75 Jahre Diesel:Zukunft unter Vorbehalt

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Vor 75 Jahren wurde der erste Diesel in einen Pkw eingebaut, heute gilt er als idealer Antrieb. Das könnte sich ändern - auch, weil der Motor noch immer ein Stinker ist.

Michael Specht

Der Blick in die Geschichte des Dieselmotors wird bisweilen von Rußwolken getrübt. Wer wann und wo den Selbstzünder erstmals in einen Personenwagen montierte, dazu gibt es unterschiedliche Angaben.

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Mercedes behauptet, man habe auf der IAA in Berlin im Februar 1936 - also vor genau 75 Jahren - mit dem Modell 260 D der Welt den ersten Diesel-Pkw präsentiert. Und danach auch produziert und verkauft.

Zu lesen ist andererseits, dass der kleine Autobauer Hanomag aus Hannover auf derselben Messe einen Diesel ausstellte, ihn dann aber nicht liefern konnte. Anderswo wiederum ist vermerkt, schon drei Jahre zuvor hätten die Franzosen das Dieselherz in einem Citroën Rosalie schlagen lassen. Doch das Modell ging nie in Serie, weil Frankreichs Steuergesetzgebung dies vereitelt habe.

So bleibt am Ende doch dem ältesten Autobauer der Welt aus Stuttgart der Triumph zu gönnen. Immerhin hat Daimler-Benz dem Diesel wie kein zweiter auf die Sprünge geholfen, ihn nach dem Krieg in ungezählte schwarze Taxen gepflanzt und zu unübertroffener Zuverlässigkeit erzogen. Manche Exemplare der Generation Strich/8 und W123 fahren noch heute in Afrika, teils mit mehr als einer Million Kilometer auf dem Buckel.

"Mein Motor macht immer noch große Fortschritte", soll der Ingenieur Rudolf Diesel 1895 gesagt haben, drei Jahre nachdem er sein öliges, schweres und lautes Ungetüm als Patent angemeldet hatte. Diesels ungewollt visionäre Aussage hätte selbst heute noch Bestand.

Fachleute signalisieren dem Selbstzünder noch immer eine große Zukunft. Denn keine Hubkolben-Verbrennungskraftmaschine geht effizienter mit der Energie um. Zudem ist die Leistungsentfaltung des Diesels jedem vergleichbaren Benziner überlegen.

Marktbeobachter Peter Schmidt prophezeit dem Selbstzünder in einer Studie weiteres Wachstum, sieht für Westeuropa sogar den bisher höchsten Marktanteil von 53,3 Prozent kippen. Die meisten Diesel laufen übrigens in Belgien: 75,5 Prozent. Nur eine Kotflügellänge dahinter liegt dann schon Norwegen mit 74,9 Prozent. "Dies ist umso erstaunlicher, weil noch vor zehn Jahren der Dieselanteil dort nur etwa neun Prozent betrug", weiß Schmidt.

Doch trotz aller Verbesserung von Leistung, Laufkultur und Sparsamkeit, die die Ingenieure vor allem in den vergangenen 15 Jahren erreicht haben - der Dieselmotor bleibt ein Stinker, zumindest, was die giftigen Stickoxide angeht.

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Und dies sogar ganz offiziell. Die seit diesem Januar geltende Euro-5-Abgasnorm erlaubt dem Diesel mit 180 mg/km noch immer einen dreimal so hohen NOx-Ausstoß wie dem Benziner (60 mg/km). Besserung ist erst von 2014 an in Sicht, wenn Euro 6 in Kraft tritt. Dann dürfen nur noch 80 Milligramm NOx pro Kilometer in die Luft gepustet werden.

Dabei fährt die europäische Gesetzgebung in Sachen Abgas zum Beispiel den Amerikanern meilenweit hinterher. Vor allem in Kalifornien, dem größten automobilen Absatzmarkt der USA, sowie einer handvoll anderer Bundesstaaten gibt es für die Autobauer keine Gnade.

Wer hier Diesel-Pkw verkaufen will, muss den Selbstzünder so sauber wie den Benziner machen. Nach der dortigen Abgasnorm Tier2/Bin5 sind lediglich 31 Milligramm pro Kilometer erlaubt. Diesen Wert muss der Hersteller mindestens für die ersten fünf Jahre oder 80.000 Kilometer garantieren. Danach sind es noch 44 mg/km.

Zu schaffen sind solche Mengen nur mit einer hochkomplizierten und entsprechend teuren Abgasreinigung. Dazu steckt im Auspuffstrang ein sogenannter SCR-Katalysator (Selective Catalytic Reduction). Er wandelt Stickoxide ohne Bildung von unerwünschten Nebenprodukten zu harmlosem Stickstoff und Wasser um.

