Abgas-Skandal:VW informiert Kunden über betroffene Diesel-Modelle

Abdeckungen von Dieselmotoren aus dem VW-Konzern.

Motorabdeckungen von Diesel-Triebwerken aus dem VW-Konzern.

(Foto: REUTERS)

Im Internet können VW-, Audi und Škoda-Besitzer nun überprüfen, ob das eigene Auto vom Abgas-Skandal betroffen ist. Was Kunden jetzt wissen müssen - im Überblick.

Von Joachim Becker

Das Kürzel TDI war für Volkswagen ein Markenzeichen des Erfolgs. Jetzt stehen die volumenstarken Dieselmodelle aus den Jahren 2007 bis 2015 angesichts des Abgasskandals, der vor zwei Wochen in den USA anfing, vor einem beispiellosen Rückruf.

Keine Zulassung unter dieser Nummer: Das Kürzel EA189 markiert einen tiefen Einschnitt in der Volkswagen-Geschichte. Hinter dem Entwicklungsauftrag 189 stecken die beliebten 3- und 4-Zylinderdiesel mit 1,2, 1,6 und 2,0 Liter Hubraum. In Europa sind sie ein zentraler Pfeiler des Konzernprogramms, denn sie wurden sieben Jahre lang in die meistgekauften TDI-Modelle der Konzernmarken VW, Audi, Seat und Škoda eingebaut - mit einer unzulässigen Manipulations-Software. Statt eines detaillierten Aktionsplans gibt es aus Wolfsburg bisher nicht viel mehr als Krisen-Aktionismus. Immerhin stellt die Konzernzentrale klar: "Alle Fahrzeuge sind technisch sicher und fahrbereit." Hier Antworten auf konkrete Fragen:

Wie können sich VW- und Audi-Fahrer informieren?

Wie der Konzern am Freitag bekanntgab, können Besitzer fraglicher Pkw- oder Nutzfahrzeug-Modelle auf den Internetseiten www.volkswagen.de/info, www.audi.de, www.skoda-auto.de und www.seat.de die Fahrgestellnummer ihres Wagens eingeben und so überprüfen, ob ihr Auto über den EA189-Motor mit der Manipulations-Software verfügt. Alternativ können sie sich an jeden Händler oder die jeweilige nationale Kundenbetreuung wenden.

Was sollten Kunden tun?

Der VW-Aktionsplan sieht vor, dass Volkswagen und die weiteren betroffenen Marken des Konzerns im Oktober den zuständigen Behörden Vorschläge für technische Lösungen vorstellen. Werden die entsprechenden Maßnahmen akzeptiert, wird es in den nächsten Wochen und Monaten Rückrufe geben: Die Kunden würden angeschrieben und gebeten, ihre Fahrzeuge zu einem Software-Update in die Werkstätten zu bringen. Alle betroffenen Konzernmarken, also VW, Skoda, Audi und Seat, wollen ihre Kunden in Deutschland auch auf extra eingerichteten Internetseiten über den aktuellen Stand der Aktionen informieren.

Welche Fahrzeuge sind in Europa betroffen?

Die Drei- und Vierzylinder-Diesel mit der Betrugs-Software wurden in Europa zwischen 2007 und 2015 hergestellt beziehungsweise zugelassen. Heute dürfen sie nicht mehr als Neuwagen verkauft werden, denn seit dem 1. September dieses Jahres gilt die EU-6-Abgasnorm für alle Neuwagen in Europa. Sie senkt den Stickoxid-Grenzwert bei Dieselmotoren von 180 auf 80 Milligramm pro Kilometer - damit ist sie also immer noch nicht so anspruchsvoll wie der US-Prüfzyklus.

Grund dafür ist ein Kompromiss zwischen den Autoherstellern und den EU-Behörden. Die Industrie wollte mit einem relativ hohen Grenzwert vermeiden, dass auch kleinere Dieselfahrzeuge einen relativ teuren Stickoxid-Katalysator benötigen. Dadurch wären sie im Vergleich zu Benzinern noch teurer geworden.

Warum sind auch Diesel in Europa betroffen?

Auch hierzulande ist betrügerische Software in der Motorsteuerung verboten. Wird eine solche Abschalteinrichtung verbaut und unzulässig verwendet, muss die Typgenehmigung erneut geprüft werden. Daher unterscheidet der VW-Konzern nicht nach Märkten, sondern muss die betreffende Erkennungssoftware weltweit löschen, um die jeweils gültigen Normen einzuhalten.

Inside BM Catalysts Ltd. As Platinum Slumped Amid Concerns For Demand Following Volkswagen AG Scandal

Hierüber ist der Weltkonzern VW gestolpert: ein Abgasmessgerät.

