Vor 30 Jahren war der Airbag ebenso umstritten wie viele andere Sicherheitseinrichtungen zuvor. Heute rettet der Airbag im Durchschnitt alle sieben Sekunden ein Menschenleben. Wegen der stark gestiegenen Unfallzahlen im Straßenverkehr der 60er Jahre begann man vermehrt über die Sicherheit in Kraftfahrzeugen nachzudenken. Aufgrund zahlreicher Tests war klar, dass bei einem Autounfall das Abfangen des beschleunigten menschlichen Körpers durch einen Prallsack die effektivste Methode darstellt. Die Industrie setzte dazu zunächst auf pressluftbetriebene Systeme.
1974 glaubte man sich bei GM am Ziel. Einige Modelle wurden mit "ACRS" genannten Airbags ausgestattet. Das System war aber nicht ausgereift. Immer wieder kam es zu Fehlauslösungen. Als sich dann auch noch ein tödlicher Unfall als Folge solch einer spontanen Airbag- Aktivierung ereignete, wurde dies System schnell wieder vom Markt genommen. Die Entwicklung eines praxistauglichen Airbags wurde erstmal als unmöglich angesehen, bis es zu ausgeklügelten Airbag-Systemen, wie hier bei Renault (2009) kam, sollten noch Jahre vergehen.
Béla Barényi (Mitte), hier mit seinen Mitarbeitern bei Mercedes-Benz zu sehen, gilt als Pionier der Airbag-Forschung. Nach anfänglichen Versuchen mit Druckluft entschied man sich für einen pyrotechnischen Treibsatz, der im Falle eines Unfalls einen textilen Beutel in wenigen Millisekunden blitzschnell aufbläst und den Fahrer sanft abfängt. 1971 meldete Mercedes-Benz hierfür ein Patent an. Dennoch dauerte es noch weitere neun Jahre, viele Aufprallversuche und über 2.500 weitere Tests und Langzeitversuche, ehe das System seine Zuverlässigkeit bewiesen hatte. Man wollte in Stuttgart nicht eine ähnliche Schlappe riskieren, wie ein paar Jahre zuvor die Kollegen in Detroit.
1980 kam dann die Mercedes-Benz S- Klasse (W126) mit Fahrerairbag und Gurtstraffern auf den Markt. Das System war für 1525,50 Mark als Sonderausstattung erhältlich.
Die Abbildung zeigt das Datenblatt zur Mercedes-Benz S-Klasse (W 126) mit Airbag. Chrysler-Chef Lee Iacocca sagte allerdings 1984, er halte den Airbag für gefährlicher als das Problem, das er lösen soll. Tatsächlich kann der Airbag seine lebensrettende Wirkung nur entfalten, wenn die Person aufrecht sitzend angeschnallt ist. In anderen Fällen kann der Airbag die Person nicht abfangen und vielleicht sogar schaden. Iacocca änderte allerdings 1988 seine Meinung und ließ Fahrerairbags serienmäßig in alle Chrysler einbauen; Ford folgte ein Jahr später.
Porsche verpasste erstmals der Konsole vor dem Beifahrersitz einen weiteren Airbag. Die US- Version des 1987er Porsche 944 Turbos hatte damit serienmäßig Fahrer- und Beifahrerairbags.
Für die anderen 944 Modelle gab es die Airbags als Sonderausstattung. Alle Beifahrerairbags dieser Periode verdrängten das Handschuhfach aus der Konsole. Die zögerliche Aufnahme der neuen Technik ist teilweise verständlich, war doch die Industrie selbst nicht gänzlich von der neuen Technik überzeugt.
Mitte der 90er Jahre nahm die Entwicklung Fahrt auf. An immer mehr Stellen im Innenraum sollten die schnellen Luftpolster ihre schützende Wirkung entfalten. Volvo machte 1995 den Anfang und baute Seitenairbags in die Sitze ein. Einen zusätzlichen Kopfairbag lieferte BMW den Käufern eines 5ers ab 1997. Ab 1998 gab es Kopfairbags für die Fondpassagiere des Volvo S80, die Abbildung zeigt die Komponenten der Passiven Sicherheit im Volvo V70.
Renault baut seit 2002 Sitzpolster-Airbags in seinen Megane, die das durchrutschen unter dem Beckengurt verhindern sollen.
Ironie der Geschichte: Die Technik hat sich gewandelt. Viele Airbags werden inzwischen wieder mit der anfangs verpönten Pressluft aufgefaltet. Die Pyrotechnik dient nur noch dazu, den Verschluss einer Druckluftkapsel zu öffnen.
Die Zahl der tödlichen Unfälle sinkt: Vom Höchststand im Jahr 1970, als fast 20.000 Menschen im Verkehr starben, sank die Anzahl der Verkehrsopfer kontinuierlich auf fast 4000 Tote im Jahr 2009 in Deutschland. Einen bedeutenden Anteil an dieser Entwicklung hat auch der Airbag genannte Prallsack - gefüllt mit etwas warmer Luft.