Im Alltagstest: Elektro-Mini:Zurück in die Zukunft

Mühelose Fortbewegung, flüssig und lautlos: Der Elektro-Mini stellte sich einem vierwöchigen Alltagstest.

Christopher Schrader

Es ist die Essenz aus vielen Jahrzehnten Kino: Die härtesten Jungs fahren die coolsten Autos. Steve McQueen den Ford Mustang. Sean Connery den Aston Martin. Doch die Zeiten haben sich geändert. Heute brüllt das coolste Auto auf dem Parkplatz beim Anlassen nicht auf - es schaltet sich lautlos ein. Es trägt stilisierte Stecker auf Motorhaube und Dach. Hinter dem Tankdeckel verbirgt sich ein elektrischer Anschluss. Unter der Heckschürze fehlt der Auspuff. Und sein Fahrer muss kein Macho sein, um ihm gerecht zu werden. Er ist der Zeit voraus, denn das Auto kommt aus der Zukunft.

Im Alltagstest: Elektro-Mini: Der Alltag mit dem Mini-E bedeutet vor allem: laden, laden, laden. In Zukunft wird es spezielle Steckdosen geben, aber einstweilen zieht man das Kabel aus dem Fenster und stöpselt es hinter dem Tankdeckel ein.

Der Alltag mit dem Mini-E bedeutet vor allem: laden, laden, laden. In Zukunft wird es spezielle Steckdosen geben, aber einstweilen zieht man das Kabel aus dem Fenster und stöpselt es hinter dem Tankdeckel ein.

(Foto: Foto: Robert Haas)

Elektromobile sollen in kommenden Jahren den Verkehr in Metropolen umkrempeln, aber bisher gibt es kaum welche. Der von Batterie und Elektromotor angetriebene Mini-E ist das erste Elektromobil, das ein großer Konzern in nennenswerter Zahl auf die Straße bringt. 612 Autos hat BMW gebaut, Fahrer in Amerika, England und Deutschland testen sie im Alltag. Die Nutzer haben sich um den Zuschlag gerissen; zu kaufen ist der Wagen nicht.

Ich habe für vier Wochen den Mini mit der Serien-Nummer 557 neben den Seitenblinkern gefahren. 860 Kilometer ist das Auto durch den Münchner Herbst gerollt. 250 Kilowattstunden Strom hat es verbraucht, meist im Stadtverkehr zwischen den Stadtteilen Moosach im Nordwesten und Zamdorf im Osten. Hinzu kamen einige zig Kilometer auf der Autobahn. Die längste Strecke war eine Runde um den Starnberger See.

In diesem Radius ist der Elektro-Mini ein begeisterndes Auto; er bietet eine quasi mühelose Fortbewegung, nicht länger belästigt vom Lärm und den Vibrationen eines Verbrennungsmotors - die direkte Verbindung von Wille und Weg. Das Anfahren passiert lautlos. Im Stadtverkehr gibt der Mini ein leises Zischen von sich, das beim Beschleunigen nicht lauter, sondern höher wird. Befreit von Nebenwirkungen erlebt der Fahrer den Vortrieb in reiner Form. BMW hat das Versuchsauto mit einem Motor von 204 PS ausgestattet, der aus dem Stand 220 Newtonmeter Drehmoment entfaltet. Für solche Werte müssen Sportwagen ordentlich losröhren und Turbodiesel erst auf Touren kommen. Der Mini-E spurtet ihnen an der Ampel wortlos davon.

Das Rollen im Verkehr muss man neu lernen

Das Auto erteilt seinem Fahrer zudem eine Lektion in Physik: Verzögern ist das Gegenteil von beschleunigen. Sobald der Fuß das Pedal verlässt, bremst der Elektro-Mini. Er klingt dann ein wenig wie eine Straßenbahn, die Folge der Geräusche kehrt sich um, der Antrieb verwandelt Schwung zurück in Strom und speist damit seine Batterie. Das Rollen im Berufsverkehr muss man zwar neu lernen, kann das Auto aber dann sicher bewegen, ohne das Bremspedal zu benutzen.

Doch auch ein Auto aus der Zukunft muss die Niederungen der Gegenwart bewältigen. Und das heißt: laden, laden, laden. Man tankt stets viel länger als man fährt. Insgesamt 16 Mal hing der Elektro-Mini während der vier Wochen an einer Steckdose. Seine Batterie fasst 35 Kilowattstunden, mit Drehstrom zu 380 Volt dauert es fünf Stunden, sie komplett zu füllen. An der 220-Volt-Steckdose steht der Wagen zwölf Stunden. Er verbrachte ganze Nächte eingestöpselt vor dem Gartenzaun. Morgens mit klammen Fingern das dicke und widerspenstige orange Kabel aufzurollen, gehörte nicht zu den Höhepunkten des Tests.

