Eisenbahnnetz in Europa:Geisterzüge in Italien

Europa ermöglicht es der Deutschen Bahn, Verbindungen nach Italien in Konkurrenz zur dortigen Staatsbahn anzubieten - aber im offiziellen Fahrplan sind die nicht zu finden.

Henning Klüver

Wo bitte geht es hier nach München? Wer sich in Mailands Hauptbahnhof nach einer Zugverbindung in die Bayerische Landeshauptstadt erkundigt, wird auf einen Nachtzug verwiesen. Die Internetseite der Italienischen Staatsbahnen (Trenitalia) bietet ebenfalls nur selbigen Nachtzug an.

Mailand Hauptbahnhof

Abgefahren: Von Mailand nach München in sauberen Zügen mit gutem Service - dieses Angebot der Deutschen Bahn kennen nur wirklich Eingeweihte.

Gerüchteweise ist jedoch zu hören, es gebe einen neuen Zug nicht von der Centrale aus, sondern von der Stazione Porta Garibaldi morgens kurz vor sieben. Beim eben erst umgebauten Garibaldi-Bahnhof, der hauptsächlich für den Regionalverkehr genutzt wird, gibt es zwar kein Auskunftsbüro, aber am Fahrkartenschalter des Bahnhofs bekommt man endlich einen ersten Hinweis.

Der freundliche Beamte weiß von einem Zug Abfahrt Porta Garibaldi um 6.59 Uhr. Der werde allerdings nicht von der Trenitalia, sondern von Le Nord, der Regionalbahn der Lombardei gestellt. Fahrkarten könne er deshalb keine verkaufen, die gebe es am Bahnhof Cadorna, dem Bahnhof der Nord-Linien.

Also auf zum dritten größeren Bahnhof der Stadt, nach Milano-Cadorna. Nein, erklärt dann aber die Dame bei der Auskunft immerhin höflich, am Bahnhof sei das leider nicht möglich, aber das könne man im Zug machen, ohne Aufpreis.

Am nächsten Morgen, kurz vor sieben, trifft man im Garibaldi-Bahnhof auf ein Häuflein Verschworener. Sie warten unter der großen Anzeigetafel. Und wirklich, ja, da steht es: "München Hbf". Das Gleis erscheint allerdings erst in letzter Sekunde, es ist Nummer 20, das letzte am äußersten Ende des Kopfbahnhofs. Als schäme man sich eines Geisterzuges.

Doch der zeigt sich alles andere als gespenstisch. Es sind blitzsaubere Wagen der ÖBB und im Speisewagen wartet bereits das Frühstücksangebot. Das Personal an Bord ist mehrsprachig und die Fahrkarte gibt's tatsächlich zum Normalpreis (83,90 Euro) vom Schaffner.

Der Zug ist ein Joint Venture zwischen der Deutschen Bahn und der Österreichischen Bundesbahn. Sie haben die Liberalisierung im europäischen Zugverkehr genutzt, um Reiseverbindungen zwischen Süddeutschland und Norditalien anzubieten, nachdem sich Verhandlungen mit den Italienischen Staatsbahnen zerschlagen hatten.

Die italienische Staatsbahn stellt sich taub

Trenitalia konzentriert sich zurzeit ganz auf die Hochgeschwindigkeitsverbindungen mit dem AV-Eurostar und vernachlässigt dabei neben den IC-Verbindungen im Land die Transitverbindungen. Auch stellt sie sich zurzeit noch Qualitätsansprüchen ausländischer Partner gegenüber taub. So bieten DB/ÖBB seit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2009 ohne Trenitalia täglich fünf eigene Verbindungen ab München von und nach Bozen an, vier davon führen weiter nach Verona, und je eine davon weiter nach Bologna und Mailand. Le Nord leitet als Partner im Land das operative Geschäft.

Fahrkarten kann man in Italien außer im Zug über ein Callcenter in Mailand (Telefon: 0039-02-67479578), im Internet mit attraktiven Aktionspreisen oder in DB-Reisebüros kaufen. Auf der Strecke zwischen Brenner und Verona gibt es sie auch auf einigen Bahnhöfen an Automaten.

Besonders auf diesem Teil der Strecke, so eine Sprecherin der DB Italien, finde der neue Zug wegen seines Serviceangebots regen Zuspruch in Konkurrenz zu Trenitalia. In Zukunft wolle man das Angebot eventuell nach Venedig ausweiten. Durch bessere Trassen, vergleichbar den Slots im Flugverkehr, sollen die Verbindungen schneller werden. Und in Mailand möchte man demnächst von der Stazione Centrale aus starten.

Im Güterverkehr hat man bereits länger Erfahrungen mit einem eigenen DB-Angebot. Seit der Liberalisierung im Jahr 2007 sind die Deutschen hier mit der DB Schenker Rail aktiv. Rund ein Viertel des internationalen Umsatzes wurde zuletzt im Verkehr von und nach Italien erwirtschaftet, das einer der wichtigsten Auslandsmärkte für die Deutsche Bahn ist.

DB Schenker kontrolliert inzwischen durch Übernahme einer Mehrheitsbeteiligung von 60 Prozent der NordCargo den zweitgrößten GüterbahnAnbieter Italiens. Nach Auskunft des Unternehmens fahren jährlich im internationalen Geschäft 7000 Züge rund 1,4 Millionen Zugkilometer entlang der adriatischen und tyrrhenischen Küste bis nach Neapel. Außerdem gebe es Partnerschaften mit Trenitalia, die anders als zurzeit beim Personenverkehr zufriedenstellend verlaufen.

Europa, immer noch mehr Wirtschafts- als Sozialgemeinschaft, funktioniert also im Warenverkehr. Bei den Personenverbindungen auf der Schiene, die etwa im Westen zwischen Deutschland und Frankreich reibungslos verlaufen, hakt es noch im Süden.

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