann keine Müllabfuhr, keine Feuerwehr oder Krankenwagen mehr ausrücken. Die meisten Fahrzeuge von Handwerkern erfüllen ebenfalls nicht die allerneueste Emissionsstufe Euro 6 und müssten draußen bleiben. Deswegen hat die Stadt Stuttgart bereits einen umfangreichen Ausnahmenkatalog erarbeitet: Die Wagen von Handwerker, Lieferanten und selbstverständlich die Autos der Stadtverwaltung werden auch künftig an allen Tagen fahren dürfen.

Es grenzt fast an ein Wunder, dass das Vertrauen der deutschen Autokäufer in den Diesel trotz des VW-Abgasskandals noch nicht nachhaltig gelitten hat. Das könnte sich aber rasch ändern, wenn Hunderttausende Diesel nicht mehr in die Stadt fahren dürfen. "Wer etwa vor einem Jahr im guten Glauben einen ordnungsgemäß unbeschränkt zugelassenen Diesel gekauft hat, dem darf der Staat nicht kurzfristig das Fahren in gewissen Zonen verbieten", warnt Hans Peter Lenz.

Lassen sich mit Nachrüstungen Fahrverbote vermeiden?

Doch auch ohne Fahrverbote bleibt der Druck auf die Autoindustrie hoch, nach Lösungen zu suchen. Von September dieses Jahres an werden mit der nächsten Abgasstufe Euro 6c auch Emissionsmessungen auf der Straße - und nicht nur auf dem Prüfstand - verpflichtend, die sogenannten Real Driving Emissions (RDE). Das Problem sind dann nicht mehr neu typgeprüfte Wagen, sondern der Altbestand. Seit Wochen diskutieren Spitzenmanager der Autoindustrie, Umweltexperten und Politiker deshalb hinter verschlossenen Türen über mögliche Kompromisslösungen.

Gestritten wird um die Wirksamkeit und die Kosten von möglichen Nachrüstlösungen. Das Umweltbundesamt hatte in einem internen Arbeitspapier jüngst Zweifel an einer Aufrüstung von Euro-5-Fahrzeugen auf Euro-6-Niveau angemeldet. Die Autohersteller plädieren für eine Zwischenlösung: Bei jungen Gebraucht-Diesel-Fahrzeugen sollen die Stickoxid-Emissionen durch eine Nachrüstung mindestens halbiert werden. Damit würden sie den Vorgaben für Euro-6-Fahrzeuge näherkommen. Dies wäre eine schnelle und vor allem bezahlbare Lösung - und weitreichende Fahrverbote ließen sich so vermeiden.

VW investiert mehr Geld in Verbrenner als in alternative Antriebe

Die Technik-Experten haben vor allem Software-Updates im Sinn, die zur Abgasminderung beitragen sollen. Die überholten Euro-5-Fahrzeuge sollen die Luftmasse im Ansaugtrakt exakter messen, um die Verbrennung und vor allem die Abgasrückführung genauer zu steuern. Das ist auf dieser Emissionsstufe eine der wenigen Möglichkeiten zur Reduzierung der Stickoxide. Die schnelle Nachrüstung von Katalysatoren ist nur für Modelle denkbar, die fast baugleiche US-Zwillinge haben. Nur bei diesen gibt es fertige Komponenten, die die höheren Ansprüche an die Abgasreinigung erfüllen können. Bei komplett neuen Kats dagegen wäre der Applikationsaufwand angesichts der vielen Modellvarianten enorm zeitintensiv und teuer.

Sicher aber ist: Billige Dieselmodelle haben kaum noch eine Zukunft. Denn die ab Herbst 2017 geltenden, strengeren RDE-Prüfungen werden den Diesel nicht nur umweltfreundlicher, sondern auch teurer machen - zu kostspielig für die meisten Kleinwagen. Moderne Diesel sind dann wieder das, was sie im Kern immer waren: Hightech-Triebwerke für Vielfahrer.

VW-Konzernchef Matthias Müller glaubt trotzdem an ihre Zukunft: "Bis 2020 machen wir unsere Verbrennungsmotoren um zehn bis 15 Prozent effizienter und damit sauberer", versprach er in seiner Rede auf dem Wiener Kongress. Er kündigte auch an, bis zum Jahr 2022 rund zehn Milliarden Euro dafür ausgeben zu wollen. In die Entwicklung von alternativen Antrieben sollen dagegen nur sechs Milliarden Euro fließen. Zweifel an der Zukunft des Verbrenners sehen anders aus.

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