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Vielfalt im Team ist heute erwünscht. Warum eigentlich?
Becker – Der Wunsch nach Diversity folgt dem Zeitgeist und der politischen Ideologie. Darüber hinaus ist Vielfalt eine gesellschaftliche Tatsache. Aber was will der Praktiker? Zufriedene Mitarbeiter mit hoher Bindung, wenig Konflikten und einer guten Teamleistung. Wer eine Behörde mit Menschen aus mehr als zehn Kulturen leitet, erlebt Diversity zwiespältig. Unterschiedliche Werte, Kommunikations- und Verhaltensweisen führen auch zu Spannungen.
Ganz vorne bei der Teambildung stehen Lebensalter, Geschlecht und Herkunft. Zu Recht?
Becker – Nein. Alter, Geschlecht und Herkunft sind nur oberflächliche demografische Merkmale der Verschiedenheit. In der Psychologie erforschen wir Diversity viel tiefer. Welche Werte haben Menschen, welche Persönlichkeit, welche Kompetenzen? Wie verhalten sie sich, wie gehen sie mit anderen um? Jemanden oft für Jahre in ein Team aufzunehmen, viele Stunden am Tag zu sehen, das ist fast wie eine Ehe. Da zählen innere Werte.
Im öffentlichen Dienst sind psychologische Tests nicht die Regel. Wie findet man heraus, ob jemand zum Team passt?
Becker – Kluge Fragen stellen, genau zuhören, sorgfältig hingucken und ehemalige Arbeitgeber kontaktieren. Nach wenigen Minuten Gespräch wissen wir, ob unser Gegenüber eher extrovertiert oder introvertiert ist. Man erfährt schnell, wie gründlich er oder sie arbeitet, ob sich jemand ins Team einordnet oder für sich die Hauptrolle fordert. Aber natürlich ist dieses Vorgehen anspruchsvoller, als angesichts äußerer Merkmale den Daumen zu heben oder zu senken.
Hält Diversität Konflikte im Zaum?
Becker – Die Forschungsdaten dazu stimmen mich skeptisch. Äußerliche Buntheit im Team führt tendenziell zu intensiveren Diskussionen und zu mehr Blickwinkeln. Für den Zusammenhalt, die Teamleistung und das Konfliktniveau sieht es aber nicht gut aus. Sehr unterschiedliche Charaktere und Sichtweisen machen Teams instabil. Man muss also sehr genau hinschauen. Diversität ist ein zweischneidiges Schwert.
Personalentscheidungen im Amt unterliegen oft Vorgaben. Wie begründet man den Fokus auf die inneren Werte, ohne als rückständig zu gelten?
Becker – Auch der öffentliche Dienst leidet unter dem Fachkräftemangel. Viele Leitende sind schon froh, wenn sie überhaupt Mitarbeiter finden, um die drängendsten Aufgaben zu bewältigen. In dieser Mangellage nach Stabilität im Team zu streben, ringt mir großen Respekt ab. Doch dafür sind eben nicht die offensichtlichen Unterschiede, sondern Persönlichkeit und Kompetenzen der Teammitglieder von entscheidender Bedeutung.
Waren sie das nicht schon immer?
Becker – Der Fokus auf äußere Merkmale als Eignungskriterium war ziemlich genau vor 200 Jahren schon mal in Mode. Damals hat man aus Schädelmaßen auf Charaktereigenschaften geschlossen. Eine moderne Perspektive blickt auf die inneren Werte. Je wissenschaftlicher wir Persönlichkeit und Kompetenzen erheben, je standardisierter und valider Auswahlprozesse sind, desto mehr Gleichbehandlung bei gleicher Eignung gibt es dann automatisch. Das ist der faire Weg.
Karen Engelhardt
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