Elektroauto-Verleih:Paris startet Autolib

Der erste Verleihbetrieb, der ausschließlich Elektroautos anbietet, ist für den Bürgermeister der Beginn einer neuen Ära. Kritiker bezweifeln den ökologischen Nutzen.

Michael Kläsgen

Vereinzelt sieht man sie schon durch die Straßen von Paris surren, silberfarbene kleine Autos mit bunten Aufklebern. Auf denen steht "cool", oder "zéro odeur" (null Gestank) und "100% électrique" (100% Strom). Ihr Schöpfer, der Geschäftsmann Vincent Bolloré, schwärmt: "Was ist das denn für ein Ufo, denkt man, wenn die an einem völlig geräuschlos und abgasfrei vorbeifahren." Die Testphase für die Gefährte, die Blue-Car heißen, geht nun zu Ende.

Am 5. Dezember fällt in Paris der Startschuss für eine neue Mobilitäts-Ära. Man wäre nicht in der Metropole der Grande Nation, würde das neue Elektroauto-Verleihsystem Autolib nicht mit hehren Ambitionen verknüpft. "An dem Tag, an dem Autolib zur Gewohnheit für die Pariser wird, wird das alle Städte der Welt verändern", prophezeit Oberbürgermeister Bertrand Delanoë. Paris will den Verkehr sauberer machen. Von hier aus soll ein Ruck rund um die Erde gehen, gewissermaßen ein Elektroschock.

Der französischen Autoindustrie geht es zwar gar nicht gut. Am Dienstag offenbarte PSA Peugeot Citroën den Gewerkschaftern, wo genau etwa 5000 Stellen im Land gestrichen werden sollen. Auch Renault sucht Anschluss an die Weltspitze und setzt dabei voll auf Elektroautos.

Der Staat subventioniert das mit Milliarden. Die Stadt Paris prescht jetzt mit ihrer E-Auto-Initiative vor. "Dieses System existiert nirgends sonst auf der Welt", frohlockt Delanoë. Aufrichtigerweise verweist er im Nebensatz auf die Erfahrungen einer deutschen Kleinstadt. Die Rede ist von Ulm. Auch hier gibt es ein Auto-Verleihsystem, ebenso wie in anderen Städten, sogar in französischen.

Dennoch hat Delanoë recht, da es sich beim Autolib um einen Autoverleih mit ausschließlich Elektroautos handelt.

Das Prinzip ähnelt dem im Jahr 2007 in Betrieb genommenen Fahrrad-Verleihsystem Velib. Man kauft sich am Schalter eine Abonnement-Karte. Diese kostet bei den Autos voraussichtlich zehn Euro für 24 Stunden, für sieben Tage 15 Euro und für ein Jahr 144 Euro. Dann bezahlt man zusätzlich für die erste halbe Stunde zwischen fünf und sieben Euro Miete beziehungsweise für jede weitere halbe Stunde vier bis acht Euro.

1000 Ladestationen sollen entstehen

Der Fahrer muss das Auto vor dem Gebrauch aufladen. Dazu zieht er aus der Zapfsäule ähnlich wie an einer herkömmlichen Tankstelle einen Hahn und dockt ihn hinten rechts am Blue-Car an. Die wenigen Pariser, die probeweise eine Spritztour in dem Elektroauto unternehmen durften, waren zufrieden. "Das ist eine gute Alternative zu den überfüllten öffentlichen Verkehrsmitteln am Abend", sagte ein junger Mann. Eine junge Frau kündigte sogar an, ihr altes Auto zu verkaufen, um dann Autolib zu nutzen.

Kritiker monieren, dass der Bau der geplanten 1000 Ladestationen in Paris und den umliegenden Städten wertvollen Platz zum Parken koste. Händler und Anwohner zeigten sich genervt von den Bauarbeiten. Taxifahrer und herkömmliche Autovermieter fürchten eine wachsende Konkurrenz. Ängste bestehen wegen der Explosionsgefahr der Batterien.

Die Grünen bezweifeln grundsätzlich den ökologischen Nutzen des Projekts. Sie halten Autolib für einen "Schwindel" und sähen es lieber, wenn der Autoverkehr in der Stadt reduziert würde. Delanoë hofft, dass die E-Autos die Benziner ersetzen und dadurch ein ökologischer Nutzen entsteht. Der Beweis muss erst noch erbracht werden.

Velib scheiterte daran, Autofahrer auf das Fahrrad zu locken. Dennoch gilt der Rad-Verleih als Erfolg. Die Anzahl der überfahrenen Radfahrer verschweigt die Stadt, die Kosten für Reparaturarbeiten zerstörter Räder redet sie klein. Die Privatfirma JC Decaux, die den Verleih betreibt, macht auch kein Aufhebens darum. Die Werbefirma erhält im Gegenzug von der Stadt Werbefläche. Das zählt.

Beim Autolib ist die Wahl der Stadt auf die Unternehmensgruppe des Geschäftsmannes Bolloré gefallen. Der Sozialist Delanoë will seine hochfliegenden Ziele ausgerechnet mit dem Mann erreichen, der den konservativen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy nach dessen Wahl 2007 auf seine Yacht im Mittelmeer einlud. 1,5 Milliarden Euro hat der Bretone in die Entwicklung des Blue-Car und der Lithium-Batterie gesteckt.

Anfang Dezember gehen erst einmal nur 250 der Kleinwagen an den Start. In sieben Jahren, hofft er, damit Geld zu verdienen. Das Projekt in Paris soll dem Unternehmer als Schaufenster dienen und möglichst viele Käufer anlocken.

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