Natürlich will jetzt jeder wieder von Anfang an mit dabei gewesen sein. Einer war es ganz bestimmt: der US-Autobauer Ford. Er schickte in diesen Tagen eine Mitteilung zum 125. Geburtstag des Autos herum. Um mal klar zu machen, wer hier eigentlich auch gefeiert werden müsste. Wer die "Erfolgsgeschichte des Autos entscheidend geprägt" hat, nämlich Henry Ford I., ohne dessen Idee, Autos auf dem Fließband zu produzieren, das Auto wohl nie zu einem erschwinglichen Massenfortbewegungsmittel geworden wäre.
Die Erfindung von Carl Benz von 1886, - nun ja - sie wäre heute vielleicht nicht viel mehr als ein skurriles Dreirad mit Hilfsmotor für einige Reiche und Technik-Begeisterte. Und das Hauptfortbewegungsmittel im Jahre 2011 vielleicht immer noch das Pferd. So aber sind seit der Erfindung des Autos weltweit an die 2,5 Milliarden Automobile gebaut worden.
Wie sehr sich die Zeiten ändern. Als der Auto-Pionier Gottlieb Daimler vor mehr als 100 Jahren die Zukunft des Automobils voraussagte, da glaubte er noch an natürliche Grenzen des Wachstums. Die Nachfrage werde weltweit nie mehr als eine Million Autos überschreiten können. "Allein schon aus Mangel an verfügbaren Chauffeuren", prophezeite er damals. Heute sind an die 800 Millionen Autos auf den Straßen der Erde unterwegs. In einem Vierteljahrhundert dürften es doppelt so viele sein.
"Die beste Zeit des Autos kommt noch", sagt Daimler-Chef Dieter Zetsche. In China kommen heute an die 20 Autos auf 1000 Einwohner; in Indien ist es die Hälfte. In Deutschland kommen - zum Vergleich - an die 500 Fahrzeuge auf 1000 Einwohner. Was Zetsche also eigentlich meint, ist: Der Autoindustrie könnten noch goldene Jahre bevorstehen. Vorausgesetzt, die zweite Erfindung des Automobils gelingt ihr.
125 Jahre, nachdem Carl Benz seinen ersten Motorwagen zum Patent anmeldete, steht die Branche vor den größten Umbrüchen seit ihrer Entstehung. Neuerungen, die ähnlich drastisch sein werden wie die Erfindung des Autos selbst.
Viele in der Branche sprechen heute von einer Revolution, dabei kam der Wandel schleichend. Von der ersten Ölkrise bis zu der Erkenntnis, dass die Ölressourcen nicht ewig reichen werden. Von der Einsicht, dass ein nicht geringer Teil des weltweiten Kohlendioxidausstoßes auf den Straßenverkehr zurückgeht, bis zu der bitteren Gewissheit, dass sich das Klima auch deshalb verändert.
Das Auto, das seinen Siegeszug antrat, um die Mobilität für Millionen von Menschen zu verändern, Distanzen zusammenrücken ließ, das Leben beschleunigte und gleichzeitig angenehmer machte - jenes Auto muss nun neu erfunden werden, damit es überleben kann. Zuerst wird sich das Auto selbst verändern, dann die Art und Weise, wie Menschen es nutzen.
Es begann vor ein paar Jahren mit dem Hybrid, einer Mischung aus altem Verbrennungsmotor und Batterie. Nun geht es weiter. Schritt für Schritt werden Elektroantriebe und Brennstoffzellen Benziner und Diesel allmählich ersetzen.
Bis 2020, so das Ziel der Bundesregierung, sollen eine Million Elektroautos auf deutschen Straßen summen. Eine Million von dann vielleicht 60 Millionen Autos. Es werden Jahre kommen, in denen sich die Anteile immer mehr verschieben. Immer mehr Elektroautos, immer weniger Benziner.
Die zweite Erfindung des Autos, sie wird mindestens so komplex sein wie die erste vor 125 Jahren. Noch fehlen die Batterien, die mit der Reichweite eines Verbrennungsmotors mithalten können. Hersteller wie BMW arbeiten dagegen an, indem sie das Gewicht der Fahrzeuge drastisch reduzieren. Etwa, indem sie den alten Stahl durch neue Materialien wie Carbon ersetzen.
Doch selbst wenn Autos künftig leichter sind als heute: Das ambitionierte Ziel einer emissionsfreien Fahrt ist nur dann wirklich erreicht, wenn die Batterien ihren Strom aus erneuerbaren Energien speisen.
Davon aber ist die Industrie heute weit entfernt. Auch setzt sich allmählich die Erkenntnis durch, dass nicht nur die Ölvorräte knapp sind. Auch Elektromotoren brauchen Rohstoffe, die nicht unendlich sind. Die sogenannten "seltenen Erden" etwa.
Die Nachkommen des Carl Benz forschen mit Hochdruck, denn es geht um ihre Zukunft. Welche tektonischen Verschiebungen könnten die neuen Antriebe in der globalen Automobilindustrie auslösen? Werden die Erfolgreichen von heute, VW, BMW, Daimler, Toyota, Ford, werden sie auch die Gewinner von morgen sein? Oder werden neue Hersteller aus China in einigen Jahrzehnten als die zweiten Erfinder des Autos in die Geschichte eingehen?
Anders als 1886 sind die Deutschen diesmal nicht die Ersten. Aber darum geht es vielleicht auch nicht. Entscheidend sei nicht, wer am Anfang vorne liege, sagte der Chef des Automobilverbandes VDA, Matthias Wissmann, jüngst. "Die deutschen Automobilhersteller wollen nicht mit den ersten Elektroautos auf den Markt, sondern mit den besten."
Bis es so weit ist, arbeiten die Hersteller an immer besseren und sparsameren Motoren. VW präsentierte ausgerechnet im Öl- und Gas-Emirat Katar in diesen Tagen ein Auto, das nur noch knapp einen Liter Benzin auf 100 Kilometer braucht. Der XL1 setzt auf den Leichtbaustoff Carbon sowie auf eine Mischung aus Diesel- und Elektromotor und könnte schon ab 2013 gebaut werden.
Und selbst wenn Autokonzerne die letzten technischen Zukunftsfragen gelöst haben, bleibt eine offen. Die, ob Menschen in Zukunft überhaupt noch Autobesitzer sein wollen. Oder ob es ihnen genügt, Mobilität zu nutzen. Längst denken die Hersteller über Alternativen zum klassischen, individuellen Autoverkauf nach.
Wenn irgendwann die Mega-Metropolen der Erde für Benziner geschlossen werden, wäre dies vielleicht so etwas wie das Ende des Individualverkehrs. Aber nicht das Ende des Autos. Daimler testet Car-Sharing-Projekte in großem Stil, viele andere denken darüber nach.
Die großen Konzerne nicht nur als Betreiber riesiger Fließbänder, sondern auch als moderne Anbieter vernetzter Mobilitätsdienstleistungen - der nächste Lebensabschnitt des alten Autos wird anders sein als der erste. Aber nicht unbedingt schlechter.