Lada Granta im Test:Wehe, wenn der Wind weht

Lada Granta

Der Lada Granta kostet 7290 Euro. Je nach Ausstattung können es aber auch mehr als 10 000 Euro werden.

(Foto: Thomas Harloff)

Allzu hoch waren die Erwartungen an den Lada Granta nicht. Die russische Limousine hat sie übertroffen. Bis der Wind von der Seite kam.

Von Thomas Harloff

Dieser Text sollte eigentlich kein Verriss werden. Während der ersten 200 Kilometer im Lada Granta lief er darauf hinaus, vom Reiz des Einfachen zu erzählen. Vom wohltuenden Erlebnis, nicht wie sonst unzählige elektronische Assistenzsysteme dirigieren oder ein undurchsichtig strukturiertes Infotainmentsystem in allen Details verstehen zu müssen. Auch wenn es mal rappelte im Getriebe oder knirschte im Armaturenbrett. Der Russe zeigte sich von seiner praktischen und sympathischen Seite. Doch dann kam die Fahrt auf der Autobahn.

Ein Sonntag im November. Der Wind bläst stark an diesem sonst sonnigen und angenehm temperierten Tag. Das ist ein wichtiges Detail, denn er stellt sich nach wenigen Kilometern auf der A9 als großes Problem heraus. Nicht, dass der Motor nicht gegen ihn anrennen kann. Der Lada kämpft, das merkt man deutlich, aber er macht das tapfer. Bis der Wind von der Seite kommt.

Unvermittelt versetzt das Auto zur Seite, nur schwer zu beherrschen mit der gefühllosen und indirekten, um die Mittellage verhärtenden Lenkung. Bei überschaubarem Tempo von weitgehend 110, kurzzeitig 130 km/h, schwimmt das Auto mehr als es fährt. Eine Tour, die das ungute Gefühl verursacht, als Fahrer nicht Herr der Lage zu sein. Und die nach einer Umkehr bei der nächsten Aus- und direkter Heimfahrt deutlich früher endet als geplant.

Der Preis fordert seinen Preis

Es war etwa eine halbe Stunde, in der klar wurde, warum der Lada Granta nur 7290 Euro kostet und andere Autos in der Größe in etwa das Doppelte. Das liegt weniger daran, dass ein grobschlächtiges Hartplastik-Armaturenbrett installiert ist. Und keiner dieser Hightech-Motoren, sondern ein 1,6-Liter-Vierzylinder alter russischer Schule, mit nur zwei Ventilen pro Zylinder. Oder daran, dass es kaum Variationsmöglichkeiten bei der Ausstattung gibt, obwohl Lada den Granta "den Individualisten" seines Portfolios nennt.

Nein, es liegt daran, dass kaum Geld in die Entwicklung fließt. Dass dem fünftürigen Kalina hinter der C-Säule ein Stufenheck-Rucksack draufgepackt wird, ohne offenbar hinreichend im Windkanal zu überprüfen, ob die Formgebung aerodynamisch Sinn ergibt. Ohne zu testen, ob das weder komfortable noch dynamische Fahrwerk die Seitenwind-Anfälligkeit der Karosserie ausgleichen kann. Oder ob das die Lenkung vermag. Dass meine Recherche nach Crashtest-Ergebnissen des Modells erfolglos blieb, befriedigte das eigene Sicherheitsbedürfnis auch nicht gerade. Und ob das elektronische Stabilitätsprogramm funktioniert? Wer will das schon am eigenen Leib ausprobieren?

Darüber hinaus kann man dem Lada nur wenig vorwerfen. Eine Einschätzung, die relativ zum Kaufpreis interpretiert werden muss. Der Granta springt an, wenn man den Zündschlüssel dreht. Er setzt sich in Bewegung, lässt man im ersten Gang die Kupplung kommen. Er wird schneller, wenn man auf das Gaspedal tritt und hochschaltet. Die Scheinwerfer erhellen die Straße, sobald man am entsprechenden Schalter dreht. Aus den Lautsprechern ertönt Musik, wenn man das Radio einschaltet. Das alles ist nicht besonders aufregend. Aber es funktioniert.

