Mercedes SLS AMG:Das feuerrote Spaßmobil

Über 50 Jahre hat es gedauert, bis Mercedes wieder einen Flügeltürer ins Programm nahm. Der Neue erwies sich auf Anhieb als Meister der drei S: Spaß, Souveränität, Supersportwagen.

Günther Fischer

Eins gleich vorweg, zum Kapitel Supersportwagen (unser drittes S): Der SLS ist so sportlich, wie wir es von einem Mercedes eigentlich schon nicht mehr erwartet haben.

Weder der Frauen- und laut Mercedes inzwischen auch Männerversteher SLK noch der offene Dauerbrenner SL können da mithalten. Konkurrenz, wenn überhaupt, kommt aus einer völlig anderen Ecke.

Für alle anderen ist es aber auch schwer. Denn beim SLS setzten die Schwaben (zugegeben: unser viertes S) alles auf eine Karte. Flügeltüren, Aluminiumkarosse, 6,3-Liter-V8, 571 PS und 317 km/h Spitze - das sind klare Ansagen in Zeiten, in denen jeder Hersteller eigentlich mit Euro 6, Hybridantrieb, Akkumodulen oder Effizienzprogrammen kämpfen sollte.

Aber schon im Alltagsbetrieb zeigt sich, dass eine mögliche Zukunft nicht immer alles sein kann: Es gibt während unseres Testbetriebs keinen Menschen, der sich nicht über den Anblick des Flügeltürers freut.

Allgemeiner Tenor: Endlich mal wieder 'was richtig Schönes! Ähnlich war es nur, als wir zum ersten Mal mit dem Audi R8 vorgefahren sind. Der große Seufzer der Erleichterung damals: Endlich mal kein 911er!

Das Fahrwerk: hart, aber mitfühlend

Wir freuen uns zunächst über leicht und elegant aufschwingenden Türen (wer von uns hat denn schon und vor allem noch Erfahrung mit Flügeltüren?), die elektrisch ausfahrenden Türöffner und das Vorhandensein eines Kofferraums, der immerhin groß genug für ein Wochenende zu zweit ist - was man von anderen S-Fahrzeugen so nicht wirklich behaupten kann.

Kurz zu den reinen Fakten: Trockensumpfschmierung - nur deswegen kann der Motor so tief liegen; neu entwickeltes Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe an der Hinterachse (Transaxle-Bauweise); ein Drehknopf, der allerlei Fahrmodi gestattet: C für "Controlled Efficiency" (nicht Comfort!), S für Sport und S+ für, ja genau, noch mehr Sport, M für manuell; und eine lange Motorhaube, die wir schnell als automobile Tiefebene bezeichneten (zumindest aus Fahrersicht).

Bei den sportlichen Programmen S und S+ wird zudem automatisch Zwischengas gegeben. Das sportliche Sprotzen klingt dann aber doch eher nach Protzen und - wie böse Zungen meinten - nach Fehlzündungen. Wie so vieles ist es wohl Geschmackssache.

Praktisch, also fahrend, wirkt sich die Technik so aus: Wir sitzen mit dem Allerwertesten quasi auf der Hinterachse - was schon mal ein prima Gefühl ist. Die 571 PS haben mit den 1,7 Tonnen naturgemäß keinerlei Mühe, ein kurzer Gasstoß beflügelt uns bereits auf Tempo 150.

Das Fahrwerk ist ausreichend hart, aber immerhin noch so mitfühlend, dass wir ganz beachtliche Strecken ohne gröbere Wirbelsäulenverrenkungen hinter uns bringen können. Die Bremsen wiederum packen bei Bedarf zu wie ein Schraubstock. Womit auch das zweite S - Souveränität - eingelöst wäre.

Für das herrliche Durcheilen jeglicher Herausforderung

Der SLS erlaubt allerdings, neben der Getriebecharakteristik auch das ESP zu regeln - bis hin zum völligen Verzicht. Die Auswirkungen spüren wir sofort: In unserer Lieblingautobahnausfahrt Allershausen (führt uns normalerweise auf die herrlich kurvigen Straßen im Hinterland von Dachau) kommt das Heck mit einer Wucht, dass sich der Fahrer hinter uns zu einer Vollbremsung genötigt sieht. Ja, wir wissen: zu viel Gas am Kurvenausgang ... Diese Einstellung sollten also nur Geübte wählen.

Dann aber: wunderschön gewundene Hinterlandstraßen, enge Kurven links, weit gezogene Kurven rechts, dann wieder umgekehrt, abhebetaugliche Kuppen, kurze Alleegeraden: Fast ohne Bremseinsatz durcheilt der SLS auch bei höhrem Tempo jegliche Herausforderung und vermittelt dabei nichts als: Spaß (endlich: unser erstes S). Die herrlich direkte Lenkung trägt viel dazu bei - gelassener wir nie justiert haben.

Dass diese unsere Fahrweise den Verbrauch treibt, versteht sich naturgemäß von selbst: Bei Vollgasausflügen waren es im Schnitt 22,7 Liter. Aber das muss nicht sein: Smarte Gleiter haben durchaus Chancen, sich dem angegebenen Normverbrauch zu nähern.

Wer das Auto - und das ist aber nur ein kleines Manko - so richtig zum Tanzen bringen möchte, muss nur einmal aus hohem Tempo (wir sprechen von über 300 km/h) stark abbremsen: Dann ist tatsächlich Leben in der automobilen Bude. Dank ESP aber ein völlig ungefährliches.

Ein Auto für die Lust am Fahren.

Mercedes SLS AMG: V8-Motor; 420 kW / 571 PS; max. Drehmoment 650 Nm bei 4750 U/min; 0-100 km/h: 3,8 sec.; Vmax 317 km/h; Normverbrauch 13,2 l; CO2: 308 g/km; Euro 5; Testverbrauch: 22,7 l; Leergewicht incl. Fahrer und Tank: 1735 Kilogramm; Preis: ab 183.260 Euro

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