Auto inside (1): Schichtholz:Audi misst in Eichen

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Die Ingolstädter Autobauer haben das Tischlern neu gelernt - und verpflanzen echtes Holz ins Auto: Aus Eichen wird Schichtholz mit Yacht-artiger Anmutung.

Günther Fischer

Wer hat noch den Überblick darüber, was sich außer Motor, Fahrwerk und Sitzen noch so alles in unseren Autos befindet? Wie es hineinkommt, woraus es besteht und warum wir es mitunter teuer bezahlen müssen? Unsere Serie "Auto inside" stellt in lockerer Folge einzelne Bestandteile unseres vierrädrigen Alltagsbegleiters vor - von Innenraum-Applikationen über Multimedia-Features bis hin zu technischen Innovationen.

Auto inside (1): Schichtholz
:Eiche musste es sein

Die Ingolstädter Autobauer haben das Tischlern neu gelernt - und verpflanzen echtes Holz ins Auto: Aus Eichen wird Schichtholz mit Yacht-artiger Anmutung.

2009 war's. Audi stellte den A7 Sportback als Studie vor. Wer damals in den Innenraum des Ingolstädter Schönlings blickte, sah: helles Holz, offenporig, unterbrochen nur von feinen schwarzen Linien. Schichtholz genannt, Yacht-Feeling inklusive. Und es griff sich auch genau so an - wie Holz. Das hat man bis dahin kaum mehr gekannt, und das war eigentlich die größte Überraschung.

Autoinnenräume wurden in den letzten Jahren immer hochwertiger ausgestattet - und mitunter haben die Hersteller bei Dekorleisten und anderem Zierrat pfiffig getrickst: Wurzelholz, meist lackiert, war noch relativ einfach als Holz zu identifizieren; auch Aludekors und eine teure Klavierlack- oder Keramikausstattung (wie zum Beispiel im neuen BMW 6er Cabrio) fühlten sich so an und sahen auch so aus, wie es eben sein sollte.

Bei Imitaten aber waren schon 90 Prozent der Käufer (und Autotester) überfordert. Ist das jetzt Plastik oder Kunststoff, und beides tut nur so als ob? Oder ist das wirklich Holz, nur eben raffiniert lackiert? Der Unterschied zwischen Kunststoff und echten Materialien ist in den meisten Autos kaum noch auszumachen. Eigentlich schade.

Die Überraschung war so groß, dass sich auch der Audi-Vorstand davon anstecken ließ und grünes Licht für die Entwicklung gab. Und schon stand die Designabteilung unter Zeitdruck - statt der üblichen drei Jahre Vorlauf für die sogenannte Oberflächenentwicklung standen diesmal kaum zwei Jahre Zeit zur Verfügung.

Von vorneherein war also klar, dass die Schichtholzausstattung für den Serienstart von Audi A7 Sportback und Audi A6 zu spät kommen wird.

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Denn: Das richtige Holz musste erst gefunden und getestet werden, unter Laborbedingungen beschleunigt altern und in den Produktionsprozess eingefügt werden.

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Johanna Hoch, verantwortliche Audi-Designerin und Ideengeberin: "Ich wollte in erster Linie das Holz neu gestalten und ihm einen technischen Charakter verleihen. Dafür eignete sich eigentlich die traditionelle Technik zur Herstellung von Holzfurniern. Bislang wurden immer weiche Hölzer wie Pappel, Linde, Tulpe oder Ayous verwendet, um Holzdekore zu gestalten." Darüber hinaus war auch Tropenholz bei Audi von vornherein verboten - selbst dann, wenn es aus Zuchtplantagen stammen sollte.

Das Wunschholz war in diesem Fall also das relativ harte Massivholz der Eiche - weswegen auch die Verarbeitungstechnik weiterentwickelt werden musste. Schon bei den ersten Tests stellte sich die deutsche Eiche aber als ungeeignet heraus.

Hoch: "Sie verfärbte sich zu schnell, dunkelte nach - und das auch noch mit einem starken Grünstich. Spätestens dann hätte sie nicht mehr ins Auto gepasst." Nach längerem Suchen und vielen weiteren Tests fiel die Wahl schließlich auf die amerikanische Weißeiche.

Die Verarbeitung dieses Holzes klingt einfacher als sie tatsächlich ist: Aus den Eichenholzstämmen werden dünne Furniere geschnitten. Diese Eichenfurniere werden anschließend übereinandergeschichtet und zu Blöcken verleimt - wobei eine Zwischenlage aus schwarz durchgefärbten Eichenfurnieren eingearbeitet wird.

Die Verleimung muss dabei so ausgeführt werden, dass die Furnierschichten der anschließenden Verformung auf den Bauteilen standhalten.

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Aus den so enstandenen Blöcken werden dann dünne Furnierschichten, so genannte technische Holzfurniere, "gemessert". Nur die können als Oberfläche für die Applikationsleisten verwendet werden und garantieren die State-of-the-art-Eleganz der Audi-Innenräume. Natürlich wird das Schichtholz noch lackiert, wobei sich im Lack noch ein UV-Filter befindet, der es vor vorzeitiger Alterung schützen soll.

Auch der "Baumverbrauch" hält sich in Grenzen. Johanna Hoch: "Für einen A7 brauchen wir nur rund einen Quadratmeter Holz."

Darüber hinaus muss einiges an Handarbeit geleistet werden. "An vielen Stellen, wie zum Beispiel an der Mittelkonsole", so Hoch, "muss das Schichtholz per Hand herumgezogen und angepasst werden. Dafür gibt es keine Maschinen oder Werkzeuge."

Der relative hohe Anteil an Handarbeit verschafft Audi natürlich einmal mehr die Gelegenheit, von der Manufakturqualität und der hohen Verarbeitungsqualität in seinen Autos zu sprechen - die Marketingabteilung wird's freuen.

Letzter Stand: Spätestens ab Juni 2011 sollen die Schichtholz-Applikationen für den A7 Sportback und den neuen Audi A6 bestellbar sein. Der Aufpreis dafür steht noch nicht fest.

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