Motorradmesse EICMA:Dolce Vita mit Hauen und Stechen

Die neue Ducati X-Diavel.

Eines der EICMA-Highlights von Ducati: die neue X-Diavel.

(Foto: Ducati)

Höchstleistung war gestern: Bei der einzigen Weltmesse der Motorradbranche stehen Touren- und Retro-Bikes im Mittelpunkt. Ducati trumpft auf - und wagt den Angriff auf BMW und Harley-Davidson.

Von Thilo Kozik

Auf den ersten Blick sieht es so aus, als würden sich die wirtschaftlichen Probleme Italiens widerspiegeln, die auch die Verkaufszahlen für Motorräder nach unten drücken. Denn die Motorradmesse Eicma muss sich dieses Jahr das Mailänder Messeareal mit der parallel stattfindenden Ausstellung zur Textilverarbeitung teilen. Außerdem wurde die alljährliche Nabelschau der Motorradbranche zwei Wochen in die Warteschleife geschoben. Erst nach dem Ende der Weltausstellung Expo konnte die einzige Weltmesse dieser Art ihre Pforten öffnen. Dem Andrang der Motorradbegeisterten tut dies jedoch keinen Abbruch. Und dank der spürbaren Erholung der Märkte in anderen Ländern haben die Motorradhersteller auch in diesem Jahr wieder zahlreiche interessante Neuheiten herausgebracht.

Trotz der Verwerfungen in Wolfsburg macht Ducati den Aufschwung am deutlichsten. Die VW-Konzernmarke fackelt auf ihrer Heimmesse nicht nur ein echtes Feuerwerk an Neuheiten ab. Sie zielt mit einigen Modellen auch ganz klar auf das angestammte Terrain anderer Marken. So schielen die Italiener mit einer geländegängigen Version ihres potenten Allrounders Multistrada 1200 auf die große Anzahl von Reiseenduristen. Diese Weltenbummler wollen auf bequeme Art und Weise Kilometer ohne Ende abreißen und sich dabei nicht von unbefestigten Wegen aufhalten lassen.

Ernst zu nehmender Gegner für die BMW R 1200 GS

In diesem Revier regiert bislang unangefochten der bayerische Platzhirsch BMW R 1200 GS. Doch Ducati hat mit der Multistrada 1200 Enduro einen ernst zu nehmenden Gegner auf die Speichenräder gestellt, die in der gleichen offroad-tauglichen Dimensionierung von 19 Zoll vorn und 17 Zoll hinten auf adäquater Stollenbereifung rollen. Zu langen Federwegen und einem riesigen 30-Liter-Tank kommen gewaltige 160 PS, die von allen erdenklichen elektronischen Fahrhilfen domestiziert werden. Dazu gibt's eine Vollausstattung mit semiaktivem Fahrwerk sowie robuster Optik inklusive Motorschutzbügeln.

Auch Triumph hat sein Konkurrenzmodell zur BMW GS, die Tiger Explorer, gewaltig aufgepeppt. Analog dem Konzept der kleineren Tiger 800 gibt es auch die Explorer künftig in einer straßenorientierten und einer stärker offroad-geeigneten Variante. Von beiden Varianten werden jeweils drei unterschiedlich ausgestattete Modelle angeboten. Bei den höheren Ausstattungslinien sind verschiedene Fahrmodi, semiaktives Fahrwerk und Kurven-ABS mit an Bord.

Amerikanischer Zuschnitt mit italienischer Finesse

In eine ganz andere Kerbe haut die Ducati X-Diavel, ein Power-Cruiser klassischen amerikanischen Zuschnitts, aber mit italienischer Finesse beim Stil und einem höchst extrovertierten Auftritt: Mit nach vorn versetzten Fußrasten und der Long-and-low-Attitüde schielt sie auf den US- Markt. Aus dem gleichen Grund kommt ein unter amerikanischen Motorradfans beliebter Zahnriemenantrieb statt einer Kette zum Einsatz. Doch die X-Diavel kann ihre Sportgene nicht verleugnen und ist im Gegensatz zu vielen "originalen" Cruisern auf Fahrdynamik ausgelegt. Das legen allein die 156 PS Leistung, aber mehr noch das gewaltige Drehmoment von 129 Newtonmeter nahe.

