100 Jahre Führerschein:Die bewegende Lizenz

Vor 100 Jahren verordnete Kaiser Wilhelm den Einheitsführerschein - eine Ausstellung in Düsseldorf beleuchtet seine Geschichte.

Marion Zellner

Er ist grau, rosa oder aus Plastik. Er ist die Lizenz zur motorisierten Fortbewegung oder Symbol für Autowahn, je nach Sichtweise - der Führerschein. Ob geliebt oder gehasst, seine Geschichte ist ein Erfolg: In Deutschland haben heute etwa 46 Millionen Menschen einen Führerschein. Wie viele Lappen, wie er im Volksmund trotz heutigem Scheckkartenformat noch immer genannt wird, seit seiner Einführung ausgestellt wurden, weiß niemand. Klar ist nur: Es gibt ihn seit genau 100 Jahren.

100 Jahre Führerschein: Alte Zeiten: Früher durften Frauen nur mit dem Segen des Ehemanns ans Steuer. Peter Niesen entschied das selbst.

Alte Zeiten: Früher durften Frauen nur mit dem Segen des Ehemanns ans Steuer. Peter Niesen entschied das selbst.

(Foto: Fotos: Archiv Hahn)

Am 3. Mai 1909 trat das "Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen" in Kraft. Kaiser Wilhelm II. verordnete eine rechtsverbindliche Regelung für das ganze Deutsche Reich. Zuvor gab es eine nahezu unüberschaubare Ausweisflut in den Fürsten- und Herzogtümern. Paragraf 2 stellte nun klar: "Wer auf öffentlichen Wegen und Plätzen ein Kraftfahrzeug führen will, bedarf der Erlaubnis der zuständigen Behörde. Die Erlaubnis gilt für das ganze Reich; sie ist zu erteilen, wenn der Nachsuchende seine Befähigung durch eine Prüfung dargetan hat und nicht Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, daß er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Den Nachweis der Erlaubnis hat der Führer durch eine Bescheinigung (Führerschein) zu erbringen ..." Die Fahrprüfung, die hauptsächlich aus Herumfahren bestand, nahmen Ingenieure, Beamte oder Polizisten ab. Im Führerschein wurden "die Fahrtauglichkeit durch Praxis" attestiert. Die theoretische Prüfung erfolgte mündlich.

Bis 1958 mussten Frauen ihre Männer um Erlaubnis fragen

Doch der Führerschein ist nicht nur die Lizenz zum Auto- oder Motorradfahren. Er ist viel mehr: So war er jahrzehntelang vermeintlich Ausdruck männlicher Kompetenz. Denn bis 1958, bevor das "Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts" am 1. Juli 1958 in Kraft getreten ist, mussten Ehefrauen ihre Männer um Erlaubnis fragen, ob sie den Führerschein machen durften.

"Am Führerschein kann man Zeitgeschichte im Alltag gut ablesen", sagt Mika Hahn. Der Historiker hat gemeinsam mit seinem Vater Fritz-Jürgen Hahn ein umfangreiches Archiv der Mobilität aufgebaut. Viele der mehr als 100 Exponate der 300 Quadratmeter großen Sonderausstellung "100 Jahre Führerschein - Ein Streifzug durch die Technik-, Politik- und Kulturgeschichte", die bis Ende Mai im Meilenwerk in Düsseldorf zu sehen sind, gehören dazu.

Der DDR-Führerschein gilt bis heute

Dort sind Papier-Zeugen aus den verschiedenen Zeiten zu sehen: zum Beispiel Führerscheine aus der DDR, die "politisch absolut korrekt", so Hahn, "Fahrerlaubnis" hießen, denn "das Wort Führer wollte niemand mehr lesen". Allerdings änderte sich das 1982, da wurde das Format der BRD übernommen - "in Hellrosa, fast Weiß" - und das Dokument wieder Führerschein genannt.

Wer an Führerschein denkt, kommt schnell auf Strafen. Auch hierfür hatte die DDR eine ganz eigene Lösung. Während es in der Bundesrepublik seit 1958 ein zentrales Verkehrsregister in Flensburg gab - die Verkehrssünderdatei -, mussten DDR-Autofahrer eine Stempelkarte mitführen. Bei fünf Stempeln war die Fahrerlaubnis weg. Übrigens: "Der DDR-Führerschein gilt - wie die alten grauen und rosa Dokumente der Bundesrepublik - bis heute", ergänzt Mika Hahn.

Auch die Entwicklung der Technik lässt sich am Führerschein ablesen. Zu Anfang waren Elektromotor, Dampfmaschine und Benzinmotor eingetragen. Heute gibt es insgesamt 16 verschiedene Führerscheinklassen für Motorrad, Pkw, Lkw, Bus und Sonderklassen - mit den Buchstaben "A" bis "T". Und die theoretische Prüfung kann am Computer abgelegt werden.

Den Führerschein mit 18 Jahren zu machen, gilt heute als Initiationsritus - als sichtbarer Eintritt ins Erwachsenenleben. Zu Zeiten Wilhelm II. war das noch einfacher. Obwohl der Chauffeur des Kaisers, Karl Krieger, vergaß, seine Lenkbefähigung von 1903 gegen den kaiserlich verordneten Einheitsführerschein umzutauschen - den Kaiser durfte er trotzdem fahren.

100 Jahre Führerschein - Ein Streifzug durch die Technik-, Politik- und Kulturgeschichte; Meilenwerk Düsseldorf, Harffstr. 110a; bis 31. Mai; Öffnungszeiten: Montag bis Samstag 8 bis 20 Uhr, Sonntag 10 bis 20 Uhr; Eintritt frei; www.meilenwerk.de

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