Feinstaub:Autohersteller wehren sich gegen neue Feinstaubwerte

BMW M2 Coupé

Einige Hersteller wollen sich auf den Einsatz von Partikelfiltern nicht einlassen - um Kosten zu sparen.

(Foto: Uwe Fischer; BMW)
  • Bald sollen für Benziner neue Feinstaub-Grenzwerte gelten.
  • Die Autohersteller müssen ihre Neuwagen bis dahin grundlegend nachbessern. Aber stattdessen versuchen sie, die Einführung der neuen Werte herauszuzögern.
  • Zudem sperren sich einige Hersteller gegen die Einführung eines Filters, um Kosten zu sparen.

Von Joachim Becker

Lange galten krebserregende Rußpartikel als Problem von Dieselfahrzeugen. Dunkle Abgasschwaden aus dem Auspuff zeigen, dass die Verbrennung unvollständig und ungefiltert abläuft. Seit Einführung der Euro-4-Norm vor zehn Jahren wurden die Selbstzünder durch Partikelfilter sauberer. Die Benziner konnten dagegen selbst die strengeren Euro-5- und Euro-6-Normen ohne Filter erfüllen - auch deshalb, weil sie zehn mal mehr Feinstaub in die Luft blasen dürfen als Diesel-Pkw.

Im September nächsten Jahres läuft diese Sonderregelung jedoch aus. Die Lobbyverbände der Autoindustrie versuchen nun, die Ausnahmeregelung um mindestens ein Jahr zu verlängern und die Prüfbedingungen aufzuweichen. Das zeigen vertrauliche Dokumente aus Brüssel, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen.

Das Problem sind ultrafeine Partikel, kleiner als Bakterien

Momentan wird die neue Abgasrichtlinie im technischen Ausschuss für Kraftfahrzeuge (TCMV) diskutiert. Dieser Fachausschuss der EU-Kommission plant in seinem Entwurf, die Euro-6c-Grenzwerte für Partikel aus Benzindirekteinspritzern um 50 Prozent zu erhöhen. Hintergrund sind hohe Schwankungen bei den Messergebnissen, die der europäische Automobilverband ACEA auf bis zu 300 Prozent taxiert. Schwierig zu erfassen ist nicht die Partikelmasse, sondern die Anzahl kleinster Teilchen: Bei der Verbrennung in modernen Ottomotoren treten verstärkt ultrafeine Partikel auf, die kleiner als Bakterien sein können. Dieser Feinststaub (PM 2,5) ist besonders gefährlich, weil er durch die Lunge direkt in die Blutbahn gelangen kann.

In Deutschland sinkt die allgemeine Feinstaubbelastung kontinuierlich. Erfasst wurden aber nur relativ grobe Staubteilchen (PM 10). Vor allem bei hoch gezüchteten Spritsparmotoren entstehen vermehrt Partikelemissionen. Die Benzindirekteinspritzer stoßen zwar keine schwarzen Rußwolken wie alte Dieselstinker aus. Ein rußgeschwärzter Auspuff zeigt jedoch, dass der direkt eingespritzte Kraftstoff nicht vollständig verbrannt ist.

Autohersteller wehren sich gegen neue Richtlinien

Aktuell kämpft die Autoindustrie in Brüssel für eine Abschwächung der künftigen Prüfbedingungen. Nach den bisherigen Absprachen der EU-Länder soll von September 2017 bei neuen Typgenehmigungen Schluss mit der Kulanzregelung für Benzindirekteinspritzer sein. Spätestens wenn die nächste Abgasstufe (Euro 6c) ab September 2018 für alle Neuwagen gilt, muss die Autoindustrie grundlegend nachbessern. Im Eco-Test des ADAC liegen derzeit etwa die Hälfte der Ottomotoren zum Teil deutlich über dem kommenden Partikel-Grenzwert. "Das zeigt, dass die Hersteller - wieder einmal - die Ausnahmeregelung so lange wie möglich nutzen und nicht auf die neueste Technik setzen, um möglichst niedrige Schadstoffemissionen zu erzielen", kritisiert der ADAC.

Mercedes hat den V8-Benziner im S 500 schon seit Jahren mit einem Partikelfilter gekoppelt. Nach diesem erfolgreichen Praxistest wollen die Stuttgarter jetzt auch ihre neuen Sechs- und Vierzylinderbenziner mit dem Rußsieb ausstatten. VW hat ebenfalls angekündigt, die Benziner-Flotte von 2017 an schrittweise auf Partikelfilter umzurüsten. Bis zum Jahr 2022 sollen jährlich bis zu sieben Millionen Fahrzeuge des Volkswagen-Konzerns mit der Technologie ausgestattet werden. Den Anfang machen im Juni 2017 der 1,4-Liter-TSI-Motor im VW Tiguan und der 2,0 TFSI im Audi A5. Der französische PSA-Konzern (Citroën, Peugeot) will sogar schon Ende 2016 mit dem Rußsieb für Ottomotoren starten.

BMW will sich nicht auf den Einsatz von Partikelfiltern für alle Modelle festlegen. Die Münchner wollen erst einmal die Gemischbildung mit einem deutlich höheren Einspritzdruck für Benziner (350 statt 250 bar) verbessern. Die Umweltverbände halten dagegen: "Ich erwarte, dass die Hersteller von Benzindirekteinspritzern wie BMW, Opel, Ford oder Hyundai/Kia erklären, dass sie ab 2017 ihre Modelle mit Partikelfiltern ausrüsten. Wir werden den Markt genau beobachten", warnt Axel Friedrich. Der Verkehrsexperte und frühere Bereichsleiter des Umweltbundesamts hat schon die Aufklärung des Diesel-Abgasskandals vorangetrieben. Zusammen mit der Deutschen Umwelthilfe will er jetzt auch die Benzindirekteinspritzer mit weiteren Straßentests prüfen.

Hersteller wollen Kostensteigerungen um jeden Preis vermeiden

Der Streit erinnert an die Zeit vor der Einführung des Dieselpartikelfilters. Vor 14 Jahren gründeten Umwelt- und Gesundheitsverbände die Initiative "Kein Diesel ohne Filter". Jetzt versuchen viele Autohersteller erneut, das Problem mit innermotorischen Maßnahmen zu lösen. Wie beim Diesel reagieren Umweltverbände gereizt auf diese "Blockadehaltung" beim Partikelfilter: "Es gibt eine billige und effektive Lösung des Partikelproblems, aber die Autohersteller wollen die gesetzlichen Bedingungen lockern, um die 25 Euro für einen Partikelfilter zu sparen", sagt Florent Grelier, Emissions-Experte bei der Umwelt- und Technik-Organisation T&E.

Die Lobbyisten in Brüssel spielen auf Zeit, um eine Kostensteigerung beim Benziner zu vermeiden. Den schwarzen Peter werden sie damit nicht los. Es ist wenig geholfen, wenn die Benziner auf dem Prüfstand die Norm erfüllen - und sich bei Straßentests als Dreckschleudern erweisen. "Die politische Diskussion um sauberere Benziner ist notwendig. Ein Benzinmotor muss rußfrei sein", betont deshalb Reinhard Kolke, Leiter des Technikzentrums des ADAC.

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