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Pinakothek der Moderne

Glitch. Die Kunst der Störung

Glitch. Die Kunst der Störung

Kampagnenmotiv zur Ausstellung. Design: David Löwe, Lucas Hesse, Manuel Radde

Die große Sonderausstellung in der Pinakothek der Moderne

01.12.2023–17.03.2024

„Die Ausstellung versammelt Werke aus den vergangenen knapp einhundert Jahren. Das ist eine lange Zeit, in der kulturell und politisch viel passiert ist. Alle Künstler:innen der Ausstellung nutzen Elemente der Störung, um die Gemüter aufzurütteln und den Finger in die Wunden ihrer Zeit zu legen. Sie zeigen, wie schön ,Fehler‘ sind und welches kreative Potenzial in ihnen steckt. Sie zeigen, dass sie Chancen darstellen und dazu anregen, andere Perspektiven einzunehmen und neue Wege zu beschreiten.“ So fasst Franziska Kunze, Kuratorin der Sonderausstellung Glitch. Die Kunst der Störung, prägnant das Phänomen zusammen, das unendlich viele Facetten bereithält und in dieser Ausstellung erstmals von seinen Anfängen in Form von analoger Fotografie über frühe Video- und Soundkunst bis hin zu den digitalen Bildmedien und der Netzkunst beleuchtet wird. 

!Mediengruppe Bitnik und Sven König,The Art of Filesharing, 2006, 3-Kanal-Videoinstallation, Farbe, Ton, Dauer variiert (Videostandbild), Sammlung HEK (Haus der Elektronischen Künste Basel). Copyleft: Mediengruppe Bitnik & Sven König

!Mediengruppe Bitnik und Sven König,The Art of Filesharing, 2006, 3-Kanal-Videoinstallation, Farbe, Ton, Dauer variiert (Videostandbild), Sammlung HEK (Haus der Elektronischen Künste Basel). Copyleft: !Mediengruppe Bitnik & Sven König

There’s a Glitch in the Matrix

Verzerrt, verschwommen, verpixelt. Zerbrochen, zerknittert, zerkratzt. Erst wenn das Smartphone-Display zerspringt, die Radioübertragung knistert oder die Bilder im Videocall einfrieren, richtet sich unsere Aufmerksamkeit auf die Beschaffenheit der technischen Medien, die uns täglich umgeben.

 

Was erst seit Kurzem unseren zunehmend von Technologien bestimmten Alltag aufrüttelt, beschäftigt die Kunst bereits seit der Frühzeit der analogen Fotografie und findet heute ihren unmittelbaren Ausdruck in den digitalen Bildmedien, wo sie unter dem Begriff der Glitch Art zusammengefasst wird. Der Terminus „Glitch“ geht seinem Wortursprung nach auf das Frühneuhochdeutsche „glitschen“ (gleiten, gleiten lassen) sowie das Jiddische „gletshn“ (rutschen, weggleiten) zurück. Er wurde zunächst in den 1950er-Jahren im Fachjargon von Radio- und Fernsehtechniker:innen verwendet, tauchte bald darauf in der Raumfahrttechnik auf und beschreibt das unerwartete Ergebnis einer Fehlfunktion. Erst im Kontext von Computerspielen hält der Begriff seit den 1970er-Jahren als Bezeichnung für Programmier- oder Grafikfehler Einzug in den allgemeinen Sprachgebrauch. Schließlich, in den 1990er-Jahren und mit dem Aufkommen digitaler Bildtechnologien, formierte sich die Glitch Art als eine der jüngsten und unberechenbarsten Kunstbewegungen.

Wo fängt Glitch an, wie geht Glitch weiter?

Die Sonderausstellung „Glitch“ wird auf 1.200 qm Ausstellungsfläche in der Pinakothek der Moderne der Kunst der Störung als globalem Phänomen mit einem historischen Rückblick nachspüren. Die Ausstellung gliedert sich in vier Kapitel:

Kapitel 1: Born to Glitch

Mit Ende des 19. Jahrhunderts eroberten sogenannte Fotofehlerbücher die Buchregale und fächerten in Bild und Text das gesamte Spektrum möglicher Fehler samt ihrer Ursachen und Wege der Beseitigung auf. Dem erhobenen Zeigefinger der fotografischen Ratgeberliteratur zum Trotz wagten es im Laufe des 20. Jahrhunderts viele Künstler:innen, sich der Einhaltung etablierter Darstellungskonventionen zu widersetzen, Regeln zu brechen, Neues oder gar „Verbotenes“ auszuprobieren und Unfälle zu provozieren.

