Druck auf Daimlers Flaggschiff:Was die neue S-Klasse leisten muss

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Die neue S-Klasse von Mercedes hat viele Aufgaben zu lösen. (Foto: WGO)

Das neue Modell der S-Klasse soll das beste Auto der Welt sein. Wie immer. Doch diesmal ist das nicht genug, der Druck auf Daimlers Flaggschiff ist hoch. Denn Mercedes hat viele Probleme. Bringt die S-Klasse den Befreiungsschlag?

Von Sascha Gorhau, Toronto

Mercedes muss liefern. Daimler-Chef Zetsche ist angeschlagen, die Imagewerte liegen deutlich unter denen der deutschen Konkurrenz von Audi und BMW und die Akzeptanz im absatzstarken chinesischen Markt ist gering. Die S-Klasse als das wichtigste Fahrzeug der Palette von Daimler ist deshalb ein gewichtiger Indikator dafür, ob der Befreiungsschlag der Marke gelingen kann.

Mercedes rüstet sein Flaggschiff dazu mit zahlreichen technischen Innovationen aus und geht auch beim Design andere Wege als noch beim Vorgänger. Lesen Sie hier mehr über die Formensprache der neuen S-Klasse. In den folgenden Gebieten muss sich die Mercedes-Limousine außerdem behaupten:

Kernkompetenzfeld der Sicherheit verteidigen

Vor allem Universitäts-Dozenten für Kommunikation und PR an Universitäten sind dankbar für den missglückten Elchtest der A-Klasse im Jahr 1997. Noch heute gilt der umgekippte Kompaktwagen als Musterbeispiel dafür, wie eine schlechte Krisenkommunikation aussehen kann. Doch Mercedes hat darauf reagiert, an sich gearbeitet und sich als Referenzgröße für sichere Fahrzeuge etabliert. Die schlechten Ergebnisse für den Minivan Citan im vergangenen Mai haben das wieder relativiert - und Mercedes blamiert. Will Mercedes nicht endgültig seine Kernkompetenz verlieren, muss die neue S-Klasse Maßstäbe setzten. Und das tut sie. Mit einer beinahe unüberschaubaren Fülle an Sicherheitsinnovationen demonstriert die Luxuslimousine, wie sicher man aktuell ein Auto bauen kann. Die S-Klasse denkt für andere Verkehrsteilnehmer mit, überwacht ständig ihre Umgebung und schützt die eigenen Insassen vorbildlich. Das ist momentan konkurrenzlos.

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Daimler als grünen Autobauer manifestieren

"Das Beste oder nichts": Der Mercedes-Werbeslogan muss auch für die Umweltverträglichkeit der Modellpalette gelten. Doch die Vorherrschaft beim Hybridantrieb ist schon seit Jahren fest in den Händen japanischer Hersteller. Und im Hinblick auf Elektroautos hatte bisher nur BMW den Mut, seine ambitionierten Pläne zu verwirklichen. Als Konsequenz gehen die E-Modelle i3 und i8 nun in Serie. Mercedes kann da nur nachziehen. Die erfreulich niedrigen Verbrauchswerte bei einer ersten Testfahrt im angebotenen Diesel-Hybrid der S-Klasse machen Hoffnung, dass die Schwaben ihre Öko-Offensive wahr machen. Allerdings muss man Fortschritt und spektakuläre Innovationen beim selbsternannten besten Auto der Welt voraussetzen. Und für einen ganz großen, spektakulären Wurf vom Schlage eines reinen Elektro-Luxuswagens oder der konsequenten Abschaffung von Motoren mit mehr als vier Zylindern fehlte Mercedes offenbar der Mut. Schließlich folgt der Autobauer dem Markt, den jeweiligen Absatzchancen. Die sind momentan in China und den USA am größten. Und dort ist Leistung statt Öko gefragt. So wird die S-Klasse nur bedingt zum Botschafter einer neuen, grünen Mobilität.

China zurückerobern

China ist für deutsche Premium-Hersteller der Markt der Zukunft. Fast eine Million Autos setzten BMW, Audi, Mercedes und Porsche im Jahr 2012 dort zusammen ab. Das soll sich fortsetzten, es muss. Denn in Europa stagnieren die Absatzzahlen von Jahr zu Jahr. Während BMW und Audi in China jährliche Wachstumsraten in zweistelliger Höhe verzeichnen, verkaufte Mercedes dort 2012 nur zwei Prozent mehr als im Jahr zuvor. Dass das zu wenig ist, weiß auch Zetsche. Er kündigte an, den Absatz bis 2015 um 30 Prozent zu erhöhen. Für Automarkt-Forscher Stefan Bratzel entscheidet sich dort, ob Mercedes den Kampf der Luxuskarrossen verliert: "Wenn Daimler hier nicht aufholt, schaffen sie es gar nicht mehr." Daimler habe China verschlafen, sagt Bratzel. Nun haben die Schwaben darauf reagiert und konstruieren die S-Klasse zum ersten Mal anhand der Langversion, die in China und auch den USA so gefragt ist. Die Variante mit kurzem Radstand wurde aus der Chauffeursversion lediglich abgeleitet. In Kombination mit dem frischeren und weniger opulenten Design geht Mercedes offensiv wie nie auf China zu. Ob die Maßnahme zu spät kommt, wird der Absatz zeigen.

