Selbstfahrende Autos:Deutsche fahren selbst, Chinesen lassen fahren

Das Lenkrad eines selbstfahrenden BMW dreht sich, ohne dass ein Mensch am Steuer sitzt.

Das Lenkrad dreht sich ganz von alleine: Selbstfahrender BMW auf einem Testgelände in Unterschleißheim.

(Foto: Matthias Balk/dpa)
  • Einer aktuellen Studie zufolge sind die Deutschen besonders skeptisch in Bezug auf das autonome Fahren - ganz im Gegensatz zu Chinesen oder Indern.
  • Den Grund sehen Experten in einem unterschiedlichen Verhältnis zum Auto, das in der Mobilitätsentwicklung des jeweiligen Landes begründet ist.
  • Derzeit schmieden die deutschen Autobauer weitreichende Allianzen mit chinesischen Firmen, um das Thema auf dem dortigen Markt voranzutreiben.

Von Thomas Fromm

Es ist wohl kein Zufall, dass sie jetzt alle genau da unterwegs sein wollen, wo die Musik spielt. Früher wollten alle nach China, weil dort viele Autos verkauft wurden. Jetzt wollen sie autonom fahren.

BMW lässt als erster ausländischer Autohersteller seine autonomen Testwagen mitten durch das Stadtgebiet von Shanghai fahren. Da, wo schon heute BMW-Leute an autonomen Autos forschen, sollen wichtige Daten gesammelt werden. Es geht um die nächste Stufe des autonomen Fahrens, genannt Level 4. Pedale und Lenkrad gibt es noch - der Fahrer kann also eingreifen. Aber er kann eben auch anders.

Das Kalkül von Unternehmen wie BMW ist einfach: China ist inzwischen nicht nur der größte Automarkt. Hier, im Land der Megacitys, beginnt gerade auch die automobile Zukunft - allerdings mit ganz neuen Spielregeln. Diesel war hier nie ein großes Thema, Autos fuhren erst mit Benzin, und nun immer mehr elektrisch. Und chinesische Autobauer, jahrelang Joint-Venture-Partner der alten Kollegen aus Europa und den USA, machen keinen Hehl mehr aus der Frage, was sie wirklich wollen: Mit den elektrischen und autonom fahrenden Autos von morgen und Marken wie Nio und Byton den Weltmarkt aufrollen. Für BMW und die Kollegen aus Stuttgart oder Ingolstadt heißt das: Mitmachen - oder den Milliardenmarkt abschreiben.

Dazu passt nun eine Studie des World Economic Forum (WEF) und der Unternehmensberatung BCG (Boston Consulting Group), die an diesem Mittwoch veröffentlicht wird. Drei Jahre lang hat man weltweit untersucht, wie sich autonomes Fahren in den kommenden Jahren verbreiten wird. Menschen in 27 Städten sagten dazu ihre Meinung, das Ergebnis am Ende der Studie: 60 Prozent aller Befragten weltweit würden selbstfahrende Autos nutzen, um von A nach B zu kommen.

45 Prozent in Deutschland, 85 Prozent in Indien

Allerdings sind die regionalen Unterschiede enorm: In Deutschland sind es gerade mal 45 Prozent der Befragten, die sich von einem Roboterauto chauffieren lassen würden; in Frankreich sind es sogar nur 40 Prozent. In China dagegen sind es 75 Prozent, und in Indien sogar 85 Prozent. Ein Grund für diese sehr unterschiedliche Akzeptanz, so BCG-Partner Nikolaus Lang: "In Europa sind Sie mit dem Auto groß geworden und haben wahrscheinlich schon seit vielen Jahren einen Führerschein. In Ländern wie Indien oder China sind Sie vielleicht gerade erst motorisiert. Da ist das Verhältnis zum Auto ein ganz anderes." Hier die Autofahrernationen Deutschland und Frankreich, da die neuen Boommärkte, in denen es nicht mehr unbedingt darum geht, das Steuer in der Hand zu halten. Wenn deutsche Autobauer die Zukunft des autonomen Fahrens planen, dann also da, wo man kein Problem damit hat, sich fahren zu lassen.

Auch die Verkehrssituation wirkt sich auf die Akzeptanz autonomer Fahrzeuge aus: Wo die Städte vor Autos überlaufen, wo man keinen Parkplatz mehr findet, wo man einen großen Teil seiner Freizeit im Stau steht, lässt man sich lieber fahren. "Wir haben in Europa eine entspanntere Verkehrssituation als etwa in Asien, wo Sie in den Großstädten ständig im Stau stehen", sagt Lang.

Audi setzt auf chinesisches Know-how

Der beurlaubte Audi-Chef Rupert Stadler, wegen der Dieselaffäre seit über einer Woche in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Augsburg, war noch einmal kurz in China, bevor ihn die Beamten am frühen Morgen zu Hause abholten. Auf dem Programm: Eine große Party mit dem neuen, fünf Meter langen Schlachtschiff SUV Q8, Gespräche mit IT-Experten und lokalen Managern. Die Ingolstädter setzen auf lokales Know-how, um die Entwicklung von autonomen Fahrzeugen voranzutreiben. Mit dem IT-Giganten Alibaba arbeitet Audi an hochauflösenden 3-D-Karten; mit dem Suchmaschinenbetreiber Baidu, dem Internet-Unternehmen Tencent sowie dem Telekommunikationsausrüster Huawei bestehen weitere Partnerschaften und Kooperationen. In China, dem Land der autonomen Autos, sehen deutsche Autobauer schon seit Jahren ihre Zukunft. Das dürfte in den nächsten Jahren eher noch zunehmen. Bis sich das vollautomatische Fahren global durchsetzt, dürften nach Expertenmeinung allerdings noch mindestens 20 Jahre vergehen.

Befürworter der neuen Autos argumentieren, dass es auf den Straßen zu weit weniger Unfällen komme, wenn Maschinen das Steuer übernehmen. Denn: Für Unfälle seien in erster Linie menschliche Fahrer verantwortlich - weil sie übermüdet sind, abgelenkt oder alkoholisiert. Kritiker wenden ein, dass technische Probleme ebenso zu Unfällen führen könnten wie menschliches Versagen. Zudem bestehe das Risiko, dass Hacker die Bord-IT entern und das Auto in Unfälle hineinmanövrieren. Zudem müssten die Daten der Fahrzeuge geschützt bleiben.

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