Süddeutsche Zeitung

Abgas-Skandal:Was bringen die Eintauschprämien der Autohersteller?

  • Immer mehr Hersteller starten Prämienaktionen, in denen alte Dieselautos gegen Neuwagen eingetauscht werden können.
  • Nun haben auch die Marken des Volkswagen-Konzerns ein solches Programm gestartet.
  • Wer die Prämien nutzen möchte, sollte jedoch genau nachrechnen. Denn die Branche gewährt derzeit sowieso schon hohe Rabatte.

Von Thomas Harloff

Dieselfahrer und Autokäufer sind verunsichert. Und der Diesel-Gipfel in der vergangenen Woche hat leider kaum etwas beigetragen, um die Sorgen abzubauen. Noch immer drohen Fahrverbote in Innenstädten, weiterhin sehen sich Besitzer von Dieselautos mit hohen Wertverlusten konfrontiert. Und auch bei den meisten aktuellen Euro-6-Dieseln ist nicht klar, ob sie die EU-Abgasgrenzwerte nicht nur auf dem Prüfstand, sondern auch auf der Straße einhalten.

Einige Hersteller versuchen derzeit, die Verunsicherung für sich zu nutzen, indem sie Eintauschprämien für alte Dieselfahrzeuge anbieten - nun auch der VW-Konzern. Doch Autokäufer sollten genau durchrechnen, ob sich das für sie auch tatsächlich lohnt.

Was bietet Volkswagen genau an?

Wer einen Neuwagen der VW-Konzernmarken Volkswagen (Pkw und Nutzfahrzeuge), Audi, Porsche, Seat und Škoda kauft, bekommt eine Umweltprämie, deren Höhe sich am gewählten Modell orientiert. Beispiel Volkswagen: Der Bruttopreis des Kleinwagens Up sinkt um 2000 Euro, der aller Golf- und Tiguan-Varianten um 5000 Euro, der Passat ist 8000 Euro günstiger zu haben. Volkswagen nennt das Ganze Umweltprämie, integriert aber auch den Touareg in das Programm, der 10 000 Euro billiger wird. Ob es der Umwelt hilft, wenn dank solcher Subventionen plötzlich deutlich mehr dieser schweren SUVs auf die Straßen gelangen, darf allerdings bezweifelt werden.

Sinnvoller erscheint das, was VW Zukunftsprämie nennt. Hier bietet die Marke Rabatte für jene Kunden an, die sich für ein Modell mit alternativem Antrieb entscheiden: 1000 Euro für ein Erdgasauto, 1785 Euro für ein Hybridmodell und 2380 Euro für ein reines Elektrofahrzeug. Diese Prämie lässt sich mit der staatlichen Förderung - dazu später mehr - und auch mit Volkswagens Umweltprämie kombinieren. Der E-Golf wird damit insgesamt 11 760 Euro billiger und kostet nun in der Basisvariente 24 140 Euro.

Welche Voraussetzungen muss das alte Auto erfüllen?

Das Alter und die Marke des abgegebenen Fahrzeugs, das im Zuge der Aktion verschrottet wird, ist VW zufolge egal. Die Prämie orientiert sich stattdessen an der Abgasnorm, die Euro-4-Standard oder schlechter sein muss. Außerdem muss es sich um ein Dieselauto handeln. Die Aktion gilt ab sofort und endet am 31. Dezember 2017.

Welche Angebote machen andere Hersteller?

Doch Volkswagen ist nicht die einzige Marke, die versucht, Neuwagenkunden mit Prämien zu ködern. Ford zum Beispiel hat ein ähnlich wie bei VW gestaffeltes System etabliert, bei dem es beim Kauf eines Ka+ 1750 und für einen Edge oder Mondeo Hybrid 8000 Euro gibt. Allerdings muss das alte Dieselauto vor 2006 erstmals zugelassen worden sein und darf höchstens die Abgasnorm Euro 3 erfüllen. Renault bietet 2000 bis 7000 Euro für Diesel bis Euro 4 an. Knausriger ist der BMW-Konzern. Wer einen Diesel abgibt, der maximal Euro 4 erfüllt, spart 2000 Euro, wenn er einen Neuwagen von BMW oder Mini erwirbt. Allerdings auch nur dann, wenn der Euro-6-Neuwagen einen CO₂-Ausstoß von höchsten 130 Gramm pro Kilometer hat. Außerdem kommen die Plug-In-Hybride und das Elektroauto i3 für die Umweltprämie infrage.

Toyota bietet eine Eintauschprämie an für Kunden, die sich für ein Hybridmodell der Japaner entscheiden. Der Bonus von 2000 Euro lässt sich dort mit einer Hybridprämie in gleicher Höhe koppeln. Auch Mercedes bietet inzwischen eine Umweltprämie für Gebrauchtwagen mit der Abgasnorm Euro 4 oder schlechter an. Es gibt 2000 Euro Rabatt beim Kauf eines nach Euro 6 eingestuften Mercedes-Neuwagens. Wer sich für den elektrischen Smart entscheidet, erhält 1000 Euro Nachlass.