Bleiben wir in China: Dort verkauft Mercedes auch deshalb weniger Autos als gewünscht, weil die Marke an einem schlechten Image leidet. Dort kaufen nicht, wie etwa in Deutschland, hauptsächlich alte Männer Luxusautos. Die potenziellen Kunden für S-Klasse, Siebener und A8 sind aufstrebende Geschäftsleute, deren Reichtum noch neu und deren Gier nach Modernem groß ist. Allerdings haben BMW und Audi dort das Image des coolen Fortschritts schon unter sich aufgeteilt. Eine S-Klasse gilt dagegen als langweilig und altbacken. Ein Image, gegen das sich die Marke bisher erfolglos wehrt. Doch auch deutsche Geschäftsleute empfinden das ähnlich. Mercedes stellte bis tief in die 90er Jahre traditionell den gehobenen Geschätswagen der deutschen Wirtschaft. In der Gegenwart haben andere das Ruder in dem geschäftsträchtigen Markt übernommen. Audi A6 statt Mercedes E-Klasse für das gehobene Management, BMW Siebener statt Mercedes S-Klasse für die Führungsetage. Mercedes hat die neue S-Klasse nun mit dermaßen viel Technik aufgerüstet, als wollten die Schwaben ein unübersehbares Ausrufezeichen setzen: Wir sind modern - und unserer Zeit voraus!

Innovationskraft der Marke unterstreichen

Basis dieses technischen Rundumschlags sind Innovationen. Als erstes Fahrzeug kommt die neue S-Klasse komplett ohne Glühbirnen aus und setzt komplett auf LED-Technologie. Fast 500 Dioden sind im Wagen verbaut. Eine Stereokamera und unterschiedliche Radarsensoren sorgen für einen 360-Grad-Rundumblick. Der nutzt beispielsweise die hinteren Sensoren, um einen Auffahrunfall zu erkennen: Droht das folgende Fahrzeug ins Heck der S-Klasse zu fahren, so erkennt der Mercedes das automatisch, bereitet sich beispielsweise durch das Vorspannen der Gurte auf einen Aufprall vor und warnt den Hintermann durch das Anspringen der Warnblinkanlage vor der Kollision. Bei bis zu 50 km/h erkennt die neue S-Klasse zudem eine drohende Kollision mit einem Fußgänger und leitet notfalls eine autonome Bremsung ein. Dieses bekannte Sicherheitsfeature hat Mercedes bei der S-Klasse nun ausgebaut und erkennt auch Passanten, die gerade erst die Straße betreten, noch rechtzeitig. Neben der Sicherheit kann die S-Klasse auch im Bereich des Fahrkomforts Weltneuheiten bieten. Die Limousine erkennt Unebenheiten im Fahrbahnbelag und richtet das Fahrwerk in Sekundenbruchteilen auf die Fahrsituation ein. Selbst tiefe Schlaglöcher überrollt der Wagen fast unbemerkt. Die Beispiele verdeutlichen, dass Mercedes mit der neuen S-Klasse voll auf technische Neuheiten setzt. Genau diese Strahlkraft muss der Imageträger einer Marke entwickeln können.

Verlorene Maybach-Kunden überzeugen

Das "L" am Heck ist ein alter Bekannter. Die Langversionen sind schon lange ein fester Bestandteil der noblen S-Klasse. Vor allem als Staatskarossen und rollende Büros sind die Limousinen mit Überlänge bekannt. Doch nun ist das "L" nicht mehr genug. Denn das "M" fehlt. Maybach-Limousinen baut Mercedes schon seit dem vergangenen Jahr nicht mehr. Die Limousinen der Traditionsmarke bildeten das obere Ende des Luxussegments und übertrafen die S-Klasse deutlich: im Preis, in der Exklusivität, im Luxus. Das muss nun die größte Baureihe von Mercedes auffangen. Darum soll eine extralange Version der S-Klasse folgen. Sie könnte 5,4 Meter messen. Noch ist unklar, mit welchen weiteren Luxusinsignien Mercedes die S-Klasse aufwerten will.

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