(Foto: Chris Ratcliffe/Bloomberg)

Welche Fahrzeuge betroffen sind und was Kunden tun können

Um welche Modelle handelt es sich konkret?

Grundsätzlich sind nur Dieselfahrzeuge betroffen, keine Modelle mit Benzinmotoren. Den Diesel-Direkteinspritzer EA189 gibt es in den Varianten mit 1,2, 1,6 und 2,0 Litern Hubraum. Die Hubraumunterschiede entstehen durch unterschiedliche Zylinderzahlen und Kolbengrößen. 9,6 Millionen Fahrzeuge der Marken VW, Audi, Seat und Skoda wurden weltweit mit dem Diesel vom Typ EA189 ausgeliefert.

Dazu gehören etwa 577 000 Audi-Fahrzeuge in Deutschland: Entweder als 1,6 Liter TDI (nur A1 und A3) oder 2.0 TDI in den Modellreihen A1, A3, A4, A5, A6, TT, Q3 und Q5. Bei Škoda sind 1,2 Millionen Dieselfahrzeuge der Baureihen Fabia, Roomster, Octavia und Superb betroffen. Bei VW sollen weltweit 1,8 Millionen Nutzfahrzeuge wie der Transporter T5 und etwa fünf Millionen Personenwagen mit der Schad-Software infiziert worden sein. Dabei handelt es sich um die Modelle Polo, Jetta, Golf, Beetle, Tiguan und Passat.

Stoßen die EA189-Motoren in Europa zu viel Abgase aus?

Die Zulassungsverfahren und vor allem die Testzyklen in den USA und in Europa sind nicht direkt miteinander vergleichbar. Die Dieselmodelle mit der Betrugs-Software sind in Europa ausschließlich nach der EU-5-Norm zugelassen. Sie schreibt bei Stickoxiden einen Grenzwert von 180 Milligramm pro Kilometer (mg/km) vor. In den USA liegt dieser Grenzwert viel niedriger bei umgerechnet 31 mg/km.

Außerdem ist der amerikanische Fahrzyklus anspruchsvoller, da er dem Motor wesentlich mehr Leistung abfordert. Das erhöht den Schadstoffausstoß direkt am Motor erheblich und schraubt die Anforderungen für die Abgasnachbehandlung weiter in die Höhe. Daraus folgt: In Europa hat die Betrugssoftware nicht die gleichen Auswirkungen wie in den USA.

Warum sind die Stickoxid-Grenzwerte in Europa niedriger?

Während in Europa kurz nach der Jahrtausendwende um die Einführung des Partikelfilters gestritten wurde, war Amerika beim Thema Luftreinhaltung schon Jahre voraus. Das lag auch daran, dass die Europäische Union den Fokus auf den CO₂-Ausstoß und damit auf äußerst strenge Verbrauchsziele legte. In der US-amerikanischen Gesetzgebung standen niedrige NOx-Werte im Mittelpunkt.

Die Stickoxide reizen ab einer bestimmten Konzentration die Atemwege, schädigen Pflanzen durch die Entstehung von saurem Regen. Schließlich tragen sie auch zur Ozonbildung bei und damit zur Entstehung von Sommer-Smog. Städte wie San Francisco und Los Angeles haben seit Jahrzehnten ein Problem mit der giftigen Dunstglocke. Damit die Luftqualität in den USA endlich besser wird, sind die Kalifornier besonders streng bei den Abgastests.

Was ist seit dem 18. September passiert?

Die US-Umweltbehörde Epa ermittelt wegen Abgasmanipulation gegen Volkswagen: In die Motorsteuerung des Vierzylinder-Diesels mit der internen Bezeichnung EA189 wurde eine Software integriert, die den amerikanischen Prüfzyklus FTP75 erkennen kann. Während des Testlaufs wird die Motorsteuerung auf die gesetzeskonformen Abgaswerte eingestellt, während die Emissionen im Alltagsbetrieb wesentlich höher sind.

Das Abschalten der Abgasnachbehandlung schont die Katalysatoren der US-Dieselmodelle und vermeidet Langzeitschäden. Außerdem wird weniger Kraftstoff für häufige Regenerationen des Partikelfilters und des Stickoxid-Katalysators gespart. Zudem ist die US-Variante des VW Passat Blue TDI, die mit einem Adblue genannten Additiv arbeitet, nicht so wartungsanfällig. Auch bei häufigem, starkem Beschleunigen oder schwefelhaltigem Dieselkraftstoff leert sich der Harnstoff-Tank nicht so schnell. Die amerikanischen Kunden müssen also nicht außerhalb der Service-Intervalle zum Adblue-Tanken in die Werkstatt. Wird das Additiv nicht nachgefüllt, erlaubt die Motorsteuerung keinen Neustart des Fahrzeugs.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: