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Ein Vorteil von Vielfalt besteht darin, dass langjährig erworbene Fachkompetenz auf jugendliche Digital- und Medienkompetenz trifft. Das könne dabei helfen, eine bürgerfreundliche Sprache zu entwickeln, erklärte Dr. Nicole Lang, Abteilungsleiterin im Staatsministerium der Finanzen und für Heimat. Foto: The Point of View Photography
Nicole Lang – Unsere Maßnahmen zur Gewinnung von Menschen mit Behinderung als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verzeichnen Erfolg. Die geforderte Quote von fünf Prozent haben wir zwar schon vorher übererfüllt, aber aufgrund des Generationenwechsels in der Belegschaft leider mit sinkender Tendenz. Das ist ein statistischer Effekt, weil die Zahl der Schwerbehinderten bei den älteren Jahrgängen einfach größer ist als bei den Jüngeren, die wir jetzt vermehrt einstellen. Wir berichten dem Bayerischen Landtag jedes Jahr über die Personalentwicklung im Freistaat und führen neuerdings auch Best-Practice-Beispiele auf. So werden in unserem letzten Bericht unter anderem die Ausbildung eines Anwärters mit einer Autismus-Spektrum-Störung in der Steuerverwaltung und die Beschäftigung von Menschen mit Hörbehinderung in der Vermessungsverwaltung mittels Unterstützung durch einen Kommunikationsdienst für simultanes Dolmetschen in Gebärdensprache dargestellt.
Patrick Veit – Es geht allgemein um einen Dreiklang aus Einkommen, Work-Life-Balance und intrinsischer Motivation. Natürlich muss die Bezahlung stimmen, das heißt, in manchen Bereichen muss man im Rahmen der Möglichkeiten mit Zulagen und anderen Benefits agieren. Die Work-Life-Balance muss sichergestellt werden, denn hiernach erkundigen sich Bewerberinnen und Bewerber mittlerweile oft als erstes. So wird gefragt, ob man vier Tage im Homeoffice oder in Teilzeit arbeiten kann – solche Möglichkeiten muss es dann einfach geben. Der dritte Faktor, um Personal zu gewinnen, ist die intrinsische Motivation. Hier kann der öffentliche Dienst mit der Sinnhaftigkeit seiner Aufgaben sehr gut werben. Speziell auf die Vielfalt bezogen sind Ansatzpunkte, Deutschkurse für Beschäftigte anzubieten, Spielräume bei ausländischen Berufsabschlüssen zu nutzen und ein städtisches Monitoring zu betreiben, um nur einiges zu nennen.
Der öffentliche Dienst müsse beim Personalmarketing sowohl die Vielfalt an Menschen, die bei ihm arbeiten, als auch die große Bandbreite an Aufgaben, die er bietet, noch viel stärker in den Vordergrund rücken, erläuterte Andreas Mickisch, Personal- und Organisationsreferent der Landeshauptstadt München. Foto: The Point of View Photography
Nicole Lang – Ein Vorteil von Vielfalt, um darauf noch einmal zurückzukommen, besteht darin, dass beispielsweise langjährig erworbene Fachkompetenz auf jugendliche Digital- und Medienkompetenz trifft. Das kann etwa dabei helfen, eine einfache und bürgerfreundliche Sprache zu entwickeln. Es fällt den Expertinnen und Experten oft schwer, in klaren Worten für ihren Bereich zu werben, weil sie die Fachsprache als Ausdruck ihrer Kompetenz verstehen. Junge Kolleginnen und Kollegen muss ich nicht davon überzeugen, gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern oder jüngeren Bewerberinnen und Bewerbern verständlicher zu kommunizieren. Hier können altersgemischte Teams viel erreichen.
„DIGITALES ARBEITEN UND MEHR HOMEOFFICE TRAGEN ZU EINER DEUTLICH HÖHEREN ATTRAKTIVITÄT DER ARBEIT IM ÖFFENTLICHEN DIENST BEI.“
Andreas Mickisch – Das setzt aber voraus, dass sie sich gegenseitig zuhören und sich die Älteren auch mal von den Jüngeren etwas sagen lassen. Was wir beim Personalmarketing noch viel stärker in den Vordergrund rücken müssen, ist nicht nur die Vielfalt an Menschen, die bei uns arbeiten, sondern die große Bandbreite an Aufgaben, die wir bieten können. Aus diesem Grund haben wir vor wenigen Monaten ein Corporate-Influencer-Programm gestartet, das sich vielversprechend entwickelt. Dafür haben wir Beschäftigte der Landeshauptstadt München gefragt, ob sie für die Stadt als Arbeitgeberin werben möchten. Dann haben wir sie entsprechend geschult, und seitdem berichten sie über Social Media regelmäßig von ihrem Arbeitsalltag, ihren Aufgaben, Projekten und Erlebnissen. Damit sprechen wir automatisch die richtige Sprache, erreichen die gleichaltrigen Zielgruppen und erhalten die beste Werbung, um junge Leute zu gewinnen. Die sehen nämlich auf diese Weise, dass in München, Nürnberg oder beim Freistaat die Menschen arbeiten, mit denen sie sich auch sonst treffen. Das hilft dabei, das in Teilen immer noch vorhandene Imageproblem des öffentlichen Dienstes zu überwinden.
Thorsten Brehm – Wir müssen allerdings darauf achten, authentisch zu bleiben. Wenn die gelebte Arbeitsrealität nicht zu den Bildern in unseren Werbeauftritten passt, ist die Fallhöhe für Enttäuschungen hinterher umso größer.
Gemeinwohlorientierung vor Profit – das Sinn- und Wertegetriebene der Arbeit im öffentlichen Dienst sei etwas, mit dem man vor allem die Angehörigen der Generationen Y und Z in Bewerbungsgesprächen überzeugen kann, waren sich Sandra Scholl, Thorsten Brehm und Kerstin Dübner-Gee (v.l.n.r.) einig. Foto: The Point of View Photography
Sandra Scholl – Der öffentliche Dienst könnte durchaus vom Generationenwandel profitieren, denn wir bieten vieles von dem, was junge Menschen suchen. Karriere und Gehalt standen früher mehr im Vordergrund, heute sind es dagegen Themen wie sinnstiftende Aufgaben und Wertschätzung. Eine nicht wertschätzende Unternehmenskultur ist mittlerweile ein Hauptkündigungsgrund. Neben Führungsverhalten, Gestaltungsspielraum und Work-Life-Balance achten jüngere Bewerberinnen und Bewerber darauf, ob sich der Arbeitgeber für Diversität, Gendergerechtigkeit, Nachhaltigkeit und ethische Praktiken einsetzt. Da sind öffentliche Arbeitgeber oft im Vorteil gegenüber der Wirtschaft, weshalb ich für die Zukunft durchaus optimistisch bin.
Patrick Veit – Wichtig ist, dass wir auf die Bewerberinnen und Bewerber zugehen, unabhängig davon, welcher Generation sie angehören. Wir müssen die Komfortzone verlassen, denn die Zeit, in der wir aus Hunderten von Bewerbungen auswählen konnten, ist größtenteils vorbei. Deshalb sollten wir nicht nur die bereits genannten Dinge umsetzen, sondern vor allem ein professionelles Recruiting betreiben. Gerade wenn man da zu langsam ist, entscheiden sich Bewerberinnen und Bewerber vielleicht für jemand anderen.
„DER ÖFFENTLICHE DIENST KÖNNTE DURCHAUS VOM GENERATIONENWANDEL PROFITIEREN, DENN WIR BIETEN VIELES VON DEM, WAS JUNGE MENSCHEN SUCHEN.“
Der Generation Z sagt man nach, besonders großen Wert auf die Sinnhaftigkeit der Arbeit zu legen. Frau Dübner-Gee, was fällt Ihnen bei jüngeren Bewerbern noch an Unterschieden auf?
Kerstin Dübner-Gee – Das Sinn- und Wertegetriebene unserer Arbeit ist sicher ein großer Unterschied. Dass die Max-Planck-Gesellschaft als Nobelpreisschmiede gilt, stellt für Arbeitnehmende auf allen Karrierestufen natürlich einen Anreiz dar. In spezifischen wissenschaftsstützenden Bereichen, wie etwa in der IT, haben wir dennoch größte Herausforderungen. Wir müssen künftig deutlich intensiver und kreativer über Anreize und Arbeitsbedingungen nachdenken. Das wird für uns kein bequemer Weg, zum Beispiel beim Thema geteilte Führung, die ich gerade in einem Referat bei uns verankert habe. Das ist für die Organisation mit mehr Aufwand verbunden, aber wenn wir Extrameilen wie diese für unsere Mitarbeitenden nicht gehen, sind wir immer weniger wettbewerbsfähig. Bei den Jüngeren fällt auf, dass sie sich immer weniger für Führungspositionen interessieren, weil für sie andere Themen wichtiger sind. Da stellt sich für uns schon die Frage, wie wir in dieser Generation Hochleistung fördern können. Mit alten Werten kommt man da nicht weiter, weshalb wir neue Lösungen entwickeln müssen.
Thorsten Brehm – Neben den bereits genannten Themenfeldern wie Sicherheit und Vielfalt der Aufgaben heben wir die Gemeinwohlorientierung hervor. Wer sich für die Mobilitätswende, mehr Klimaschutz oder gesellschaftlichen Zusammenhalt einsetzen möchte, ist bei uns an der richtigen Adresse. Fachkräfte zu sichern und neue zu gewinnen ist eine Kernaufgabe des Personalmanagements. Man muss sich an dieser Stelle aber auch ehrlich machen. Öffentliche Arbeitgeber und die Privatwirtschaft fischen alle in einem kleiner werdenden Teich von geeigneten Bewerberinnen und Bewerbern. Wir haben auch nichts davon, wenn wir beispielsweise den freien Trägern Erzieherinnen und Erzieher für unsere städtischen Einrichtungen abwerben. Dann habe ich zwar als Stadt die Stelle besetzt, aber das Problem ist nur verlagert. In den Bereichen, wo es möglich ist, müssen wir noch mehr in Prozessvereinfachung und Digitalisierung investieren. Nicht um Geld zu sparen, sondern um die Arbeitsbelastung unseres Personals zu reduzieren. Es muss sich bei uns niemand Sorgen machen, wegrationalisiert zu werden. Denn die Arbeit geht uns mit Sicherheit nicht aus. Bei den Fachkräften bin ich mir da nicht mehr sicher.
Sandra Scholl – Mit der häufig als Argument für den öffentlichen Dienst genannten Sicherheit werbe, ich ehrlich gesagt, ungern. Natürlich ist Arbeitsplatzsicherheit im Kontext der Arbeitgeberattraktivität ein gutes Argument. Zumindest für gestaltende Stellen suche ich jedoch eher Leute mit einer Startup-Mentalität und einer Persönlichkeit, die weniger sicherheitsorientiert ist. Mir ist aber selbstverständlich klar, dass das kein Widerspruch sein muss, denn ich bin ja selbst Beamtin, aber dennoch gehe ich kreativ und innovativ an Aufgaben heran.
Nicole Lang – Um jüngere Menschen zu gewinnen, müssen wir noch stärker betonen, dass wir wirklich ein sehr breites Spektrum an Aufgaben anbieten. Die Erwerbsbiografien werden künftig auch anders aussehen als noch bei uns. Dass jemand seine Ausbildung beim Freistaat macht oder nach dem Studium zum Freistaat kommt und dann sein Leben lang für uns arbeitet, wird für junge Leute nicht mehr so selbstverständlich sein wie heute. Wir honorieren aber auch die berufliche Erfahrung, die Quereinsteiger und Rückkehrer in den öffentlichen Dienst mitbringen. Aufgrund der Auswahlkriterien Leistung, Eignung und Befähigung bieten wir mit Blick auf Vielfalt einen diskriminierungsfreien Zugang sowie Aufstiegs- und Wechselmöglichkeiten. Die Vorstellung mancher Jüngerer, wonach man im öffentlichen Dienst 40 Jahre lang dieselbe Tätigkeit ausübt, hat mit der Praxis nichts zu tun.
Kerstin Dübner-Gee – Bei allen Bemühungen dürfen wir auch nicht aus dem Blick verlieren, was die Organisation benötigt. Wir diskutieren intern schon, ob Wohnungs- und Arbeitsort übereinstimmen müssen. In manchen Bereichen wie der IT geht das leicht, in anderen dagegen weniger.
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Mit seiner Gemeinwohlorientierung und vielen sinnstiftenden Aufgaben könnte es dem öffentlichen Dienst gelingen, vermehrt junge Leute für sich zu gewinnen. Da viele Ältere bald in Rente gehen, ist das auch dringend nötig.