In Zukunft wird der Nutzer wohl bei jedem Parken das Kabel anschließen können. In der Gegenwart ist das schwierig. Zwar hat der Stromkonzern Eon, der der SZ den Testwagen zur Verfügung stellte, in München zwölf Ladestationen aufgestellt. Und es war ein besonderes Vergnügen, im Innenhof des Deutschen Museums zu parken, beim bayerischen Wirtschaftsministerium vorzufahren oder das Auto beim Einkaufsbummel in der Innenstadt kostenlos am Lenbachplatz abzustellen. Überall dort finden sich silber-rote Stromtanksäulen.

Doch jede Fahrt außerhalb der City verlangte genaue Planung: Reicht die Energie? Wo bekommt man Strom und wie lang dauert das Laden? Die Reichweite ist überdies kein fixer Wert. BMW gibt eine Strecke von 250 Kilometer pro Batterieladung an, die der Elektro-Mini aber höchstens auf dem Prüfstand erreicht. Amerikanische Fahrer kämen im Mittel auf 160 Kilometer, heißt es auf Nachfrage. Das habe ich mit dem Mini-E kaum jemals geschafft. Nach 105 Kilometer bei Sonnenschein um den Starnberger See stand die Batterieanzeige auf 37 Prozent, das ergibt eine Reichweite von 167 Kilometer. Aber an kalten Herbstmorgen sank der Füllstand so schnell, dass der Wagen kaum 100 Kilometer geschafft hätte.

Eine Steckdose sucht man immer früher als nötig

Die effektive Reichweite wird zudem durch eine technische Besonderheit eingeschränkt. In der Batterie sinkt die Spannung, wenn sie sich entleert; Strom für den Motor fließt dann zögerlicher. Unterhalb von 30 Prozent Ladestand reagiert der sonst so agile Mini-E zunehmend mürrisch auf Tritte auf das Pedal. Im Alltag sucht der Fahrer darum früher eine Steckdose als theoretisch nötig.

Von Volltanken zu Volltanken gerechnet verbrauchte der Mini an kalten Tagen Mitte Oktober 34 Kilowattstunden pro 100 Kilometer. Das sind bei einem Strompreis von 20 Cent pro Kilowattstunde 6,80 Euro, so viel wie sechs Liter Diesel. Im Spätsommer Ende September hingegen kam das Auto mit 22 Kilowattstunden pro 100 Kilometer aus. Die Differenz macht die Heizung. Beim Verbrennungsmotor bekommt man Wärme geschenkt, das Elektroauto muss sie aus der Batterie erzeugen. Dafür verbraucht der Mini-E fast so viel Energie wie für die Fahrt im gleichmäßigen Stadttempo.

Beide ermittelten Zahlen, 22 und 34, liegen weit über den Angaben von BMW. Womöglich hätte ich den Verbrauch mit Ehrgeiz und Erfahrung noch drücken können, aber die offiziellen 15 Kilowattstunden pro 100 Kilometer erscheinen im Alltag unerreichbar. Ein Elektroauto ist aber nicht schon deswegen umweltfreundlich, weil es keine Abgase ausstößt; die entstehen ja im Kraftwerk. So entweichen in Deutschland pro Kilowattstunde im Mittel 580 Gramm Kohlendioxid in die Atmosphäre. Das macht für den Mini 128 bis 198 Gramm pro Kilometer. Sparsame Diesel und Hybride setzen nach Werksangaben um die 100 Gramm pro Kilometer frei.

Keines dieser Probleme spricht gegen den Einsatz eines Elektroautos im Alltag; diesen Test hat der Mini-E glänzend bestanden. Die kleinen Macken machten ihn eher interessant. Wer ein Fahrzeug vom Reißbrett auf Batteriebetrieb auslegt, wird es ohnehin anders planen. Bei dem Testwagen ist die ganze hintere Sitzbank den gut 5000 Lithium-Ionen-Akkus gewichen. Vor allem dieser Klotz macht das Auto um 330 Kilogramm schwerer als das konventionelle Modell.

Auch der Verbrauch ließe sich wohl drücken, wenn der Antrieb weniger üppig ausgelegt wird. Aber BMW wollte demonstrieren, dass Fahrspaß auch elektrisch funktioniert. Das ist gelungen. Wer den Elektro-Mini nach der bewilligten Zeitspanne abgibt, und wieder in ein normales Auto steigt, sehnt sich bald zurück in die Zukunft. So hieß übrigens auch ein Hollywood-Film: Michael J. Fox ist darin der Zeit voraus und überwindet den Drang, Macho zu sein.

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