50 Jahre Trabant 601:Der Trabi rostet, die Liebe nicht

Peter und Renate Benkner vom Bayrischen Trabant Club.

Peter und Renate Benkner vom Bayrischen Trabant Club.

(Foto: Thomas Harloff)

Der Trabant 601 wird 50 Jahre alt. Von Enthusiasten wird das knatternde Ostmobil heute verehrt wie eh und je - auch mitten in Oberbayern. Kein Wunder, denn der Trabi hat eine bewegte Geschichte hinter sich.

Von Thomas Harloff

Als die Motoren dieser putzigen Kleinwagen starten, legt sich nach wenigen Sekunden ein Dunstschleier über den Parkplatz. Untermalt von einem Klang, der auch von betagten Landmaschinen stammen könnte. Und begleitet von einem Geruch, der in der DDR allgegenwärtig war.

Es fühlt sich an wie vor 25 Jahren im Arbeiter-und-Bauern-Staat, als die 16 Trabis loslegen. Das Zweizylinder-Zweitakt-Motörchen hört sich an, als bedarf es unglaublicher Anstrengungen, die bis zu 26 PS zu entwickeln. Seine Ausdünstungen lassen darauf schließen, dass die bescheidene Leistung ein Resultat eines andauernden Kraftaktes ist.

Dieses Szenario spielt sich nicht in der DDR in den Achtzigerjahren, sondern im Hier und Jetzt ab. Die Trabis und ihre Besitzer haben sich mitten in Oberbayern versammelt. In Dorfen befindet sich der Hauptsitz des Bayrischen Trabant Clubs, auf dem großzügig geschnittenen Grundstück von Renate und Peter Benkner. Die beiden Bayern haben längst ihr Herz an den heute so skurril wirkenden Zwickauer, gebaut vom VEB Sachsenring, verloren.

Eine Liebe fürs Leben - in doppelter Hinsicht

Um Peter Benkner ist es bereits 1989 geschehen, seine Ehefrau ist dem Trabi erst viel später verfallen. "1989 sah ich das Auto zum ersten Mal, als ich meine Verwandtschaft in der DDR besuchte", sagt Renate Benkner. "Damals hielt ich den Trabant noch für ein Spielzeugauto." Viele Jahre später änderte sie ihre Meinung. 2005 hat sie nicht nur an ihrem ersten Trabitreffen teilgenommen, sondern auch ihren Mann kennengelernt. "Das war im Juli. Am 1. April 2006 haben wir geheiratet, im Oktober 2006 hatte ich meinen ersten Trabi", fasst die resolute 51-Jährige diesen romantischen Teil ihrer Lebensgeschichte knapp zusammen.

Die Mitglieder des Bayerischen Trabant Clubs.

Die Mitglieder des Bayrischen Trabant Clubs. Im Verein kümmern sich insgesamt 137 Enthusiasten um den Erhalt des kultigen Ostmobils.

(Foto: Thomas Harloff)

Ein Auto als Kuppler: Anekdoten wie diese lassen die Sympathiewerte betagter Maschinen wie der Ente, des Käfers oder eben des Trabis nach oben schnellen. Doch bei der "Rennpappe" kommt die geschichtliche Komponente hinzu. Erinnerungen werden wach an die Bilder der Wendezeit, als sich ganze Trabant-Kolonnen in westliche Richtung über die innerdeutsche Grenze wälzten. Nicht jeder in der BRD war den Trabis und ihren Insassen wohlgesonnen, dennoch wurden sie zum Symbol für jene Zeit, in der "zusammenwächst, was zusammengehört", wie Willy Brandt nach dem Mauerfall gesagt haben soll.

Robust und leicht zu reparieren

Renate Benkner hat schon lange aufgehört, die 137 Mitglieder des Clubs nach ihrer Herkunft zu kategorisieren. Für sie und für jeden anderen ist es egal, aus welcher Region die Leute stammen. Aber natürlich sind viele Mitglieder aus dem Osten Deutschlands nach Bayern gekommen. So wie Marcel in der Au. Der 42-Jährige drehte schon vor der Wende seine ersten Runden im Trabi - wenn auch nicht ganz legal. "Wir sind mit unseren Pappen über sowjetisches Militärgelände geheizt", sagt der gebürtige Thüringer. "Das hat der Trabi meistens klaglos mitgemacht. Und wenn doch etwas kaputtging, dann brauchtest du nicht mehr als Zangen und einen Schraubenzieher, um es zu reparieren."

