Modellautos von Schuco:Von null auf hundert

Bei Modellautos werden Männer zu Jungs: Die deutsche Traditionsmarke Schuco sorgt dafür bereits seit 100 Jahren. Zum Jubiläum hat ein Kenner die "Schuco-Saga" geschrieben - eine bemerkenswert liebevolle Widmung an kleine Autos mit großer Geschichte.

Uwe Ritzer

Rein äußerlich betrachtet ist Andreas A. Berse das, was man in Bayern respektvoll ein "gestandenes Mannsbild" nennt. Ein Bär von einem Kerl, der jedoch große Augen bekommt und den niemals kindische, wohl aber sympathisch-kindliche Begeisterung überkommt, wenn er über vergleichsweise kleine und filigrane Dinge spricht: Modellautos. Namentlich solche der Traditionsmarke Schuco, welcher der studierte Kommunikationswissenschaftler und Fachjournalist Berse ein kleines, aber bemerkenswertes Denkmal gesetzt hat. Pünktlich zum 100-jährigen Bestehen der Marke, die heute zur größten deutschen Spielwaren-Firmengruppe Simba-Dickie gehört, hat Berse ein reich bebildertes Buch über "100 Jahre voller Wunderwerke" geschrieben, wie es im Untertitel heißt: "Die Schuco-Saga".

Es ist ein Buch geworden, das viel von Berses Faszination für maßstabsgetreue Miniaturfahrzeuge transportiert, die der Fachautor mit zigtausenden Sammlern teilt. Auch wenn Modellauto-Klassiker wie die Silberpfeile oder das legendäre Wendeauto, das wie von Zauberhand vor jeder Tischkante umdrehte, ganze Generationen von Kindern begleitet haben, waren es Spielzeugtiere wie trommelnde Äffchen und Zwergenvolk, mit denen die Firmengeschichte begann. Am 16. November 1912 wurde die Fabrik "feiner beweglicher Filz- und Plüschspielwaren Schreyer & Co. GmbH" in Nürnberg gegründet. Ihren späteren Ruhm in Sammlerkreisen verdankt die zu Schuco abgekürzte Firma Fahrzeug-Modellbaureihen in Maßstäben von 1:90 bis 1:12. Renn- und Sportwagen, aktuelle Automodelle, Oldtimer, Nutzfahrzeuge bis hin zu Gabelstaplern. Alles originalgetreu, eben große Technik im kleinen Format.

Andreas A. Berse zeichnet die Firmengeschichte jedoch bei aller Begeisterung auch mit einem angebracht distanzierten Blick nach. Ungeschminkt legt er offen, wie Schuco infolge von gravierenden Managementfehlern an den Rand des Ruins geriet. Am 15. November 1976 gipfelte dies in einem Konkursantrag. Eine britische Investorengruppe übernahm die Firma, verstand aber deren Wesen nicht. Entsprechend zog sich der Überlebenskampf quälend lange hin und es sollte bis 1999 dauern, ehe Schuco unter dem Dach des Fürther Familienunternehmens Simba-Dickie eine neue Heimat finden sollte.

Hintersinniger Humor und prominente Sammler

Autor Berse belässt es jedoch bei weitem nicht bei einer Chronologie. Er beschreibt mit stellenweise hintersinnigem Humor, wie Box-Legende Muhammad Ali zur Schuco-Werbefigur wurde (sinnigerweise für die damalige Plüschtier-Sparte), oder er lässt VW-Chefdesigner Walter de Silva über die Faszination von Schuco-Autos im Maßstab 1:43 und seine eigene Sammelleidenschaft schwärmen. So wird das Jubiläumsbuch ein buntes Kaleidoskop, das sich der Marke aus unterschiedlichsten Perspektiven nähert.

Die Kapitel sind übersichtlich und kurzweilig; sowohl Sammler, als auch Nicht-Insider finden reichlich Stoff. Zumal das Buch auch durch seine opulente und abwechslungsreiche Optik besticht. Durch historische Bilder, aber auch präzise Modellaufnahmen, für die sich Autor Berse mit dem Fotografen Markus Bolsinger zusammengetan hat. Der beweist durch die Kameralinse hindurch ein gutes Gespür für die kleinen Kostbarkeiten. "Auf Schatzsuche" ist das letzte Kapitel überschrieben, das von den Beteiligten an dem Buch und ihrer Vorgehensweise handelt. Die Überschrift ginge auch als Motto für das ganze Buch durch. Denn Berse hat nicht eine Firma, ihre Geschichte und ihre Produkte beschrieben. Vielmehr hat er akribisch nach den Schätzen einer Legende gesucht - und diese beeindruckend gehoben.

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