Warum sollten Autokäufer trotzdem genau nachrechnen, bevor sie eines der Angebote annehmen?

Die Deutschen verspüren gerade wenig Lust, Neuwagen zu kaufen. Entsprechend hoch sind die Rabatte, die der Autohandel derzeit gewährt. Das Center Automotive Research der Universität Duisburg-Essen erfasst die Zahlen regelmäßig und stellte fest, dass der durchschnittliche Händlerrabatt für die Top 30 der Zulassungsstatistik bei den großen Internetvermittlern 20,7 Prozent betrug. Außerdem ist die Quote der Eigenzulassungen mit im Schnitt 29,7 Prozent derzeit sehr hoch. Solche Autos stehen dann als Tageszulassungen oder junge Gebrauchtwagen bei den Händlern und gelangen mit hohen Rabatten an die Kunden. Der Vorteil für den Hersteller: Er lastet seine Werke aus, hält die Zahl der Neuzulassungen hoch und beschert dem Händler ein Nachfolgegeschäft für dessen Werkstatt, die den Kunden nun regelmäßig zur Inspektion begrüßen darf.

Wer also einen VW Passat kauft, mittelmäßig motorisiert und ordentlich ausgestattet mit einem Listenpreis von 50 000 Euro, kann nach dieser Rechnung sowieso mit einem Rabatt von 10 350 Euro rechnen - aber sein altes Auto behalten. VW bietet dagegen nur 8000 Euro an, und weiteren Verhandlungsspielraum dürfte die Umweltprämie für die Kunden kaum lassen. Weil der Konzern schon jetzt hohe Rabatte auf viele Modelle gewähre, sei die Rabattaktion für VW wohl verkraftbar, sagt Stefan Bratzel, Autoexperte am Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch-Gladbach.

Die Aktion der Autohersteller ist also nicht komplett altruistisch?

Nein, die Konzerne wollen weiterhin Geld verdienen und die Kunden in einer Zeit, in der sie eh schon zurückhaltend kaufen und zusätzlich verunsichert sind, trotzdem in die Autohäuser lotsen. Bratzel zufolge dienen die Aktionen insbesondere dazu, die Werke auszulasten. Außerdem können die Konzerne damit neue Kunden gewinnen, da die Eintauschaktionen in allen Fällen auch für Gebrauchtwagen anderer Hersteller gelten. "Die Autohersteller müssen jetzt gegenüber Politik und Öffentlichkeit außerdem ein Signal senden", sagt Bratzel und nennt die Aktionen "Symbolpolitik".

Prämien beim Neuwagenkauf, das gab es doch schon mal?

Richtig: 2009 gab es ebenfalls eine Umweltprämie, die jedoch als "Abwrackprämie" - das Wort des Jahres 2009 - bekannt wurde. Damals bekam 2500 Euro, wer sein altes Auto dem Autoverwerter übergab und sich im Zuge dessen einen Neu- oder Jahreswagen kaufte. Der Unterschied von damals zu heute: Der Anreiz war ein staatlicher, um die schwächelnde Konjunktur anzukurbeln. Diesmal zahlen die Hersteller den Bonus.

Und was ist mit dem staatlichen Elektroauto-Zuschuss?

Der bleibt von den Aktionen der Hersteller unberührt. Beim Kauf eines reinen Elektroautos gibt es weiterhin einen Rabatt von 4000 Euro, bei einem Plug-In-Hybriden 3000 Euro - Summen, die jeweils hälftig der Bund und der Hersteller zahlen. Allerdings darf der Netto-Listenpreis des gekauften Autos höchstens bei 60 000 Euro liegen. Es gilt außerdem das Windhundprinzip: Nur wer die Förderung rechtzeitig beantragt, profitiert von dem Programm, das bis 2019 angelegt ist. Man kann aber davon ausgehen, dass es so lange weiterläuft, bis der mit 1,2 Milliarden Euro gefüllte Topf ausgeschöpft ist.

Noch ist die Nachfrage sehr gering: Bisher wurden für reine Elektroautos gerade einmal 15 583 Anträge eingereicht, für Plug-In-Hybride 11 002 und für Wasserstoffautos vier - macht insgesamt 26 589. Bedenkt man, dass der Fördertopf für maximal 300 000 Elektroautos reichen würde, ist der Spielraum noch groß. Sollten die Herstelleraktionen nun dazu führen, dass endlich Bewegung in die E-Auto-Förderung kommt, dann hätten sie sogar einen positiven Effekt auf die Umwelt.

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