2011: Mehr Bio im Sprit:Essen oder fahren

Vom neuen Jahr an gibt es an Tankstellen einen neuen Treibstoff mit besonders hohem Bioanteil, doch das Super E10 ist schon jetzt heftig umstritten.

Joachim Becker

Benzin wird grüner, lautet die gute Nachricht. Von Anfang nächsten Jahres an wird an Tankstellen auch Benzin verkauft, das zehn Prozent Bioethanol enthält, sogenanntes Super E10. Bislang wurde konventionelles Benzin in Deutschland mit maximal fünf Prozent des nachwachsenden Kraftstoffs versetzt.

Biosprit in der Krise

Grüne Welle: Für Biotreibstoffe werden blühende Äcker zur Raffinierie.

(Foto: dpa)

Die Europäische Union und die Bundesregierung wollen mit der E10-Vorgabe die Abhängigkeit Europas von fossilen Treibstoffen verringern: "Die Energieversorgung über fossile Brennstoffe wird in wenigen Generationen erschöpft sein; sie bildet somit langfristig eine energiepolitische Sackgasse."

Raus aus der Ressourcen-Sackgasse lautet das Motto des Nationalen Aktionsplans für erneuerbare Energien, den das Bundeskabinett am 4. August 2010 verabschiedet hat: In zehn Jahren soll sich der Energieverbrauch aus regenerativen Quellen auf mindestens 18 Prozent verdoppeln. Im Verkehrsbereich ist sogar eine Verdreieinhalbfachung des regenerativen Anteils auf 13,2 Prozent vorgesehen.

Derzeit befindet sich der Biokraftstoffanteil am Gesamtverbrauch jedoch im Sinkflug. Seit 2007 ist die Nachfrage für reinen Biodiesel eingebrochen. Ein Grund dafür ist, dass sich moderne Direkteinspritzer mit ihrer aufwendigen Abgasnachbehandlung nur schlecht mit dem Sprit vom Acker vertragen. Deshalb erhalten Selbstzünder kaum noch eine komplette Biospritfreigabe ab Werk.

Beimischungen bis zu zehn Prozent bereiten vielen Motoren jedoch wenig Probleme. Deshalb werden jährlich 3,5 Millionen Tonnen Kraftstoff aus nachwachsenden Rohstoffen in immer höheren Anteilen dem konventionellen Sprit beigemischt. Von 2020 an schreibt das Biokraftstoffquoten-Gesetz Treibhausgas-Einsparungen in Höhe von sieben Prozent vor. Das entspricht einem Bioanteil von zehn bis zwölf Prozent.

Noch gibt es auf dem Weg zu einer zukunftsfähigen, klimafreundlichen, ökonomisch sinnvollen und sicheren Energieversorgung jedoch einige Hürden: Eine neue Studie des Londoner Instituts für europäische Umweltpolitik (IEEP) meldet erhebliche Zweifel an der Umweltfreundlichkeit von alternativen Treibstoffen an. Agrosprit sei demnach "schädlicher für das Klima als die fossilen Energien, die es ersetzen soll".

Bis 2020 will Europa insgesamt 9,5 Prozent aller Kraftstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen gewinnen. Doch nur ein kleiner Teil davon wird von heimischen Äckern kommen. Um den zusätzlichen Bedarf an Ölsaaten, Palmöl, Rohr- und Rübenzucker sowie Weizen zu decken, müssten laut der Studie weltweit bis zu 69.000 Quadratkilometer Wald, Weiden und Feuchtgebiete als Ackerland kultiviert werden - eine Fläche mehr als zweimal so groß wie Belgien.

Die Frage der Akzeptanz

Die IEEP rechnet mit zusätzlichen CO2-Emissionen von bis zu 56 Millionen Tonnen, sollte die EU an ihren Plänen für Biokraftstoffe festhalten. Das entspreche einem Ausstoß von zusätzlichen zwölf bis 26 Millionen Autos auf Europas Straßen.

Nicht minder problematisch sind die Folgen für die angespannte Ernährungslage auf der Welt: 90 Prozent der Biokraftstoffe würden aus Ackerfrüchten gewonnen, die auch als Nahrungsmittel dienen könnten. Damit rückt der Konflikt "Essen oder Fahren" erneut in den Fokus. Biokraftstoffe der zweiten Generation aus Algen oder Pflanzenresten werden noch nicht in nennenswerten Mengen produziert.

Auch die Bundesregierung sieht die Gefahr von Fehlentwicklungen unter einem grünen Deckmantel: "Grundsätzlich wird unterstellt, dass wirksame Maßnahmen zur Vermeidung von indirekten Landnutzungsänderungen beschlossen werden", heißt es im Nationalen Aktionsplan für erneuerbare Energien. Davon hänge maßgeblich ab, ob die Verwendungen von Biokraftstoffen in höheren Anteilen akzeptiert werde.

Doch die Akzeptanzfrage hängt nicht allein an der Herkunft der alternativen Energie. Beim Autokauf entscheidet häufig der Geldbeutel mehr als das grüne Gewissen. Im Jahr 2008 waren lediglich 232.000 Pkw mit alternativen Antrieben auf deutschen Straßen unterwegs. Die grüne Flotte macht weniger als ein Prozent des Pkw-Bestands aus.

Grund dafür sind nicht zuletzt die höheren Anschaffungskosten für Erdgas- oder Hybridfahrzeuge. Dass die Spritsparer im Unterhalt günstiger sind als gleich starke Benziner, ist vielen Kunden zunächst egal.

Dass für das Gros der Privatkäufer niedrige Neuwagenpreise wichtiger sind als grüne Innovationen bestätigt der Autohandel: Mehr als 70 Prozent der Verkäufer von Volumenmarken bewerten aufwendige technische Neuerungen in einer Studie als "weniger oder nicht bedeutend".

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