Dass Fahrspaß keine Frage der Leistung ist, hat Ducati im letzten Jahr mit der fa-mosen Scrambler selbst demonstriert, die ohne Gedanken an Höchstgeschwindigkeit pures Fahrvergnügen liefert - mit großem Erfolg, denn Ducati konnte von diesem Modell weltweit 15 000 Einheiten absetzen. Und legt jetzt mit einem echten Einsteigermotorrad nach: der Scrambler Sixty2 mit luftgekühltem V2, der aus knapp 400 cm³ Hubraum 41 PS holt und damit locker in die Führerschein-A2-Klasse fällt. Lifestyle steht bei diesem Motorrad im Vordergrund, das bereits ab Werk eine Vielzahl von Individualisierungsmöglichkeiten bietet.

BMW weitet sein Retro-Programm aus

Die neue BMW R nineT Scrambler.

BMW zeigt in Mailand die neue R nineT Scrambler

(Foto: BMW Motorrad)

Ähnliches sieht man in Mailand auch auf dem BMW-Stand: Die R nineT Scrambler ist die logische Erweiterung der erfolgreichen R nineT. Der Neuzugang in der Retro-Boxer-Baureihe erinnert mit grobstolligen Reifen, hochgelegter Auspuffanlage, längeren Federwegen und einer relaxten Sitzposition an die gleichnamigen Modelle der 1950er- bis 1970er-Jahre. Damals nahmen Promis wie Steve McQueen und andere Nonkonformisten damit an Berg- und Strandrennen teil. Die neue BMW Scrambler erlaubt dank aufrechter Ergonomie ebenfalls gepflegte Geländeausritte, aber auch längere Touren. Den Genuss rund macht der tadellose luft-/ölgekühlte Boxermotor mit 1170 Kubikzentimeter Hubraum, der im Scrambler für 110 PS und ein bulliges Drehmoment von maximal 116 Newtonmeter gut ist.

Eine echte Ikone belebt Honda neu: Der weltgrößte Zweiradhersteller bringt als Highlight endlich die langersehnte Africa Twin, die hier vergangenes Jahr noch als Prototyp enthüllt wurde. Allerdings tritt die CRF 1000 L, so der offizielle Modellcode, ein schweres Erbe an: Die legendäre XRV 750 Africa Twin galt als unverwüstlich, ebenso fernreise- wie wüstentauglich und mauserte sich dank ihres zigtausendfach bewährten V2-Motors zum Weltumrundungsmobil.

Die Neuheiten der Japaner

Technisch hat sich die Neue deutlich von ihrem Ahnen entfernt. Herzstück ist ein neu entwickelter Reihenzweizylinder mit 998 Kubikzentimetern, der mit kompakten Zylinderköpfen, einer Nockenwelle und vier Ventilen 95 PS und ein maximales Drehmoment von 98 Newtonmeter leistet. Eine Kurbelwelle mit 270-Grad-Kröpfung unterstützt die charakterstarke Auslegung, zwei Ausgleichswellen halten Vibrationen im Zaum. Echte Geländegängigkeit verspricht das Fahrwerk mit 21-Zoll-Vorderrad und 18 Zoll hinten und langen Federwegen von 230 Millimeter vorn und 220 hinten. Die 208 Kilo leichte Basisversion kostet 11 805 Euro, für 600 Euro mehr gibt's ABS und Traktionskontrolle. Für ein speziell auf den Geländeeinsatz abgestimmtes Doppelkupplungsgetriebe werden noch einmal 1120 Euro fällig.

Yamaha krönt seine erfolgreiche MT-Landstraßenroadster-Familie mit einem neuen Oberhaupt: Die fast schon futuris-tisch gestylte MT-10 wird vom 998-Kubik-Crossplane-Reihenvierzylinder aus dem aktuellen Supersportler YZF-R1 angetrieben. Für bessere Fahrbarkeit muss er mit weniger Leistung auskommen, dafür gibt es mehr Drehmoment bei niedrigen und mittleren Drehzahlen. Für ambitionierten Landstraßenspaß sollten die vermutlich rund 160 PS allemal reichen. Drei Fahrmodi, Traktionskontrolle und eine Rutschkupplung stehen dem Biker als Fahrhilfen zur Seite.

Ebenfalls sportlich, wenngleich in ganz anderer Hinsicht, tritt die XSR 900 auf. Als Heritage-Bike mimt sie ein klassisches Sportmotorrad, das mit aktueller Technik ausgerüstet ist: Unter der stilechten Optik im typischen gelben Yamaha-Block-Design der Siebziger- und Achtzigerjahre pocht der 850-Kubik-Dreizylinder aus der MT-09, ein hochmodernes Triebwerk mit unterschiedlichen Fahrmodi und Traktionskontrolle.

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