Der Motor ist besser als gedacht

Der Motor des Lada Granta.

87 PS und maximal 140 Newtonmeter: Mit dem betagten Zweiventiler ist der Lada Granta gut motorisiert.

(Foto: Thomas Harloff)

Das Gleiche gilt für den Motor. 87 PS und maximal 140 Newtonmeter muten zwar asketisch an für einen Viertürer und Fünfsitzer, der mit 4,26 Meter Außenlänge so groß ist wie ein VW Golf (bei dem es aus Performance-Gründen übrigens keine gute Idee ist, zum 85-PS-Basismotor zu greifen). Aber er wiegt eben nur gut 1,1 Tonnen, weshalb das Triebwerk wenig Mühe hat, die Karosserie nach vorne zu schieben.

Ein Vorbild an Laufruhe ist der Vierzylinder aber nicht. Nicht, dass der Motor besonders laut ist, aber ein bisschen brummig klingt er schon, und im Leerlauf schüttelt er sich hin und wieder spürbar. Aber er ist willig, sogar einigermaßen sparsam, und erfüllt, vom Kraftfahrt-Bundesamt abgesegnet, die Euro-6-Abgasnorm. Das Triebwerk wird flankiert von einem kurz übersetzten Fünfgang-Getriebe, mit dessen Schalthebel sich die Gänge exakt treffen lassen - es sei denn, man will rückwärts fahren.

Das ist mit ein bisschen Hoffen und Bangen verbunden, denn der hintere Abschluss des Granta lässt sich partout nicht einsehen - und eine Einparkhilfe gibt es nicht. Beim Schulterblick ist die Übersicht dank großer Fensterflächen in Ordnung. Auch der Innenraum ist, wiederum gemessen am Preis, okay. Die Bedienung ist übersichtlich - es gibt ja kaum Technik, die bedient werden muss. Obwohl der deutsche Importeur sogar etwas zusätzliche Technik spendiert. Er rüstet zum Beispiel für 150 Euro extra eine Funkfernbedienung für die Zentralverriegelung nach.

Ordentlich Platz, wenig Variabilität

Zwiespältig ist es beim Platzangebot. Während es über den Köpfen luftig zugeht, wird es für Schultern, Ellbogen und Knie eng. Der Kofferraum ist mit 480 Liter Fassungsvermögen üppig dimensioniert. Noch mehr geht hinein, sobald man die Rücksitzlehne umklappt (was nur im Ganzen funktioniert), doch so manches sperrige Gepäck dürfte in Verbindung mit den weit in den Kofferraum ragenden Scharnieren verhindern, dass sich die Klappe schließen lässt. Die Sitze taugen für eine Ausflugsfahrt, die aber nicht zu ausgedehnt sein sollte. Sonst meldet der Rücken Bedenken an.

Das alles wären akzeptable Schwächen bei einem Auto, das abgesehen von seinem Schrägheck-Bruder Kalina und dem Dacia Sandero das billigste auf dem deutschen Markt ist. Doch selbst das günstigste Auto sollte in der Lage sein, seine Insassen im unteren dreistelligen Geschwindigkeitsbereich mit einem sicheren Gefühl ans Ziel zu bringen. Selbst bei starkem Seitenwind. Der Sandero kann das, erst recht andere Vertreter der Unter-10 000-Euro-Klasse wie der Suzuki Celerio oder der Opel Karl. Und so reichte diese eine Fahrt an einem Novembersonntag durch das Münchner Umland, um den Lada Granta all seiner Argumente zu berauben. Schade eigentlich.

Technische Daten Lada Granta:

R4-Benzinmotor mit 1,6 Litern Hubraum; Leistung 64 kW (87 PS); max. Drehmoment: 140 Nm bei 3800/min; Leergewicht: 1135 kg; Kofferraum: 480 l; 0 - 100 km/h: 11,8 s; Vmax: 168 km/h; Normverbrauch: 6,6 l / 100 km; CO₂-Ausstoß: 150 g/km; Euro 6; Grundpreis: 7290 Euro

Das Testfahrzeug wurde vom Hersteller zur Verfügung gestellt.

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