BMW X3 neu:Etappenziel: Klassenprimus

Der einstige Vorreiter aller kompakten Geländewagen, der X3, hat zuletzt viel an Boden verloren. Mit dem neuen, in den USA gebauten Modell will BMW wieder in die Erfolgsspur einbiegen.

Günther Fischer, Atlanta

Es muss schön gewesen sein, so ganz allein, anno 2003. Das war das Jahr, in dem der erste BMW X3 auf den Markt kam und fast ohne Konkurrenten war. Toyota mit seinem RAV4 fuhr mehr in der Allradecke herum und Hondas CR-V spielte, nun ja, keine größere Rolle. Erst dem X3, den BMW vor sieben Jahren als sogenanntes Sports Activity Vehicle (SAV) vorstellte, gelang es, von Beginn an ein neues Autosegment zu definieren: das der kompakten Geländewagen.

Der Lohn: eine Erfolgsfahrt. Mehr als 614.000 Exemplare konnte BMW in diesen Jahren verkaufen - auch, weil die Konkurrenten zunächst etwas herablassend lächelten, dann staunten und erst mit viel Verspätung nachzogen.

BMW konnte sich vielleicht gerade deswegen auch einige Schwächen erlauben: Anfangs verbaute man schwächliche Vierzylinder-Benziner, die Materialien nicht nur am Armaturenbrett verströmten das Flair einer Hartplastikwüste, die Hinterachse polterte hart durch die Gegend und das Platzangebot war bestenfalls mittelmässig. Allerdings: Die Fahrdynamik setzte von Anfang an Maßstäbe.

Sicher, die Münchner rüsteten nach, und ein kleines Facelift beseitigte die gröbsten Ungereimtheiten. Aber als erst der Mercedes GLK auftauchte, Audi dann mit dem Q5 nachzog und VW den Tiguan präsentierte, war die Erfolgsfahrt doch ziemlich plötzlich zu Ende: 2007 wurden noch 21.585 X3 neu zugelassen, in diesem Jahr bislang noch etwas mehr als 8000 Exemplare.

Der einstige Klassenprimus will nun unbedingt wieder nach vorne fahren - zumal die X-Modelle der Münchner Autobauer (X1, X3, X5, X6) erfolgreicher denn je unterwegs sind: Momentan wird gerade die Zwei-Millionen-Marke anvisiert. Und weil der größte Markt für die X-Modelle die USA sind, wird der neue X3 nicht mehr im österreichischen Graz, sondern wie der X5 auch in Spartanburg/South Carolina gebaut. Gerade eben hat BMW deswegen die Kapazitäten dieses Werks massiv erhöht und eine weitere Produktionslinie in Betrieb genommen.

BMW war auch ziemlich klar, was die Mittel der Wahl sein mussten: mehr Platz, noch mehr Fahrdynamik und einen der Fahrzeugklasse endlich angemessenen Luxus im Innenraum. Was auch prompt geschah: "Wir haben die Spur verbreitert, den Radstand verlängert, den Schwerpunkt abgesenkt", so Lutz Römer, Projektleiter X3. Das Ergebnis:

Bei einigen Kenndaten hat BMW deutlich nach- und damit wieder vorgelegt: Der Laderaum fasst nun 550 Liter (plus 80 Liter gegenuber dem Vorgänger) - das ist Bestwert in dieser Klasse. Mit 1600 Litern bei umgeklappten Rücksitzlehnen ist der X3 nun ebenfalls wieder der Klassenprimus in seinem Segment.

Endlich Platz im Fond

Die Rücksitzlehne kann jetzt im Verhältnis 40:20:40 geteilt werden - was der Variabilität wunderbar zupasskommt. Selbst wer nur das schmale Mittelteil umlegt, kann sich noch über einen ebenen Ladeboden freuen. Allerdings ist die Rücksitzbank nicht - wie es bei einigen Mitbewerbern der Fall ist - in der Längsrichtung verschiebbar. Eine elektrische Heckklappe gibt es endlich - allerdings nur gegen Aufpreis. Dennoch ist sie sehr zu empfehlen

Das Plus an Länge beim Radstand und bei der Breite kommt in erster Linie den Mitfahrern auf der Rückbank zugute: Auch wenn sie wenig Seitenhalt bietet, haben nun drei Erwachsene bequem Platz - "was der dringendste Wunsch unserer Kunden war", so Römer.

Ansonsten präsentiert sich der Innenraum mit Schaltern und Armaturen fast unverändert - auch bei der Auswahl der Farben. Und das verwundert doch ein wenig. So zurückhaltend oder mutlos waren die Bayern in der Vergangenheit nicht.

Auch sind relativ wenige Fahrer-Assistenzsysteme zu haben: Abstandstempomat, Spurhalte- oder Totwinkelassistent gibt es noch nicht einmal gegen Aufpreis. Immerhin ist nun ein Head-up-Display im Angebot.