Zuvor muss er allerdings mit Ammoniak gefüttert werden. Dieses kann sich im heißen Abgasstrom aber nur bilden, wenn fein dosiert eine wässrige Harnstofflösung, genannt AdBlue, ins Auspuffrohr gespritzt wird. AdBlue sitzt in einem separaten Zusatztank, der so groß ist, dass er im Rahmen der Wartungsintervalle in der Werkstatt aufgefüllt werden kann.

Angeboten wird die Euro-6-fähige Technik bislang nur von den deutschen Autobauern Audi, BMW, Mercedes und Volkswagen, denn sie verkaufen Dieselmodelle in die USA. Einige von ihnen sind zwar auch für den deutschen Markt erhältlich, kosten aber zwischen 1175 und 2380 Euro mehr als die vergleichbaren Euro-5-Versionen. Der Kunde hat außer dem reinen Gewissen, weniger NOx in die Luft zu pusten, nichts davon.

Zwar bekommt er vom Staat drei Jahre lang eine steuerliche Erleichterung von jährlich 150 Euro. An der Windschutzscheibe seines Autos klebt dennoch die gleiche grüne Plakette. Lohnen würde sich die Sache für ihn nur, wenn Städte und Kommunen eines Tages für Diesel die Einfahrt in Umweltzonen vom Ausstoß an Stickoxiden abhängig machen würden. Was kaum wahrscheinlich ist.

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Kein Wunder, dass sich nur wenige Käufer für die sauberen Diesel entscheiden, Audi spricht vom "einstelligen Prozentbereich". Exakter ist man bei VW. Dort ist derzeit der Passat CC 2.0 BlueTDI als einziges Euro-6-Dieselmodell verfügbar. Gewöhnlich liegt dessen Dieselquote um 70 Prozent, nur fünf Prozent entscheiden sich für Euro 6.

Was aber geschieht von 2014 an, wenn auch Klein- und Kompaktwagen Euro 6 erfüllen müssen? Läutet dann das Totenglöcklein für Minis wie Smart cdi und Polo TDI? Wohl kein Kunde wird in dieser Klasse bereit sein, mehr als zehn Prozent des Neuwagenpreises nur für die Abgasreinigung auszugeben.

Zwar kann aufgrund des geringeren Fahrzeuggewichts auf die teure SCR-AdBlue-Technik verzichtet und stattdessen ein Denox-Speicherkat in Verbindung mit einer Abgasrückführung eingesetzt werden. Dennoch entstehen Kosten, die mit etwa 600 Euro in einem schlechten Verhältnis zum Neuwagenpreis stehen und die Hersteller wohl zu einer Mischkalkulation über die gesamte Modellpalette nötigen.

Audi-Entwicklungschef Michael Dick: "Es passiert häufig, dass sich Kosten für gesetzgeberische Maßnahmen nur schwer am Markt durchsetzen lassen." Dick sieht daher ab 2014 kleinere Diesel auf dem Rückzug. Sein Mercedes-Kollege Thomas Weber hält es nicht einmal für ausgeschlossen, dass die nächste Generation des Smart Fortwo ganz ohne Diesel auskommen könnte.

Weber: "Ein moderner Benzindirekteinspritzer mit Turboaufladung erreicht in diesem Segment ebenfalls sehr niedrige Verbrauchswerte - ohne aufwendige Abgasreinigung." Ähnlich denkt man in Wolfsburg. Wenn VW Ende des Jahres mit dem Up beginnt, seine neue Kleinwagen-Familie zu gründen, werden in dem zweitürigen Mini ausschließlich Dreizylinder-Benziner zum Einsatz kommen. Diesel? Ungewiss.

Vielleicht aber kommt die Lösung des NOx-Problems gar aus einem Land, das mit Diesel fast nichts am Hut hat: Japan. Hier erreicht der Selbstzünder-Anteil gerade mal ein halbes Prozent. Doch weil die japanischen Autobauer ohne Dieseltechnologie keine Chance hätten, in Europa zu bestehen, kümmert man sich umso intensiver um die Abgashürde.

Allen voran Mazda. Unter dem Namen Skyactive-D hat man einen äußerst niedrig verdichteten (14:1) Hightech-Diesel entwickelt. Der 2,2-Liter-Vierzylinder, der 2012 sein Debüt feiert, verbraucht nicht nur 20 Prozent weniger, sondern kommt auch ohne Stickoxidreinigung aus. Chefentwickler Nobuhiro Hayama: "Wir erfüllen neben Euro 6 sogar die kalifornischen Standards und die ebenso strengen japanischen Werte."

© SZ vom 21.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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