150. Geburtstag von Hugo Junkers:Ein freier Geist

Am 3. Februar jährt sich der Geburtstag des Konstrukteurs Hugo Junkers zum 150. Mal - eine Erinnerung an den Mann, der den Weg für die moderne Luftfahrtindustrie bereitete.

Sebastian Beck

Es sieht aus wie eine nostalgische Spielzeugsammlung, die sich Bernd Junkers da in seinem Münchner Büro zusammengetragen hat. Ein ganzes Geschwader silbrig glänzender Modellflugzeuge parkt hinter seinem Sessel. Daneben stehen altertümliche Badewannen samt Warmwasserboiler im Puppenhausformat, am Fenster thronen die Miniatur-Nachbauten zweier Motoren. Ganz oben auf dem Schrank lugt ein Metallflieger hervor, auf den Junkers besonders stolz ist: Es ist das Werksmodell der Junkers W33 Bremen, mit der am 13. April 1928 die erste Überquerung des Atlantiks von Ost nach West gelang - nach 36,5 Stunden Flug. New York feierte die drei Piloten Hermann Köhl, James Fitzmaurice und Günther von Hünefeld dafür mit einer Konfettiparade.

150. Geburtstag von Hugo Junkers: Träume aus Wellblech: Bereits 1923 stellte Hugo Junkers den Entwurf für ein Großflugzeug  vor, das 100 Passagiere transportieren sollte .

Träume aus Wellblech: Bereits 1923 stellte Hugo Junkers den Entwurf für ein Großflugzeug vor, das 100 Passagiere transportieren sollte .

(Foto: Foto: Archiv Junkers)

Konstruiert hat all diese Geräte Hugo Junkers, der Großvater von Bernd Junkers. Am 3. Februar jährt sich der Geburtstag des Unternehmers aus Dessau zum 150. Mal. Eine ganze Reihe von Ausstellungen erinnert daher in diesem Jahr an Hugo Junkers' technische Pionierleistungen, aber auch an seine moralische Standhaftigkeit, die dazu führte, dass er von den Nazis enteignet wurde.

Sein Enkel Bernd Junkers hat sich die Verwaltung des Nachlasses zur Lebensaufgabe gemacht: Allein 200 laufende Meter Junkers-Akten hat er dem Deutschen Museum in München zur Verfügung gestellt. Vom Tagebuch bis hin zu Konstruktionsunterlagen. Unzählige Fotos hat Bernd Junkers gesichtet und digitalisiert. Doch außer viel Papier, einigen historischen Modellen und einem dunklen Schreibtisch ist wenig übrig geblieben vom Imperium des Großvaters, der 1935 starb: Das größte Erinnerungsstück, das Bernd Junkers besitzt, ist ein geripptes Alublech, das auf dem Werksgelände in Dessau gefunden wurde und nun bei ihm an der Wand hängt.

Genau diese Bleche sind immer noch das Erkennungszeichen der Junkers-Flugzeuge. Das berühmteste von ihnen, die JU 52/3m, wurde nach 1932 fast 5000-mal gebaut. Die Schweizer Luftwaffe setzte die JU 52 sogar noch bis 1981 als Transportflugzeug an. Weltweit gibt es noch sechs flugfähige Exemplare, darunter die bekannte D-AQUI der Lufthansa, die in den Sommermonaten auf Rundflügen über Deutschland brummelt. Die dreimotorige JU 52 markiert den Endpunkt der Flugzeugentwicklung bei Junkers, die im Jahr 1910 begann und den Weg für die moderne Luftfahrtindustrie bereitete.

Ein freier Geist

Als Hugo Junkers sich dem Flugzeugbau zuwendet, geht er bereits auf die fünfzig zu und kann auf eine ansehnliche Karriere als Ingenieur und Unternehmer zurückblicken; unter anderem hat er den ersten Gas-Durchlauferhitzer entwickelt. Die Junkers-Thermen werden auf der ganzen Welt zur Warmwasserbereitung eingesetzt und bringen ihm das Geld für seine Forschungsprojekte ein. Er will ein Flugzeug ganz aus Metall bauen - entgegen der herrschenden Lehrmeinung "Metall fliegt nicht". In den Anfangsjahren der Fliegerei sind die Maschinen kaum mehr als stoffbespannte Holzgerippe, zusammengehalten von Drahtseilen. Weil die dünnen Flügel nur wenig Auftrieb produzieren, setzen die Flugzeugkonstrukteure auf Doppel- und Dreifachdecker.