Der kleine Sachse bleibt seltener liegen als gedacht. Trotzdem gibt es typische Schwachstellen. Das größte Problem ist Rost. Die Duroplast-Karosserie ist davon zwar nicht betroffen, aber die wenigen Metallteile rosten nur zu gern.

"Unterboden, Schweller, Stoßstangen und Heckklappengriff", zählt Steffen Neumann die neuralgischen Punkte auf. Der 27-Jährige brauchte dringend ein Auto und hat sich auch aus finanziellen Gründen für einen Trabi entschieden. "Ich habe damals 350 Euro für den Trabi bezahlt und dann noch etwa 400 Euro hineingesteckt." Natürlich investiert der Maurermeister viel Zeit in das kultige Ostmobil. Doch er macht das gerne für seinen Trabi. "Ich mag an ihm, dass er so außergewöhnlich ist", sagt der zweifache Familienvater. "Den hat halt nicht jeder."

Neu gegen Alt

Matthias Lange mit einem Trabant 601.

Matthias Lange verwaltet das Lager und ist Herr über die Ersatzteile, Teilespender und Restaurationsobjekte.

(Foto: Thomas Harloff)

Bei der Ersatzteilversorgung lebt in der Trabiszene das für DDR-Bürger exemplarische Improvisationstalent weiter. Nichts wird weggeworfen. Stattdessen wird regeneriert. Einige Internethändler haben sich auf das Überholen und den Verkauf von Trabant-Ersatzteilen spezialisiert. Von diesem System profitiert die ganze Trabiszene. "Kürzlich ging meine Kurbelwelle kaputt", sagt Marcel in der Au. "Im Internet fand ich ein Ersatzteil für 405 Euro, habe aber 455 Euro gezahlt. Als ich das kaputte Exemplar eingeschickt habe, bekam ich 50 Euro Pfand wieder. Die defekte Kurbelwelle wird jetzt überholt und später verkauft, sobald sie wieder funktioniert."

Deutschlandweit sind derzeit knapp 27 000 Trabis zugelassen. Schätzungen zufolge stehen noch etwa zwei- bis dreimal so viele als zukünftige Restaurationsobjekte oder Teilespender in Scheunen oder Garagen. Manche sind auch vergessen oder gar verschmäht worden. Wie das Exemplar von Daniel Faust, das nicht umsonst im Jahreswagenzustand erstrahlt. "Mein Trabi wurde 1987 in Dresden ausgeliefert und 1990 abgemeldet", sagt der gelernte Kfz-Mechaniker. "Danach wurde er immer mal wieder mit rotem Kennzeichen bewegt und zur Jahrtausendwende mit 40600 Kilometern auf dem Tacho stillgelegt." Seit November 2013 besitzt Faust das Auto - und noch einiges mehr. "Ich habe alle originalen Unterlagen", sagt der 31-Jährige. "Die Bestellung, das Qualitätssiegel des Werkes, den ersten Kfz-Brief und sogar die damaligen Kennzeichen."

Günstig im Unterhalt

Die meisten im Bayrischen Trabant Club versammelten Trabis kommen regelmäßig zum Einsatz, manche auch als Alltagsauto. Kein Wunder, denn die Unterhaltskosten sind vergleichsweise günstig. Die Kfz-Steuer beträgt aufgrund des kleinen Hubraums 152 Euro im Jahr, der Spritverbrauch soll nicht viel höher als bei modernen Autos liegen. Wer behutsam fährt, kommt mit dem maximal 26 Liter großen Tank etwa 300 Kilometer weit, sagen die Trabifahrer.

Armaturenbrett Trabant 601

Das Armaturenbrett eines späten Trabi-Exemplars mit zentral hinter dem Lenkrad angeordnetem Tacho und Anzeige für den Momentanverbrauch.

