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Orte wie Oberhaching hätten zwar noch Platz für Neubürger, aber für die Stadtkassen ist die Ansiedlung von Unternehmen lukrativer. Foto: allessuper_1979/Adobe Stock
Wer in Oberhaching seinen Traum vom schöner Wohnen wahr machen will, muss tief in die Tasche greifen. Im südlichen Ausläufer des Landkreises München, von dem man dennoch relativ schnell in die Innenstadt kommt, werden für Wohnungen 15 bis 16 Euro Kaltmiete je Quadratmeter aufgerufen. Für Käufer sind Neubau-Doppelhaushälften kaum unter anderthalb Millionen Euro zu haben. Wenn überhaupt – denn attraktive Wohnflächen sind rar und gehen weg wie heiße Semmeln.
Doch nicht nur die Zuzügler zahlen einen hohen Preis. Teuer wird es auch für die Gemeinden. „Jeder Neubürger kostet uns rund 17.000 Euro“, sagt Stefan Schelle, Erster Bürgermeister von Oberhaching, und zählt die wichtigsten Ausgabenposten auf: Kinderbetreuung, Schulbetrieb, Erhalt und Ausbau von kommunalen Wohnflächen und Infrastruktur. Aber dafür bekommt die Gemeinde doch einen Teil der Einkommensteuer? „Ja“, sagt Schelle und klingt nicht viel glücklicher: „Im Schnitt 5.000 Euro je Bürger.“ Gewiss freue er sich über jede Neuanmeldung in Oberhaching. Auf der anderen Seite: Weise die Gemeinde ein neues Gewerbegebiet aus, für das keine barrierefreien Wohnungen gebaut, Radwege asphaltiert, Grünflächen angelegt und teure Schwimmbäder unterhalten werden müssen, dann könne sie je Arbeitsplatz rund 3.000 Euro Gewerbesteuer erwarten. Das klingt nach dem besseren Geschäft. Schelle nickt: „Mit der Ausweisung von Wohnungen bindet sich eine Gemeinde hohe Kosten für die Zukunft auf.“
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Das gilt nicht nur für Oberhaching, sondern im Prinzip für den gesamten Speckgürtel von München. Insbesondere in den Gemeinden des Landkreises München, der die Isarmetropole von drei Seiten umfasst, kosten Ein- oder Zweifamilienhäuser oft noch mehr als in der Stadt. Das liegt zum einen an der wachsenden Nachfrage nach mehr, schönerem, neuerem Wohnraum im Grünen, zum zweiten an den auch dort steigenden Bau- und Baunebenkosten und zum dritten an der nicht wegzudiskutierenden Tatsache, dass Boden ein endliches Gut und von daher knapp ist. Bis 2016 hielt der Landkreis München im Prognos-Zukunftsatlas die Spitzenposition unter allen Kreisen Deutschlands, die bayerische Hauptstadt war der ewige Zweite. 2019 hat sich das gedreht. Jetzt liegt München, die Stadt, vorn und könnte es angesichts der nachlassenden wirtschaftlichen Dynamik und der deutlich schlechteren demografischen Perspektive erst mal bleiben. Die anderen Anrainerkreise Münchens – Dachau und Fürstenfeldbruck im Nordwesten, Freising, Erding und Ebersberg im Nordosten – folgen erst mit weitem Abstand.
Für die nächsten 20 Jahre wird der Region München eine weitere Bevölkerungszunahme von rund 15.000 Einwohnern pro Jahr vorhergesagt. Christoph Göbel, Landrat im Landkreis München sieht daher keine Entspannung für den Wohnungsmarkt. Im Gegenteil: „Bis 2030 fehlen der Region rund 110.000 Fachkräfte“, sagt der Politiker. „Um diese für die lokale Wirtschaft zu gewinnen und langfristig zu binden, muss dringend bezahlbarer Wohnraum in ausreichender Menge geschaffen werden.“ Die Stadt und der Landkreis München mit seinen 29 Städten und Gemeinden könnten das nicht leisten, erklärt Göbel.
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Aber wer dann? Wie die Berliner Politik auf Brüssel deutet der Landrat auf die Metropolregion München: 33 Landkreise und kreisfreie Städte auf einer Fläche von rund 40.000 Quadratkilometern rund um München mit mehr als sechs Millionen Einwohnern und sieben Dax-Unternehmen. Denn es sei ja so, sagt Göbel, „dass Menschen, die zwar in der Landeshauptstadt arbeiten, dort aber nicht wohnen, häufig eher noch weiter von der Stadt weg wohnen und oft lange Pendelwege auf sich nehmen.“ Ziel müsse es daher sein, „eine noch stärkere Verflechtung der Landeshauptstadt und der umliegenden, stadtnahen Kommunen mit der übrigen Metropolregion zu erreichen. Wohnen, Leben und Arbeiten in unserer Region müssen attraktiver miteinander verbunden werden, auch wenn sie weiter entfernt voneinander organisiert sind.“ Mit dieser Forderung weiß er sich einig mit Stefan Schelle, der auch dem Regionalen Planungsverband vorsteht: „Wohnungsbau ist Aufgabe der gesamten Region.“
Um weit draußen wohnen und in München arbeiten zu können, braucht es einen engmaschigen öffentlichen Personennahverkehr und ein gut ausgebautes Straßennetz. Das ist die zweite große Herausforderung für die Manager des Münchner Umlandes. „Mobilität ist der Schlüssel, der Prosperität in den ländlichen Raum bringt“, sagt Stefan Schelle. Der öffentliche Personennahverkehr müsse zuverlässig und bezahlbar sein und sogar über dem rechnerischen Bedarf liegen, denn niemand wolle abends eine Stunde lang auf den Bus warten. Landrat Göbel setzt auf ein intelligentes und tragfähiges Mobilitätsnetz: „Unser Ziel muss die Intermodalität sein, also die reibungslose Verzahnung der unterschiedlichen bedarfsgerechten Mobilitätsformen miteinander.“ Einen Schritt dorthin haben Freistaat, Landkreise und MVV getan: Mit dem Fahrplanwechsel im Dezember bietet ein Ringbusnetz eine schnelle, tangentiale Verbindung rund um die Landeshauptstadt. Von Oberhaching kommt man dann zwar nicht schneller in die Innenstadt – aber immerhin nach Wolfratshausen.
Karen Engelhardt
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