150 Jahre Opel:Gefangen in der Abwärtsspirale

Golf oder Kadett, Polo oder Corsa? Das waren einst Glaubensfragen in den Kantinen und an den Stammtischen Deutschlands. Heute ist VW der zweitgrößte Autobauer der Welt und Opel seit Jahren am Rande der Pleite. Wie konnte das passieren?

Sascha Gorhau

Ford, Opel und VW. Das waren die Autos des so genannten kleinen Mannes, die Mobile für die Massen. In den 70er Jahren hatte Opel in Deutschland einen Marktanteil von mehr als 20 Prozent, lag deutlich vor Ford und VW. Danach wurde der Konzern von den Wolfsburgern überholt und zum ewigen Zweiten in der Zulassungsstatistik. Inzwischen sind die Rüsselsheimer zum dauerhaften Vorletzten in Erhebungen über die Beliebtheit bei jungen Leuten geworden. Dahinter kommt nur noch Dacia.

Opels Abstieg ist kein neues Phänomen. "Die Qualitätsprobleme der 90er Jahre haben der Marke viele Jahre nachgehangen," sagt Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach. Mittlerweile hat Opel keine gravierenden Qualitätsprobleme mehr. Aber der Imageschaden ist geblieben. Viele Kunden, die der Marke damals entnervt den Rücken gekehrt haben, sind für immer verloren. Warum sollten sie auch zu den Rüsselsheimern zurückkehren? "Richtig schlechte Automobile gibt es heutzutage kaum noch. Das Qualitätsniveau ist unglaublich gestiegen in den letzten Jahren," sagt Bratzel. Das Image gibt heutzutage den Ausschlag.

Andere Hersteller waren cleverer

Zudem hat Opel die Konkurrenz ziehen lassen. "Ford beispielsweise war schneller und besser in der ganzen Produktstrategie, auch effizienter," so Bratzel. Opel präsentierte in den 2000er Jahren Flops wie den Signum oder Exoten wie den Opel GT. Geld wurde damit nicht verdient. Mit dem Kuga sprang Ford derweil auf den absatzträchtigen SUV-Zug auf oder lieferte mit Modellen wie dem S- oder C-Max Fahrzeuge, die vom Van-Trend profitieren konnten.

Die Situation für Opel verschlechterte sich noch durch neue Mitbewerber. Vor allem die Koreaner von Hyundai und Kia drängen seit Jahren mit Macht in den Markt. Deren Fahrzeuge sind inzwischen zur ernsthaften Konkurrenz geworden. Ihren gewachsenen Anspruch untermauern die Koreaner mit langer Garantie und dem Bau eines speziellen Entwicklungszentrums für den europäischen Markt in Rüsselsheim. Ausgerechnet dort. Und der Markt wird noch enger werden, in einigen Jahren haben sich vielleicht die Chinesen etabliert. Wie erst die Europäer, dann die Japaner, schließlich die Koreaner. Nicht zu vergessen, dass bereits jetzt Premiumhersteller wie Audi und BMW ins Kleinwagensegment vorstoßen und zusätzlich Kunden abwerben.

GM und Opel: Zahn um Zahn statt Hand in Hand

Und dann Opels Mutterkonzern GM. Die Amerikaner waren in den letzten Jahren viel mit sich selbst beschäftigt und sind der eigenen Pleite nur knapp entgangen. "General Motors ist auf dem besten Wege, Opel zu ruinieren," schreibt Stefan Wimmelbücker im Blog der Branchenzeitung Automobilwoche. "Die Amerikaner werden zunehmend ungeduldig und fordern eine schnelle Rückkehr in die Gewinnzone. Dennoch verweigern sie ihrem Tochterunternehmen die Expansion in die Schwellenländer, in denen andere Hersteller derzeit zweistellig wachsen," schreibt Wimmelbrücker weiter. Ein Teufelskreis. Die Rüsselsheimer haben wenig Verhandlungsmacht in Detroit. Der Ton untereinander ist rau. Es scheint, als würden die Amerikaner Opel in der Abwärtsspirale gefangen halten.

Man hätte sich bei Ford eine Scheibe abschneiden können: "Das hat es dort nicht gegeben, der Umgang mit dem Mutterkonzern ist viel sachlicher und pragmatischer. Es gab auch Krisen, wie beispielsweise die Trennung von Volvo, aber es herrscht einfach eine andere Kultur des Miteinanders," sagt Stefan Bratzel.

Die schlechte Stimmung innerhalb des GM-Konzerns spüren auch die Kunden. "Opel muss raus aus dieser negativen Kommunikationsspirale und dafür müssen schwarze Zahlen her," so Bratzel weiter. Opel hat beispielsweise mit dem Ampera zukunftsweisende und konkurrenzfähige Produkte im Angebot. Das bekommt allerdings kaum jemand mit.

Einziger Trost für Opel: Momentan verlieren fast alle Autobauer in Europa Geld. Von 2007 bis 2011 ist der Absatz um 14 Prozent eingebrochen. Ford, Fiat, der französische PSA-Konzern - alle werden überlegen müssen, wie sie mit den Überkapazitäten der Herstellung umgehen. Der Markt bietet nicht mehr die Nachfrage nach den Stückzahlen, die aus den Fabriken rollen. Wenigstens liegt Opel nicht nur in Sachen Image, sondern auch in der Zulassungsstatistik vor Dacia. Immerhin. In schweren Zeiten backt man eben kleinere Brötchen.

Lesen Sie hier, wie GM die Konzernschwester Chevrolet gegen Opel positioniert.

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