(Foto: Thomas Harloff)

Die meisten Trabis sind älter als 30 Jahre, haben also inzwischen offiziell das Oldtimeralter erreicht. Ein Oldtimer war der Kleinwagen aber bereits in jener Zeit, als er noch als Neuwagen verkauft wurde. Die aus einem Baumwoll-Phenolharz-Gemisch - auch als "Duroplast" bekannt - gefertigte Karosserie galt zwar als fortschrittlich, aber die darunter verborgene Technik war bereits bei der Vorstellung des Trabant 601 im Herbst 1963 antiquiert. Aus Kostengründen übernahm der Trabi einige Teile unverändert von seinem Vorgänger P60, der wiederum eine Evolution des ersten Trabant-Modells P50 war. 1967 gab es neue Bremsen, ein Jahr später den um drei auf 26 PS erstarkten Motor und 1969 folgten Schlitze in der C-Säule, um den Innenraum zu entlüften. 1972/73 führte der VEB Sachsenring neben einem größeren Tank eine bessere Heizung und Lüftung ein.

Modellpflege in kleinen Dosen

In diesem Stil ging es weiter. Große Änderungen blieben aus, modernere Technik fand nur in kleinen Dosen den Weg in den Trabi. Immerhin gab es eine gewisse Modellvielfalt. Neben der zweitürigen Limousine bot das Werk einen Kombi und für Militär sowie Forstwirtschaft den sogenannten Kübelwagen mit Cabriodach, aber ohne Türen, an. Die Kunden konnten zudem zwischen mehreren Ausstattungsvarianten wählen. Als "S de Luxe" verfügte der Trabant 601 unter anderem über bessere Sitze, ein aufgewertetes Interieur und ein in einer anderen Farbe lackiertes Dach.

An mangelndem Mut oder Erfindergeist der ostdeutschen Ingenieure lag der ausbleibende Fortschritt nicht. In 26 Jahren Bauzeit entstand etwa ein Dutzend verschiedener Prototypen, die den Dauerbrenner einmal beerben sollten - die meisten mit moderner Schrägheck-Karosserie. Neben dem Zweitakter kamen sowohl Viertakt-Benziner- als auch Dieseltriebwerke in Frage. Sogar mit Wankelmotoren haben die Ingenieure experimentiert. Doch obwohl Entwicklungskosten im hohen achtstelligen Ostmark-Bereich investiert wurden, hat die Staatsführung alle Projekte vorzeitig abgeblasen. Die überschaubaren Maßnahmen zur Modellpflege waren eben billiger als neue Produktionsstätten oder teure, moderne Werkstoffe.

Wartezeiten von zehn bis zwölf Jahren

So hatte der Trabant 601 etwa 26 Jahre Zeit, um sich zum Verkaufsschlager zu entwickeln. Mehr als 2,8 Millionen Käufer in der DDR und in den anderen Ostblock-Staaten entschieden sich für dieses Modell. Natürlich auch deshalb, weil die Alternativen ebenso rar wie teuer waren. Während der Trabi 1982 in der Version "S de Luxe" knapp 11.000 Ostmark kostete, war der komfortablere Wartburg 353 bereits etwa 6000 Mark teurer und somit für das Gros der DDR-Bevölkerung schlicht unerschwinglich. Von einem Skoda, Lada oder gar einem Westauto ganz zu schweigen.

Gezwungenermaßen warteten die Trabant-Kunden nach der Bestellung geduldig zwischen zehn und zwölf Jahre, bis der ersehnte Neuwagen endlich geliefert wurde. Geduld zeichnet auch die Mitglieder des Bayrischen Trabant Clubs aus. Die werden sie auch brauchen, wenn es Ende Mai zum großen Trabitreffen ins nahe der Ostseeküste gelegene Anklam geht. Die gut 800 Kilometer, einfache Strecke wohlgemerkt, nehmen sie natürlich auf eigener Achse in Angriff. Das wird angesichts der bescheidenen Fahrleistungen - die Höchstgeschwindigkeit liegt je nach Baujahr zwischen 95 und 108 km/h - ein Weilchen dauern. Aber im "Westblech" kann es ja jeder, wie die Dorfener immer wieder betonen. Die Sympathien der Passanten sind ihnen sowieso gewiss - trotz Lärm und Gestank.

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