Junkers hingegen lässt sich bereits 1910 ein dickes Flügelprofil patentieren, das er 1915 an seiner J 1 erstmals in der Praxis erprobt: Die J 1 ist überdies ganz aus Metall gefertigt - und fliegt trotzdem. Zwar entwickelt Junkers im Anschluss auch einige Militärflugzeugtypen, der Durchbruch kommt aber erst nach Kriegsende mit der F 13: Sie ist das erste Ganzmetall-Verkehrsflugzeug der Welt, ausgestattet mit einer beheizbaren Kabine für vier Personen und immerhin 160 Kilometer pro Stunde schnell. Nur die beiden Piloten müssen anfangs noch vorne in der kalten Zugluft sitzen. Ein großes Augenmerk legt Junkers auf die Sicherheit: So lässt er beispielsweise in das Fahrwerk der F 13 eine Sollbruchstelle einbauen, um Überschläge bei Notlandungen zu vermeiden. Denn der Schwachpunkt der Fliegerei in den zwanziger Jahren sind die unzuverlässigen Motoren, die häufig schon vor dem Zielflughafen schlappmachen.

Die F 13 mit ihrer gerippten Aluminiumhaut und den modernen Flügelprofilen entwickelt sich für Junkers zu einem großen Verkaufserfolg: Zwischen 1919 und 1930 produziert das Unternehmen 322 Stück dieses Typs. In den zwanziger Jahren avanciert die F 13 zum Standard-Verkehrsflugzeug vieler Luftfahrtgesellschaften. Junkers in Dessau steigt zur größten und technisch fortschrittlichsten Flugzeugfirma der Welt auf: Im Jahr 1925 beschäftigt das Unternehmen 6232 Mitarbeiter. Neben diversen Flugzeugtypen und Gasöfen gehören Motoren aller Art, aber auch Hallen und Möbel zur Produktpalette.

Der Firmenchef, mittlerweile mehr als 60 Jahre alt, arbeitet von sechs Uhr morgens bis Mitternacht. "Er hat sogar im Büro geschlafen", erzählt Bernd Junkers, der seinen Großvater selbst nur aus Erzählungen kennt. Seine zwölf Kinder sieht er kaum. Hugo Junkers steckt seine gesamte Energie, aber auch sein ganzes Geld in die Entwicklung neuer Techniken, die 1929 im Großflugzeug G 38 gipfeln: Die Dicke Adele übertrifft mit ihren 44 Metern Spannweite und 24 Tonnen Fluggewicht alle anderen Landflugzeuge dieser Zeit.

Ein freier Geist

Im Gegensatz zu vielen anderen Unternehmern, die mit den Nazis sympathisierten, vertritt Junkers linksliberale Auffassungen. In seinen Tagebüchern hält er ein erstaunliches "Industrielles Glaubensbekenntnis" fest: "Das Kapital, die Fabrik, den gesamten geschäftlichen Organismus sehe ich nicht als mein Privateigentum an, sondern als das aller Beteiligten, vom Leiter bis zum letzten Lehrjungen und Tagelöhner."

Mit seiner weltoffenen Grundhaltung zieht er den Hass der Nazis auf sich: Sie zwingen ihn nach der Machtübernahme 1933 zur Übergabe all seiner Patente. Kurz zuvor hat Junkers seinen Konzern gerade noch vor dem Bankrott gerettet, indem er die Werke für Warmwasseranlagen an Bosch verkauft. Die Weltwirtschaftskrise kann Junkers so überstehen, aber vor dem Zugriff des Regimes gibt es kein Entrinnen: Auch die Aktienmehrheit an den Junkers-Werken, die nun für die Rüstung produzieren, muss er abtreten. "Junkers ist Pazifist. Er ist Demokrat. Er hat stets zu den Marxisten gehalten", heißt es als Begründung.

In München forscht Junkers unter Beobachtung durch die Gestapo weiter - nun am Bau von Metallhäusern. Am 3. Februar 1935, seinem 76. Geburtstag, stirbt er. Die Nazis machen fortan mit seinem Namen Propaganda. Doch mit den Junkers-Kampfflugzeugen, die der Staatskonzern auch mit Hilfe von Sklavenarbeitern produziert, hat der Konstrukteur nichts mehr zu tun. Bei Kriegsende ist Dessau durch Bomben zu 80 Prozent zerstört. Was von den Junkers-Werken übrig ist, demontieren schließlich die Russen.

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