Karmann-Ghia: 50. Geburtstag:"Du liefst so gut, du warst so schön"

Lesezeit: 2 min

Es war ein strahlender Sommertag im Jahre 1955 - auch in der Nähe von Osnabrück. Fotografien von damals zeigen Herren mit Sonnenbrillen, die auf die eleganten Formen eines neuen Autos schauen. An diesem Tag wurde der Karmann-Ghia erstmals präsentiert.

Das Rezept des Modells, das den Namen eines norddeutschen Karosseriebauers mit dem eines italienischen Designers verbindet, ist ein denkbar simples: Man nehme Technik und Unterbau eines VW Käfers und verstecke sie unter einer eleganten Karosserie.

Zwei Ghia-Karmänner: Ein Karmann-Ghia Coupe mit 50 PS und 138 Stundenkilometern und ein geschlossenes Karmann-Ghia Cabriolet mit ebenfalls 50 PS und 138 Stundenkilometern. (Foto: Foto: Karmann / dpa/lni)

Doch bis des Käfers neue Kleider tatsächlich vorgestellt werden konnten, waren einige Hürden zu überwinden.

Karmann in Osnabrück war das einzige Unternehmen, das auf engere Kontakte zu den Wolfsburger Autobauern vertrauen konnte - schließlich fertigten die Niedersachsen schon das Käfer Cabriolet.

Zuerst kein Interesse...

Doch Firmenchef Wilhelm Karmann hatte große Pläne - war ihm doch aufgefallen, dass gerade in den USA kleine sportliche Autos aus Europa viele Liebhaber hatten. Bei Volkswagen jedoch zeigte man an einem solchen Projekt kein Interesse.

Was dann geschah, gleicht mehr einem geheimen Kommando-Unternehmen als einer Autoentwicklung. Wie Dieter Knust in seinem Karmann-Buch Vom Kutschenbauer zum Auto-Karossier (ISBN 3-88926-896-X) beschreibt, wollte man sich bei Karmann mit einer Absage nicht zufrieden geben.

1957: Produktionsbeginn des Cabrios (Foto: Foto: Karmann)

Stattdessen aktivierte Wilhelm Karmann Junior 1952 seine Freundschaft zu dem Italienier Luigi Segre - Eigner der Karosserieschmiede Ghia. Man einigte sich, dass Segre seine Ideen eines sportlichen Volkswagens ausarbeiten sollte.

...dann purer Enthusiasmus

Im Oktober 1953 war es so weit: Der Designer hatte einen Prototypen entwickelt, von dem Karmann begeistert war. Man lud die Entscheider aus Wolfsburg ein, die sich ebenfalls enthusiastisch zeigten, und das Projekt nahm seinen Lauf.

Doch so zielgerichtet man bei den ersten Schritten vorging, so ratlos zeigten sich die Macher, als es um die Namensgebung des Coupés ging. Schließlich wurden die Namen des Herstellers und des Designers per Bindestrich vereint.

Doch im Grunde sagte dieser Name alles: ein Auto mit italienischen Formen, das in Norddeutschland gebaut werden sollte. Und zwar auf der Basis des unverwüstlichen Ur-Volkswagens: Während die Formen edel wirkten und Schnelligkeit suggerierten, war die Technik unter dem Blech von jeglicher Extravaganz weit entfernt. Im Heck rumpelte der bekannte Boxermotor des Käfers mit gerade einmal 30 Pferdestärken.

Nutzwert stand ebenfalls nicht im Vordergrund. Zwar gab es hinter den gemütlichen Vordersitzen noch eine weitere Sitzbank. Die konnte aber Menschen nur auf kurzer Strecke zugemutet werden. Trotz bescheidener Fahrleistungen und eines für damalige Verhältnisse hohen Preises von 7500 Mark fand der Karmann-Ghia dennoch schnell Liebhaber.

Offener, stärker

Bald wurde überlegt, wie sich das Geschäft erweitern ließe - was 1957 zu einer Cabriolet-Ausführung führte. Ende der fünfziger Jahre wurde über einen Nachfolger nachgedacht, der am Ende aber nur ein zweites Modell mit ähnlichem Grundprinzip wurde. Als Basis diente hier der stärkere VW 1500, der bis zu 54 PS leistete.

Der zwar stärkere Wagen schreckte Interessenten aber nicht zuletzt mit seiner Form ab: Überzeugte das kleine Modell mit eleganten Rundungen, verstörte der Große mit gewöhnungsbedürftigen Falzen und Sicken. So wurde das 1961 eingeführte Coupé bereits 1969 wieder aus den Preislisten gestrichen.

Der klassische Karmann-Ghia hatte da noch einige Jahre vor sich. Als er 1974 nach 363.601 gebauten Coupés und 80.881 Cabrios dem fortan in Osnabrück montierten VW Scirocco weichen musste, war den Karmännern doch etwas weh ums Herz: "Du liefst so gut, du warst so schön - doch leider musst du von uns geh'n", dichteten die Mitarbeiter auf einem Schild, mit dem sie das letzte Cabriolet schmückten.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: