100 Jahre "Liemba":Suche nach dem richtigen Kurs

Die "Liemba", Vorbild für das Kanonenboot im Hollywood-Klassiker "African Queen", wurde 1913 in Papenburg gebaut und ist seither auf dem ostafrikanischen Tanganjika-See im Dienst. Nun müsste sie saniert werden.

Klaus C. Koch

Tagelang, so berichten Reisende, müssen sie oft auf das Schiff warten. Doch dann taucht die Liemba auf wie eine Fata Morgana aus dem Nebel und die Fracht wird in kleinen Booten und großen Körben von Passanten, von Händlern und im Wasser schwimmenden Helfern gelöscht.

100 Jahre "Liemba": Sanierungsfall: Die Liemba wird 2013 100 Jahre alt - und das merkt man dem in Deutschland gebauten Frachtschiff auch an.

Sanierungsfall: Die Liemba wird 2013 100 Jahre alt - und das merkt man dem in Deutschland gebauten Frachtschiff auch an.

Das 67 Meter lange Schiff - einst von den Deutschen gebaut, um kaiserlichem Kolonialstreben zu genügen - stellt am Tanganjika-See (Ostafrika) auf einer 700 Kilometer langen, ständig befahrenen Route immer noch das einzige zuverlässige Transportmittel zwischen den Anrainerstaaten dar. Doch damit könnte es bald vorbei sein.

1913 war die Liemba auf der Meyer Werft in Papenburg (Ems) gebaut und in 5000 Kisten und Kästen über Hunderte Kilometer an Land zum größten Binnenmeer des Kontinents verfrachtet worden. In Kigoma wurde sie von drei Schiffsbauern aus Deutschland und afrikanischen Helfern als Graf Götzen wieder zusammengebaut. Dort lief sie dann im Februar 1915 erneut vom Stapel.

Anfang 2013 wird der nach dem Ersten Weltkrieg in Liemba umgetaufte Dampfer 100 Jahre alt. Er ist das Vorbild für das Kanonenschiff in dem Hollywood-Klassiker "African Queen" mit Humphrey Bogart und Katharine Hepburn. Mittlerweile hätte das Schiff eine Generalüberholung dringend nötig.

Die zwei Dieselmotoren, die 1993 von einer dänischen Entwicklungshilfe-Organisation statt der ursprünglichen Dampfmaschinen eingebaut worden sind, zerren nämlich arg an der Struktur des Schiffes. Doch ist man sich nicht einig darüber, ob es nun mit deutscher Entwicklungshilfe generalüberholt, oder aber mit Hilfe einer privaten Initiative wieder zurück nach Deutschland geholt und in Papenburg zum Museumsschiff werden soll.

Für Herrmann-Josef Averdung, Ratsmitglied in Papenburg und Enkel eines der Schiffsbauer von damals, ist die Sache klar. Die Liemba habe in Afrika ausgedient. Als Vorsitzender des Heimatvereins setzt er sich für die Rückholung ein. Dies freilich ist so einfach nicht. Mit heutiger Krantechnik und auf dem Schienenweg nach Daressalam, meint er, sollte es möglich sein, die einstige Graf Götzen zurück in die alte Heimat zu transportieren.

Die Liemba müsste dafür schrittweise zersägt werden. Die 625-PS-Dieselmotoren, 1993 mit dänischer Entwicklungshilfe installiert, könnten ausgebaut und das Interieur zerlegt werden. Mit einem Förderverein versucht Averdung seit einiger Zeit, großzügige Spender für das Vorhaben aufzutreiben.

Generalüberholung als Hilfe zur Selbsthilfe

Jochen Zerrahn, langjähriger Chefingenieur der Meyer Werft, hält das für eine verrückte Idee. Zumal erstmal überhaupt ein geeigneter Ersatz für das Schiff gefunden werden müsse, wenn es denn in einer eher tollkühnen Aktion zurück nach Mitteleuropa geschafft würde.

Passagierdampfer \"Graf Götzen\" um 1913

Der Passagierdampfer Graf Goetzen, erbaut im Jahr 1913 auf der Papenburger Meyer Werft, in einer zeitgenössischen Aufnahme (Foto undatiert). Das Schiff wurde nach Fertigstellung in Einzelteilen nach Afrika transportiert, um dort für den Dienst auf dem Tanganjika-See eingesetzt zu werden, auf dem es noch heute seinen Dienst tut. Im Film "African Queen" mit Humphrey Bogart und Katherine Hepburn gelangte es zu weltweiter Bekanntheit.

(Foto: ddp)

"Die Liemba ist ein ganz wichtiger Faktor im Verkehr auf dem See", sagt er. Nachdem er gemeinsam mit einer Delegation das Schiff 2010 ausführlich besichtigt hatte, lautet seine Empfehlung, die Liemba generalzuüberholen und "wieder so herzurichten, dass sie die nächsten 20 Jahre noch im Einsatz bleiben kann".

Der Umbau, so sein Konzept, solle mit tansanischen Arbeitern bewältigt werden. Diese müssten auf der Werft in Kigoma, möglicherweise auch in Deutschland ausgebildet werden. Ein Problem aber bliebe: Um den internationalen Sicherheitsstandards Genüge zu leisten, müssten die Passagierzahlen drastisch reduziert werden.

Die deutsche Entwicklungshilfe allerdings kommt nur schwer in Gang. Nachdem die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ein Gutachten in Auftrag gegeben hatte, war lange Zeit nichts aus dem Bundesministerium zu hören. Zudem war die Initiative zur Unterstützung der Liemba nicht auf offiziellem diplomatischem Weg in Gang gekommen, sondern ging auf einen länger zurückliegenden Vorstoß der niedersächsischen Landesregierung zurück. Während sich die niedersächsische Staatskanzlei weiterhin für die Angelegenheit stark machte, musste erst ein offizieller Antrag der tansanischen Regierung auf deutsche Unterstützung eingereicht werden.

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) steht nun wegen der Beträge, die für das Projekt notwendig wären, vor einer grundsätzlichen Entscheidung. Denn die sechs bis acht Millionen Euro, die nötig wären, um den Erhalt der Liemba und damit den Schiffsverkehr auf dem See nachhaltig zu sichern, fräßen einen großen Teil des Budgets auf, das nach Tansania fließt.

Entwicklungshilfe-Experten aber sind der Meinung, dass es nicht schlecht wäre, ein zielgerichtetes Projekt als Hilfe zur Selbsthilfe für die Afrikaner voranzutreiben, statt Geld nach dem Gießkannenprinzip zu verteilen. Frühestens im Oktober soll die Entscheidung fallen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: