Das U-Boot fürs Volk:Geistesblitz im Garten

Vor 40 Jahren erfand der Tausendsassa Graf Hagenburg in Geretsried ein U-Boot fürs Volk. Bald soll es dorthin zurückkehren - ins geplante Heimatmuseum.

Marlene Weiss

Das unförmige Ding stand jahrelang herum. Wie eine knubbelige, dicke Bohne sah es aus, mit einer Plexiglaskuppel in der Mitte. Viele Geretsrieder erinnern sich noch daran. Doch Tassilo Kraus, der mit seinen Eltern nebenan wohnte, kennt das Mini-U-Boot der Marke Hagenburg wie kein anderer: Er hat sich oft durch das Loch im Zaun gezwängt und darin gespielt. Und als irgendwann Arbeiter kamen und den Hof leerräumten, sorgte sein Vater dafür, dass er das Boot bekam.

Das U-Boot fürs Volk: Mann an Bord: Das U-Boot von Hagenburg wog 820 kg, war kaum länger als drei Meter und konnte vier Stunden unter Wasser bleiben. 1963 wurde es der Öffentlichkeit vorgestellt.

Mann an Bord: Das U-Boot von Hagenburg wog 820 kg, war kaum länger als drei Meter und konnte vier Stunden unter Wasser bleiben. 1963 wurde es der Öffentlichkeit vorgestellt.

Da war die Firma im Städtchen Geretsried bei München längst pleite, für das U-Boot interessierte sich niemand mehr. Nur Tassilo Kraus: Der nahm es mit, erst nach Ascholding, dann nach Berlin.

27 Jahre später träumt Franz Rudolf, gestreifter Pullover, altmodische Metallbrille, von der Vergangenheit und von der Zukunft der kleinen Stadt. Seine Freizeit widmet der Rentner seit fünf Jahren einem speziellen Projekt: Geretsried, erst nach dem Krieg aus einem Auffanglager für Heimatvertriebene entstanden, soll ein Heimatmuseum bekommen, in dem die Glanzstücke der Vergangenheit ausgestellt sind.

Einen Traktor der Firma Alpenland hat der Förderverein für das Heimatmuseum aufgetrieben, Granatensprengstoff, Verbandszeug von 1942. Nur eines fehlt noch. "Das zwickt uns schon, das U-Boot", sagt Rudolf.

Das Mini-U-Boot aus den sechziger Jahren war aus glasfaserverstärktem Kunststoff hergestellt, GFK genannt, der besonders leicht und belastbar ist. Heute ist das ein Standardmaterial, das für Boote, Sportwagen und Windturbinen eingesetzt wird.

Damals jedoch war die Firma Graf Hagenburg die erste in Deutschland, die GFK herstellen und verarbeiten konnte. Die Einsatzmöglichkeiten des Wunderstoffes schienen schier unbegrenzt; von Bahnschranken über Katamarane und Gewächshäuser baute die Firma so gut wie alles.

Sybille Meilinger, geborene Hagenburg, wuchtet einen Stapel alter Zeitungsausschnitte und Fotos auf den großen Holztisch in ihrem Haus in der Nähe von Augsburg. Sie stammen aus den Jahren 1963 bis 1965. "Exklusivbericht: Urlaub im eigenen U-Boot", titelte etwa die Zeitschrift hobby im Jahr 1964. Eine Unterwasseraufnahme zeigt das Hagenburg-U-Boot mit einem Taucher.

Einige Jahre lang war die halbe Welt verrückt nach dem Ein-Mann-Tauchgerät, das überall auf Bootsmessen Erfolge feierte. Kinderleicht zu bedienen sei das Volks-U-Boot, ausgesprochen sicher, und mit einem Preis von etwa 10.000 Mark oder 4000 Dollar für die amerikanische Version zumindest für Gutbetuchte erschwinglich.

Gelb - die einzig wahre Farbe für ein U-Boot

Doch kaufen wollte das Gefährt kaum jemand, und schließlich verlor sogar der Erfinder selbst das Interesse. "So war mein Vater", sagt Sybille Meilinger. Otto Heinrich Graf Hagenburg, Sohn eines Prinzen zu Schaumburg-Lippe, war ein begnadeter Bastler, Autodidakt und immer unterwegs.

Graf Hagenburg

Flieger und Bastler: Otto Heinrich Graf Hagenburg

(Foto: SZ Photo)

1936 wurde der damals 35-Jährige Kunstflugweltmeister - ohne je eine Flugstunde genommen zu haben, das Fliegen brachte er sich selber bei. Später gründete er eine Autozulieferfirma, fuhr Autorennen und entwickelte einen Motor zusammen mit Felix Wankel, dem Erfinder des nach ihm benannten Kreiskolbenmotors.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gründete der adlige Hansdampf die Firma Graf Hagenburg KG in Geretsried. Nur Talent für Geschäfte hatte er nicht. Nachdem er seine Firma 1971 verkauft hatte, arbeitete er fast bis zu seinem Tod im Jahr 1993 weiter an Erfindungen; aber es gelang ihm nie, Investoren zu überzeugen.

All das ist inzwischen lange her. Im Wohnzimmer der Meilingers steht noch der Flügel, auf dem der Graf spielte. Es ist ein alter Steinway, ein schönes Instrument. Auf dem Deckel stehen Fotos von Pferden und lachenden Kindern, und eine kleine Lichtmühle. Wenn Licht auf die Glaskugel fällt, drehen sich vier Flügel in ihrem Innern - ein Erfinderspielzeug.

Auch Tassilo Kraus, der Nachbarsjunge aus Geretsried, ist erwachsen geworden. Er lebt inzwischen in Berlin, das U-Boot steht im Garten eines Bekannten in Brandenburg. "Ich wollte das Boot damals unbedingt haben", sagt Kraus, "ich mag es halt." Er hat es gelb angestrichen, die einzig wahre Farbe für ein U-Boot, findet er.

Als Sybille Meilinger das hört, muss sie lachen. Alles konnte er, der Tausendsassa Hagenburg, nur mit den Farben hatte er Probleme: Rot und Grün konnte er nicht auseinanderhalten. Die Testbilder für die Pilotenprüfung lernte er auswendig; sonst wäre er durchgefallen. Aber Gelb, das war seine Farbe.

Tassilo Kraus hätte prinzipiell nichts dagegen, das U-Boot an das Museum abzugeben - er will es mit Franz Rudolf besprechen, wenn er das nächste Mal seine Eltern in Geretsried besucht. Wenn dann 2011 oder 2012 das Heimatmuseum eröffnet wird, könnte im Hof das U-Boot stehen, neben all den anderen Dingen von früher.

Für Franz Rudolf und den Museumsverein wird das ein großer Tag, jahrelang haben sie dafür gearbeitet. Vielleicht wäre auch der Erfinder des U-Boots stolz, dass sein Werk gewürdigt wird. Obwohl er sich immer mehr für die Zukunft als für die Vergangenheit interessiert hat.

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