Süddeutsche Zeitung

68er Ford für 200 000 Dollar:Elektro-Mustang mit 280 km/h

Lesezeit: 3 min

Mitch Medford träumt von klassischen Automobilen ohne Abgase. Also erschafft er den "Zombie 222", einen 68er Ford Mustang mit Super-Elektromotor. Der beschleunigt so brachial, dass sogar seinem Schöpfer angst und bange wird.

Von Felix Reek

Die Reifen drehen qualmend durch. Doch bis auf ein durchdringendes Quietschen ist nichts zu hören. Der Ford Mustang beschleunigt, die Vorderachse hebt für einen kurzen Moment ab und schießt nach vorn. Vollkommen lautlos. Ganz ohne jenen martialischen Lärm, für den Muscle Cars sonst bekannt sind. Denn der 1968er Fastback fährt rein elektrisch.

174 Meilen pro Stunde (mph) wird nach diesem Tag beim Texas Mile, einem zwei Mal im Jahr stattfindenden Renn-Event in dem kleinen US-Städtchen Beeville, auf der Anzeige stehen. Es ist die gemessene Geschwindigkeit des Mustangs - ein neuer, wenn auch inoffizieller Rekord. Umgerechnet 280 km/h, so schnell ist noch nie jemand mit einem Elektroauto gefahren. Schon gar nicht in einem fast fünfzig Jahre alten Oldtimer. Selbst der legendäre Rekord von Carroll Shelby, dem wohl berühmtesten Ford-Tuner, ist damit gebrochen. Der erreichte 1967 in seinem Shelby GT500 Super Snake 170 mph. Natürlich mit einem gewaltigen V8-Benzinmotor.

Autoklassiker mit Elektromotor

Der elektrifizierte Mustang ist das Baby von Mitch Medford, der seine Karriere als Informatiker beendete, um Bloodshed Motors zu gründen. Seine Geschäftsidee: klassische Automobile in elektrische Supergeschosse zu verwandeln, die es mit den schnellsten Autos der Welt aufnehmen können. Das erste und bisher einzige Projekt ist der "Zombie 222", ein alter Ford Mustang, der mindestens 800 elektrische PS leistet. Bis zu 1500 wären theoretisch möglich.

Dass er damit auf dem Leistungsniveau der weltbesten Supersportwagen liegt, davon ist man bei Bloodshed Motors überzeugt. In einem Video-Beitrag des US-Tech-Magazins The Verge verspricht ein Mitarbeiter vollmundig aus dem Off: "Es frisst das Gehirn von Maseratis, Lamborghinis, Ferraris und allem, was wie ein Nudelgericht aus Italien heißt."

Inspiriert von einem Rennfilm

Die Amerikaner lieben Geschichten wie die von Mitch Medford und seinem Zombie 222 (die drei Zahlen stehen für "two engines, two controller, and too damn fast, also "zwei Motoren, zwei Controller und viel zu schnell"). Ein Mann, der seinem Traum nachgeht und sich ganz für ihn aufopfert. Schon in frühester Jugend schraubte Mitch Medford an Autos. Selbst sein Name ist benzingetränkt. Sein Vater benannte ihn nach Robert Mitchum, der 1958 im Film Thunder Road die Hauptrolle spielt. Das Thema: illegale Straßenrennen.

Zusammen mit seinem Vater tunte Medford auch sein erstes Auto, einen 1966er Ford LTD Galaxie 500. Einige Tage später stand die Polizei vor der Tür des Texaners. Sie hatten ihn mit 137 mph (220 km/h) geblitzt. Der Tacho des Ford reicht gerade einmal bis Tempo 120 (193 km/h). Danach folgten weitere amerikanische Klassiker: ein Ford Mustang, ein Chevrolet Impala, zwei Oldsmobile Toronado. Trotzdem ergriff Medford keinen Job in einer Werkstatt. Er ging in die Computerbranche, arbeitete erst bei IBM, führte danach mehrere Start-ups.

Die Idee zum Zombie 222 kam ihm, als er Jeremy Clarkson in der britischen Sendung Top Gear sah. Der ließ den elektrisch angetriebenen Tesla Roadster gegen den baugleichen Lotus Elise antreten. Und war erstaunt, wie leicht der seinen Zwilling mit Benzinmotor abhängte.

Schon damals war er sich sicher, dass Elektroautos die Zukunft sein würden. Die Frage aber war, ob es für diese Technik auch einen Markt bei klassischen Automobilen gäbe. Er recherchierte und stieß auf den Texaner John Wayland. Der hatte bereits seit 1980 mit Elektroautos experimentiert und nach jahrelangen Versuchen sieben Helikopterbatterien in einen 1972er Datsun 1200 eingebaut. Der japanische Kleinwagen beschleunigte danach in nicht einmal zwei Sekunden von null auf hundert.

Eine angsteinflößende Fahrt

Medford schrieb Wayland und gewann ihn für seine Idee eines elektrischen Supersportwagens im klassischem Gewand. Schnell war man sich einig, dass es ein Ford Mustang der ersten Generation sein müsse. Das fertige Produkt würde teuer werden, um die 200 000 Dollar, also etwa 190 000 Euro. Das wären Kunden nur bereit für ein Auto zu zahlen, dass unmittelbar Emotionen weckt. Und was könnte das mehr als ein Mustang? Seit seiner Einführung 1964 ist er ein Klassiker, ein Sinnbild für Freiheit, vielleicht das amerikanischste aller Autos.

Um Vernunft ging es trotz Elektromotor keinem der beiden. "Ich will beweisen, dass dieses Auto irre ist", so Medford. Die erste Testfahrt verlief entsprechend. "Ich bin wirklich nicht leicht zu ängstigen", erklärte Partner Wayland The Verge, aber "das war eine der angsteinflößendsten Fahrten meines Lebens."

Im Laufe der folgenden Monate optimierte das Team von Bloodshed Motors den Zombie 222. Schritt für Schritt wurde der Mustang sicherer. "Irre" blieb er trotzdem. In 2,7 Sekunden beschleunigt der Mustang auf 100 km/h. Die Höchstgeschwindigkeit liegt, wie bei der Texas Mile bewiesen, bei 280 km/h. Und das in einem Chassis, das nie dafür konstruiert wurde, schneller als 200 km/h zu fahren.

Schluss ist für die beiden trotzdem noch lange nicht. Beim nächsten Texas Mile im Oktober wollen sie die 200-Meilen-Marke knacken, umgerechnet etwa 320 km/h. Sie können einfach nicht von ihrem Auto lassen. "Es ist wie Crack und Kokain", so Medford. "Die ultimative Kraft in einem Muscle Car. Jeder sollte so etwas in seinem Leben tun."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2433803
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Süddeutsche.de/reek
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.