50 Jahre BMW Alpina:Höchstleistung ja - aber bitte geschmeidig

BMW Alpina B5 und B6 Edition 50

Jubel-Modell: Die B5/B6 Edition 50 sind mit 600 PS die bislang stärksten Autos von Alpina.

(Foto: BMW Alpina)

Seit 1965 macht Kleinhersteller Alpina BMWs ein bisschen besser. Rückschau auf die Geschichte einer Firma, die der Motorkraft frönt - obwohl ihr Chef sich als "Benzinsparfreak" bezeichnet.

Von Jörg Reichle

Wenn man Burkard Bovensiepen richtig ärgern will, das erzählen Menschen, die den Firmengründer und langjährigen Chef von Alpina gut kennen, dann bezeichnet man ihn als Tuner. Also als einen, der Autos x-beliebiger Herkunft schneller macht, stärker, krawalliger. Das wollte Bovensiepen nie sein und Alpina war es auch nicht. Nie, nicht einmal anfangs der Sechzigerjahre, als alles begann: mit einem Vergaser-Set für die Neue Klasse, das war der BMW 1500. Karosserie von Michelotti, der Befreiungsschlag für das in Bedrängnis geratene Münchner Unternehmen, allerdings qualitativ mit Luft nach oben.

In einer Garage neben der Schreibmaschinenfabrik seines Vaters, so kann man es heute nachlesen, entwickelte Burkard Bovensiepen eine Weber-Doppelvergaseranlage für seinen BMW. Und das eigentlich nur, weil ein italienischer Tuner ihm für seinen Fiat 1500 einen rechten Schrott angedreht hatte, der schon nach 50 Kilometern den Geist aufgab. Ergebnis der Kräftigungskur Bovensiepens: 90 statt zuvor 80 PS. Und weil wenig später BMW den 90 PS starken 1800er herausbrachte und damit viele Käufer des BMW 1500 verärgerte, hatte Bovensiepen seine ersten Kunden sozusagen frei Haus bekommen.

Volle Werksgarantie für den Alpina-Vergaser

Geliefert in einer Holzkiste, gab es von 1964 an also die qualitativ hochwertige Vergaseranlage für 980 Mark, inklusive Montage. Sie bestand aus zwei Weber-Doppelhorizontalvergasern 40 DCOE, zwei kurzen geraden Doppel-Ansaugrohren, einem gemeinsamen Nassluftfilter und dem erforderlichen Gasgestänge. Und damit der Absatz noch ein bisschen besser lief, klemmte der junge Bovensiepen eigenhändig Werbezettel unter die Scheibenwischer geparkter 1500er. Sogar BMW selbst half er damit aus der Bredouille. Die frustrierten 1500er-Käufer konnten nämlich fortan mit den 1800ern mithalten, waren wieder glücklich und BMW erteilte der Anlage von Alpina die Freigabe - bei voller Werksgarantie wohlgemerkt.

Es sollte der Anfang einer fruchtbaren Zusammenarbeit bis heute werden. Selbst wenn das Miteinander im Lauf der Jahrzehnte immer mal wieder eher Zweckbündnis denn Liebesbeziehung war - je nach den handelnden Personen in der Münchner Chefetage. Mit Vertriebschef Paul G. Hahnemann, der einst grünes Licht für die Alpina-Anlage gegeben hatte, klappte es bestens, auch später mit den Konzernchefs Pischetsrieder und Reitzle, mit Reithofer wohl eher wohlwollend-distanziert, gar nicht dagegen mit Leuten wie Carl-Peter Forster oder Ex-Vertriebschef Bob Lutz. Das jedenfalls lässt sich dem offiziellen Alpina-Buch entnehmen, das gerade im Delius Klasing Verlag erschienen ist (Paolo Tumminelli: OAL-BB 50 - The Alpina Book; 464 Seiten, 75 Euro).

Durchaus sensible Konstellation

Die Konstellation als solche war ja durchaus sensibel: Ein BMW ohne Alpina war immer denkbar, ein Alpina ohne BMW eben nicht. Und da BMW-Modelle schon von Haus aus als nicht gerade untermotorisiert galten, ergab sich für Alpina ein klares Charakterprofil: Höchstleistung ja, aber nicht so böse und fordernd wie die M-Modelle von BMW, sondern geschmeidig, komfortbetont und uneingeschränkt alltagstauglich. Außerdem, dank Handarbeit, wesentlich exklusiver und bis ins feinste Detail optimiert.

Als am 1. Januar 1965 in Kaufbeuren-Neugablonz die Firma Burkard Bovensiepen KG ins Handelsregister eingetragen wurde, mit 15 000 DM Eigenkapital, 150 000 DM Schulden, sechs Mitarbeitern "und viel Optimismus", wie heute nachzulesen ist, war das alles nicht zu ahnen. Den Vergaseranlagen folgten Lenkräder, Schalensitze und Fahrwerkskits und was sonst noch für den gehobenen sportlichen Autogeschmack so auf der Wunschliste der Kundschaft stand.

Blau und Grün - die Alpina-Farben

Und noch später gab es dann komplette Autos zu kaufen, BMW allesamt und doch sehr speziell Alpina, schon bald zu erkennen an den anfangs etwas aufdringlichen Dekorstreifen und den formschönen Alus mit dem typischen 20-Speichen-Design. Beides hat sich über die Zeit im Wesentlichen gehalten. Wie auch dieses Blau. Nicht zu dunkel, mit einem leichten Rotstich, wie Design-Kritiker Tumminelli analysiert. Und weiter: "Tiefer, aber lebendiger als British Racing Green wirkt Alpinas Metallicgrün."