Allrad ist natürlich Serie - und das xDrive der aktuellen Generation arbeitet ohne Fehl und Tadel: Die Motorleistung wird variabel zwischen den Achsen verteilt - womit der X3 nicht nur das Herausbeschleunigen aus engen Kurven mit Verve meistert, sondern sich auch bei einem Ausflug in einen kleinen Offroad-Parcour jeder Herausforderung gewachsen zeigt. Wobei: Der Wagen musste da nicht wirklich ans Limit gehen.

Gegen Aufpreis ist im X3 nun erstmals auch der schon aus 5er und 7er BMW bekannte Fahrdynamikschalter zu haben: Der Fahrer kann jetzt auch im Geländecruiser zwischen den Fahrzeugabstimmungen "Normal", "Sport" und "Sport+" wählen - die Unterschiede zwischen den drei Fahrzeugabstimmungen fallen allerdings nicht so groß aus wie wir eigentlich erwartet hatten.

Mit dem Gefühl der kleinen Sänfte

Am meisten profitiert der neue X3 allerdings von der Fünflenker-Hinterachse, die aus den aktuellen 5er- und 7er-Modellen adaptiert wurde. Das Ergebnis war sofort zu erspüren: Von den vielen groben Querrillen, die gerade auf den breit betonierten Interstates rund um Atlanta so zahlreich vorhanden sind, drang wenig bis nichts in den Innenraum durch. Ein kleines Sänftengefühl griff Raum.

Neu ist auch die elektromechanische Servolenkung, die erstmals bei einem X-Modell von BMW zum Einsatz kommt. Auch sie dient der Verbrauchssenkung und lenkt so präzise, wie es von BMW wie selbstverständlich erwartet wird.

Zum Start des neuen X3 gibt es zwei Motoren, die den von der Zeit geforderten Spagat zwischen Leistungssteigerung und gleichzeitiger Verbrauchsreduzierung ziemlich gut beherrschen dürften: Der neue Basisdiesel im X3 xDrive 20d leistet nun 135 kW / 184 PS (plus vier Prozent gegenüber dem Vorgänger) und ist serienmäßig mit einer Sechsgangschaltung ausgestattet (gegen 2300 Aufpreis gibt es die sehr empfehlenswerte Achtgang-Automatik)

Der 20d gebietet über 380 Nm Drehmoment (plus neun Prozent) und erreicht in 8,5 Sekunden Tempo 100 (Höchstgeschwindigkeit: 210 km/h). Dennoch soll er im Schnitt nur 5,6 Liter auf 100 Kilometer verbrauchen - ein Wert, den wir mitsehr akzeptablen sieben Litern Durchschnittsverbrauch bei den ersten Ausfahrten nicht wirklich erreichten. Erste Einschätzung: Wenn der 20d erst einmal den Drehzahlkeller verlassen hat und sich in Bereichen ab 2000 U/min bewegt, ist er ein geschmeidig arbeitender Reisegeselle und als Diesel kaum noch zu erkennen.

Im BMW X3 xDrive 35i wiederum ist ein drei Liter großer Sechszylinder-Benziner mit 225 kW / 306 PS verbaut (ein Leistungsplus von 12,5 Prozent). Er kommt serienmäßig mit Achtgangautomatik und Start-Stopp-System, beschleunigt in 5,7 Sekunden von 0 auf Tempo 100 (-1,5 Sekunden im Vergleich zum Vorgänger) und soll nur 8,8 Liter im Schnitt verbrauchen - was acht Prozent weniger als beim Vorgänger wären. Wir fuhren ihm mit knapp über zehn Litern - etwas weniger hätte uns doch gefreut.

Freude am Fahren hat BMW im 35i also mit Leistung im Überfluss übersetzt: Dass stets genügend Reserven vorhanden sind, beruhigt und macht Spaß - die Kraft wird aber gerade auf den amerikanischen Straßen mit ihren strengen Tempolimits wahrscheinlich nur selten abgerufen werden müssen.

BMW hat mit dem neuen X3 einen kleinen Alleskönner gefertigt: mit genügend Platz und Variabilität im Innenraum, einer Fahrdynamik, die mehr denn je state of the art ist, mit ein wenig Offroad- und viel Reisetalent sowie mit neu anerzogener Verbrauchsmäßigung.

Die Voraussetzung für einen neuerlichen Erfolg hat BMW also geschaffen. Ob die Kombination all dieser Eigenschaften wirklich reichen wird, um wieder an den Herausforderern vorbeizuziehen, wird schnell klar sein: Der neue X3 ist ab dem 20. November zu haben.

Die Preise: Der X3 20d beginnt ab 39.100 Euro, der X3 35i ab 58.150 Euro.

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