Süddeutsche Zeitung

20 Jahre Škoda und VW:Deutsche planen, Tschechen improvisieren

Der Autohersteller Škoda hat eine der größten Erfolgsgeschichten früherer Ostblockfirmen hingelegt.

Klaus Brill

Die Jubelfeier beginnt mit einem Spatenstich, und das sagt genug darüber, dass hier schon wieder Aufbruchstimmung herrscht. 20 Jahre nach ihrer Eingliederung in den VW-Konzern meldet die traditionsreiche tschechische Autofirma Škoda Erfolge wie nie zuvor. Sie baut deshalb an allen Standorten in aller Welt ihre Produktion aus, auch am Stammsitz in Mlada Boleslav bei Prag.

Und ehe dort an diesem Freitag die Jubiläumsfeier beginnt, findet draußen vor der Montagehalle M 13 eine kleine Zeremonie statt, die den Bau eines neuen Fabrikgebäudes einleitet. Ein Fototermin mit Spaten.

Winfried Vahland, der Vorstandsvorsitzende von Skoda, und Martin Winterkorn, der Chef des VW-Konzerns, erwarten dazu unter anderem den tschechischen Ministerpräsidenten Petr Necas und Staatspräsident Vaclav Klaus. Die Festrede hält dann Hans-Dietrich Genscher, der deutsche Außenminister im Ruhestand.

Man ahnt schon, was die Gratulanten sagen werden, denn der Befund ist eindeutig. Škoda ist eine der größten Erfolgsgeschichten nach dem Zusammenbruch des Kommunismus in Mittel- und Osteuropa im Herbst 1989. Als größtes Industrieunternehmen Tschechiens und als größter Exporteur des Landes ist Škoda heute ein Vorzeigeunternehmen, das den weithin gelungenen Übergang in die Marktwirtschaft und den Stolz der Tschechen auf ihre alte Industrie-Tradition symbolisiert.

Dass es so kommen würde, war keineswegs garantiert, als am 28. März 1991 der damalige Ministerpräsident der tschechischen Teilrepublik im tschechoslowakischen Staat, Petr Pithart, und VW-Chef Carl Hahn den Vertrag über die Gründung einer gemeinsamen Aktiengesellschaft mit dem Namen Škoda automobilova akciova spolecnost unterzeichneten, der am 16. April 1991 in Kraft trat. VW erhielt zunächst nur einen Anteil von 31 Prozent, der erst im Jahr 2000 auf 100 Prozent erhöht wurde.

Vorausgegangen waren dramatische Auseinandersetzungen, denn VW war nicht der einzige Interessent. Auch BMW und General Motors hatten geboten, am Ende wurde aus dem Gefecht ein Zweikampf zwischen VW und Renault. Der Sieg der Deutschen war vielen Tschechen ganz und gar nicht recht. Ausgerechnet der große Nachbar, der 1939 das Land mit einem grausamen Krieg überzogen hatte, sollte eine der Renommierfirmen bekommen?

Immerhin stand das Unternehmen, dessen Fundamente 1905 der introvertierte Tüftler Vaclav Laurin und der geschäftstüchtige Buchhändler Vaclav Klement in Mlada Boleslav gelegt hatten, im Ostblock noch vergleichsweise gut da, auch wenn über seine Erzeugnisse viele Witze kursierten. Zum Beispiel der: Warum hat der Škoda geheizte Heckscheiben? Damit man beim Schieben nicht friert. Oder der: Wie kann man den Wert eines Škoda verdoppeln? Indem man den Tank mit Benzin befüllt ...

Die Deutschen ließen, als sie den Zuschlag hatten, erst einmal die Werkshallen säubern und fuhren auf Lastwagen tonnenweise Schrott und Müll ab. Den leitenden Managern stellten sie je einen Experten aus dem VW-Konzern zur Seite, und bis heute sind an die 50 Deutsche im Management vertreten. Dem siebenköpfigen Vorstand gehört nur ein einziger Tscheche an. Oft kollidierten am Anfang deutsche Unverblümtheit und Planungswut mit tschechischer Reserviertheit und Neigung zur Improvisation, man rückte den Gegensätzen mit interkulturellen Seminaren zu Leibe.

Die öffentlichen Vorbehalte indes verstummten, je mehr Milliarden VW investierte und je besser das Geschäft lief. Zudem zeigte sich, dass manch andere stolze Firma, die nach 1991 durch die massenhafte Ausgabe von Coupon-Scheinen privatisiert wurde, infolge von Betrug und Unfähigkeit der Beteiligten ruiniert wurde. Škoda Auto hingegen partizipierte von der Erfahrung und den Synergieeffekten des VW-Konzerns und meldete jahrein jahraus Erfolge.

Neue Modelle fanden Anklang, vor allem der Bau des Mittelklassewagens Octavia übertraf die Erwartungen. Schon im November 2005 konnte stolz vermeldet werden, dass in den gut 14 Jahren der VW-Ägide bei Škoda fünf Millionen Autos hergestellt wurden - ebenso viele wie in der ganzen 85-jährigen Firmengeschichte zuvor. Inzwischen sind weitere 3,3 Millionen dazugekommen; zum dritten Mal wird die Fünf-Millionen-Schwelle schon Ende nächsten Jahres erreicht.

Auch die derzeit 24.700 Arbeitnehmer profitierten davon, wenngleich sich viele von ihnen mit Blick auf die doppelt oder dreifach so gut verdienenden Kollegen bei Volkswagen durchaus im Hintertreffen fühlen. Für tschechische Verhältnisse aber sind die Škoda-Löhne überdurchschnittlich hoch, derzeit liegen sie etwa bei 1200 Euro im Monat - vor fünf Jahren waren es noch 625 Euro.

Auch dies belegt den Boom, ebenso wie der Umstand, dass die Beschäftigten in Tschechien nach Protesten jüngst erstmals einen stattlichen Jahresbonus bekamen, in Höhe von rund 850 Euro. Es mag sie auch trösten, dass sich die Führung unzweideutig zu ihrem Standort bekennt. "Tschechien ist und bleibt das Herz von Škoda", erklärte jüngst Vorstandschef Vahland. "Nur mit einer intakten und erfolgreichen Heimatbasis kann man global erfolgreich handeln. Und darauf kommt es in den kommenden Jahren ja an."

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SZ vom 15.04.2011/gf
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