So entstehen als Ergebnisse kompetenter Entwicklungsarbeit über die Zeit höchst bemerkenswerte Modelle, die zum Teil bei Sammlern hoch im Kurs stehen. Anfang der Siebziger beispielsweise der BMW 2002 Tii Alpina, der mit seinen heute vergleichsweise mageren 130 PS immerhin 220 km/h erreichte und die meisten Sportwagen alt aussehen ließ. Oder der Alpina B6 2.8 auf Basis des BMW Dreiers, die in den Achtzigerjahren sparsamste Sportlimousine der Welt. Mit 200 PS verbrauchte der B6 knapp neun Liter auf 100 km, damals ein sehr beachtlicher Wert.

"Ich bin ein Benzinsparfreak"

Alpina BMW 02 und 2800 CS Rennwagen

Wilde Zeiten: Mit dem Nullzwei (links) und dem 2800 CS gelangen Alpina zahlreiche Motorsporterfolge.

(Foto: BMW Alpina)

Auch das in Sonderfarbe grün-metallic lackierte Alpina B7S Turbo Coupé, in limitierter Auflage nur 30 Mal gebaut, steht heute weit oben in der historischen Modellhierarchie. Eine Höchstgeschwindigkeit von 262 km/h hatte Supersportwagenformat damals und der Fahrer konnte den Ladedruck des KKK-Turbos und damit die Motorleistung zwischen 250 und 330 PS variieren. Kultivierte Kraft, nerven- und ressourcenschonend und dank optimiertem Verbrauch durchaus zeitgemäß und sozialverträglich, das war die Stärke von Alpina-Modellen. "Ich bin ein Benzinsparfreak", wird Bovensiepen einmal zitiert.

Und auch in der Katalysatortechnik ist man ganz vorn. Mitte der Achtzigerjahre standen auf der IAA in Frankfurt/Main die neuen 254 bis 320 PS starken B6, B7 Turbo und B10, allesamt mit strömungsgünstigen Metallkatalysatoren, mit auf Knopfdruck umschaltbarer Zünd- und Einspritzelektronik für bleifrei Normal und bleifrei Super. Selbst die Ölkrise, existenzbedrohend für alle Produzenten leistungsstarker Autos, hatte Alpina auf diese Weise erfolgreich überstanden.

Nie wollte Bovensiepen etwas anderes sein als ein anerkannter Hersteller besonderer Automobile, und schon 1983 honorierte das Kraftfahrt-Bundesamt die Modellpalette mit seinem höchstamtlichen Segen.

Verkaufsförderung durch Motorsport

Aus dem Motorsport freilich hatte man sich schon 1977 verabschiedet. Der war für Bovensiepen bis dahin sozusagen Gen-Lieferant für alles, was unter dem Namen Alpina firmierte - freilich eher gezwungenermaßen, als von der schieren Lust an der Sache beseelt, wenn man dem Firmengründer seinen abgekühlten Enthusiasmus heute glauben darf. Denn Verkaufsförderung war schließlich das oberste Ziel.

Trotzdem verbindet sich der Name Alpina noch heute mit spektakulären Bildern: Weniger von den Rallyeautos Mitte der Sechzigerjahre, obwohl man 1967 den Deutschen Meistertitel holte. Haften geblieben sind vor allem die wilden Nullzweier auf der Rundstrecke, lackiert in Orange und Mattschwarz, meistens mit mindestens einem Rad in der Luft, am Steuer unbekümmerte Kerle wie Strietzel Stuck. Vier Autos setzte Alpina 1969 ein, zwei BMW 2002 und zwei 1600-2. Das ließ sich Bovensiepen 400 000 DM kosten, BMW hatte sich bereit erklärt, 20 000 DM zuzuschießen.

Später, zu Beginn der Siebziger, waren es die großen Coupés 2800 CS, unter anderem mit Niki Lauda, James Hunt oder Jacky Ickx am Steuer, die für Furore im Sinne Bovensiep'scher Verkaufsförderung sorgten. Siege und Meisterschaften zuhauf hievten Alpina in die Schlagzeilen und ins Bewusstsein der autoaffinen Klientel. Doch nach dem Rückzug war lange Schluss. Erst 2009 und 2012 sah man wieder Alpina-Werkswagen auf den Pisten.

BMW baut die Autos, Alpina veredelt sie

Mehr als 1700 Autos verkaufte Alpina im vergangenen Jahr, ein neuer Rekord, genau wie die 90 Millionen Umsatz. Dabei hatte der Chef vor langer Zeit einmal die Losung ausgegeben: "Mir genügt es, wenn wir 500 Autos im Jahr produzieren." Aus dem Kleinbetrieb von einst wurde ein gesunder Mittelständler mit eigenem Entwicklungszentrum, angesiedelt mitten in einem Wohngebiet im beschaulich-ländlichen Buchloe im Allgäu. 220 Angestellte arbeiten hier, der Vertrieb der Autos erfolgt über ausgewählte BMW-Händler und Importeure. Und längst sind die Produktionsabläufe eingespielt: Teile wie das Automatikgetriebe, die Instrumente, Felgen, Kolben oder Kühler werden zum Einbau an BMW geliefert. Lackiert und fahrbereit rollen die Autos dann zu Alpina, wo sie mit Aerodynamik-Anbauteilen und exklusiven Innenausstattungen verfeinert werden.

Sein Unternehmen hat Burkard Bovensiepen längst an seine Söhne Andreas und Florian übergeben. Der Senior sei, so heißt es offiziell, schwerpunktmäßig für den Weinhandel zuständig, so etwas wie das zweite Standbein des Unternehmens, und für die Imagepflege. Aber wer ihn kennt, weiß: Herausgehalten hat sich Burkard Bovensiepen noch nie. Schon gar nicht aus dem Tagesgeschäft.

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