Siebte Generation des VW Golf GTI:Ausgewogener Alleskönner

Der neue Volkswagen Golf GTI

Nicht zu viel, nicht zu wenig, ganz bei sich: der neue Golf GTI

(Foto: Abdruck fuer Pressezwecke honora)

Der neue GTI ignoriert das Leistungs-Wettrüsten in der Kompaktklasse und punktet mit einer hervorragenden Lenkung und einem breiten Einsatzspektrum. Der 220-PS-Golf ist reifer denn je, aber immer noch kein Öko-Sportler. Eine erste Ausfahrt.

Von Sascha Gorhau, Saint-Tropez

Schweden findet der Durchschnittsdeutsche irgendwie gut. Die Wirtschaftskrise hat das skandinavische Land gut überstanden, das Bildungssystem gilt als vorbildlich und die deutschen Haushalte sind voll von Ikea-Möbelstücken. Und dann haben die Schweden dieses Wort, das es im Deutschen so nicht gibt und das vieles so schnörkellos ausdrückt: "lagom". In Wörterbüchern wird es mit "genau richtig" oder "passend" übersetzt. Nicht zu viel, nicht zu wenig, ganz bei sich.

Dort ist die siebte Generation des Golf GTI inzwischen angekommen. Der Pionier der Kompaktsportler ist seit 1976 auf dem Markt und wurde schon fast 1,9 Millionen Mal verkauft. Die erste Generation wurde noch bekannt durch Details wie Sitze mit Karobezug oder den Golfball auf dem Schaltgetriebe.

Karomuster und Golfball sind geblieben, ansonsten hat der aktuelle Wagen mit seinem Urahn nicht mehr viel gemeinsam. Der Einser-GTI war noch puristisch und ungeschliffen, die siebte Generation ist eine ausgewogene Allzweckwaffe: Aus dem jugendlichen Rüpel ist ein erfahrener Altrocker geworden. Der neue GTI entzieht sich dabei dem Leistungsdruck seiner Fahrzeugklasse. Bei den Kompaktmodellen findet aktuell ein Leistungswettrüsten statt: Der A 45 AMG von Mercedes leistet 360 PS, der M 135i von BMW 320 PS. Sich in dieser Liga zu behaupten, wird die Aufgabe der stärksten Golf-Variante, des Golf R, werden. Er soll Ende des Jahres erscheinen und wird vermutlich an der 300-PS-Marke kratzen.

Der GTI aber bleibt "lagom". Er begnügt sich mit 220 PS im Grundmodell und mit 230 PS in der nachgeschärften Performance-Variante. Mehr braucht er auch nicht. Er soll schließlich nicht zum radikalen Nischenprodukt werden. Dennoch: 220 Basis-PS entsprechen immerhin der doppelten Leistung, über die der Ur-GTI verfügte. Das entspricht in Kombination mit dem serienmäßigen Sechsgang-Schaltgetriebe einer Beschleunigung auf 100 km/h in 6,5 Sekunden und einer Höchstgeschwindigkeit von 246 km/h.

Im Performance-Modell, zu dem neben den zehn Mehr-PS noch eine größere Bremsanlage und eine elektronisch geregelte Vorderachs-Quersperre an Bord sind, vergehen für den Standard-Spurt nur 6,5 Sekunden und die Höchstgeschwindigkeit liegt bei prestigeträchtigen 250 km/h. Ist der jeweilige Motor mit dem Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe DSG ausgestattet, sind die Fahrleistungen nur geringfügig schlechter, der Verbrauch jedoch spürbar höher. Mit DSG verbraucht der 220-PS-GTI im Normzyklus 6,4 Liter, handgeschalten nur sechs Liter.

Die Verbrauchswerte im Alltag liegen jedoch deutlich über den auf Papier angegebenen Daten: Durchschnittlich 7,7 Liter Superbenzin verbrannte der GTI mit Handschaltung während der Testfahrten bei extrem entspannter Fahrweise. Bei flotter Fahrweise und im Stadtverkehr stieg der Konsum auf knapp zehn Liter.

Dabei ist das ausgewogene Fahrverhalten die große Stärke des Wolfsburgers. Einen wesentlichen Anteil daran hat das aktive Sperrdiffenzial an der Vorderachse. Das verbaut VW zwar nur in Verbindung mit dem Performancepaket für insgesamt 1175 Euro Aufpreis - doch diese Summe ist gut investiert. Denn auch im Alltagsbetrieb erhöht es das Vertrauen in den Wagen und damit auch das subjektive Sicherheitsempfinden am Steuer deutlich.

Die Antriebstechnik bewirkt, dass mehr Motorkraft an das kurvenäußere Rad geleitet wird. Dadurch fährt das Auto direkter, spurtreuer und vor allem ruhiger um die Kurve. Ohne übertrieben oder aufdringlich abgeregelt zu wirken, hält die Sperre den Wagen auf Kurs und zieht ihn förmlich durch die Kurve. Das Wichtige: Der Wagen bringt bei Bedarf mehr der vorhandenen Motorleistung länger auf die Straße. Das macht ihn bei Bedarf schnell und im Notfall sicherer.

Der GTI hat zudem erstmals serienmäßig eine Progressivlenkung an Bord, die ihr Übersetzungsverhältnis der jeweiligen Fahrsituation anpasst. So ist beispielsweise der Lenkeinschlag beim Parken ein anderer als bei hohem Autobahntempo. Handling und Zielgenauigkeit sind somit spürbar besser als beim Vorgänger.

Das auf 350 Newtonmeter gestiegene Drehmoment macht den Wagen so elastisch und alltagstauglich, wie es kein GTI vor ihm war. Die adaptive Fahrwerksregelung (1110 Euro Aufpreis mit Fahrprofilauswahl) verändert seinen Charakter nach Belieben: Er wird im Comfort-Modus zum Reisewagen, in der Sport-Variante zum Flitzer oder passt sich den jeweiligen Bedürfnissen an, wenn der Fahrer im Individual-Programm Bordsysteme wie Motor, Lenkung oder Klimaanlage einstellen kann.

Der ebenfalls verfügbare Eco-Modus ist jedoch überflüssig. Er macht aus dem GTI noch lange keinen Öko-Sportler: Im Fahrtest konnten wir keine nennenswerten Verbrauchsvorteile feststellen. So passt es schließlich zu diesem Kompromiss auf vier Rädern, dass der kernige Motorsound, der für sportliche Fahrzeuge so charakteristisch ist, erst bei wirklich hohen Drehzahlen zu hören ist. Er wird zum Sportler und klingt nach Sportler, aber erst, wenn der Fahrer es will. Ansonsten ist die Geräuschkulisse erfreulich leise.

Der neue Golf ist ein Alleskönner, der kaum auffällt - auch optisch. Diese Ausgewogenheit ist seine Stärke und das Resultat einer 37-jährigen Weiterentwicklung. Von Mai an steht der Wagen beim Händler, Preise beginnen bei 28.350 Euro. Auf Schwedisch könnte man die siebte Generation des Golf GTI auch ganz entspannt als "lagom" bezeichnen.

Die Reisekosten zur Präsentation des Golf GTI wurden teilweise vom Hersteller übernommen.

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