Marc Foucault, Fillette au piano, 1952, Silbergelatineabzug, 29,5 × 37,2 cm, Museum Folkwang, Essen. © Estate Marc Foucault

Marc Foucault, Fillette au piano, 1952, Silbergelatineabzug, 29,5 × 37,2 cm, Museum Folkwang, Essen. © Estate Marc Foucault

Heinz Hajek-Halke, Es war einmal eine aufblühende Stadt, um 1954, Silbergelatineabzug, 28,8 × 39,6 cm, Museum Folkwang, Essen. © Heinz Hajek-Halke Estate. Courtesy CHAUSSEE 36

Heinz Hajek-Halke, Es war einmal eine aufblühende Stadt, um 1954, Silbergelatineabzug, 28,8 × 39,6 cm, Museum Folkwang, Essen. © Heinz Hajek-Halke Estate. Courtesy CHAUSSEE 36

Kapitel 2: Loss of Control  

Das Aufkommen computerbasierter und digitaler Technologien bringt bald nach der Etablierung der Videokunst neue Tücken, aber auch Möglichkeiten der Bildfindung mit sich. Hier, in den 1990er Jahren und aus dem Geiste der Computerkunst heraus, entsteht die Glitch Art-Bewegung. Angestachelt von dem schier unerschöpflichen Potenzial, beginnen Künstler:innen den schmalen Grat zwischen Kontrollgewinn und Kontrollverlust zu erkunden. Häufig werden dabei Strukturen sichtbar, die hinter den zumeist makellosen Oberflächen von Bildtechnologien liegen.

Steina Vasulka,Violin Power, 1970–1978, 1-Kanal-Video, S/W, Ton, 9 Min. 19 Sek. (Videostandbild). © Steina Vasulka, courtesy Steina Vasulka und Berg Contemporary

Steina Vasulka,Violin Power, 1970–1978, 1-Kanal-Video, S/W, Ton, 9 Min. 19 Sek. (Videostandbild). © Steina Vasulka, courtesy Steina Vasulka und Berg Contemporary

Walter Ebenhofer, aus dem Zyklus: Schussbilder: Lichtsammlung Falschlicht, Kodak Ektachrome 100, 8 × 10 in., 1 + 10 Blatt, 2012_2014_2023, vier Schüsse Jagd-Armbrust_Tenpoint, 2012/2014/2023, 1 Verpackungsschachtel und 10 Farbdiapositive, je 20,3 × 25,4 cm, Leihgabe des Künstlers © VG Bild-Kunst, Bonn 2023

Walter Ebenhofer, aus dem Zyklus: Schussbilder: Lichtsammlung Falschlicht, Kodak Ektachrome 100, 8 × 10 in., 1 + 10 Blatt, 2012_2014_2023, vier Schüsse Jagd-Armbrust_Tenpoint, 2012/2014/2023, 1 Verpackungsschachtel und 10 Farbdiapositive, je 20,3 × 25,4 cm, Leihgabe des Künstlers © VG Bild-Kunst, Bonn 2023

Wolfgang Tillmans, Freischwimmer 52, 2004, aus: München Installation 1991–2004,

Kapitel 3: Twisted Worlds

Durch radikale Eingriffe in das jeweilige Medium oder lediglich durch subtile Perspektivwechsel werden wir in Welten eingeführt, die ansonsten unseren Augen verborgen blieben. Die künstlerischen Beweggründe sind ebenso vielfältig wie die bildnerischen Möglichkeiten: Immer aber nutzen Künstler:innen ihre Materialien und Medien entgegen ihrer vorgesehenen Gebrauchsweisen und kreieren unerwartete Bild- und Tonwelten.





Wolfgang Tillmans, Freischwimmer 52, 2004, aus: München Installation 1991–2004, 2005, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München, 2006 erworben von PIN. Freunde der Pinakothek der Moderne e.V., Courtesy Galerie Buchholz. © Haydar Koyupinar, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München

Timm Ulrichs, aus der Serie: Landschafts-Epiphanien, 1972/87, Silberfarbbleichabzug in Leuchtkasten, 80 × 100 × 10 cm, Museum Folkwang, Essen. © VG Bild-Kunst, Bonn 2023

Timm Ulrichs, aus der Serie: Landschafts-Epiphanien, 1972/87, Silberfarbbleichabzug in Leuchtkasten, 80 × 100 × 10 cm, Museum Folkwang, Essen. © VG Bild-Kunst, Bonn 2023

Kapitel 4: Critical Disruptions

Auch wenn Glitches mitunter als spielerische Bildmanipulationen unter Laien durchaus populär sind, findet ihre künstlerische Anwendung doch vornehmlich als kritische Intervention statt. Es geht um Themen wie ethnische Herkunft, Klasse und Religion, sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität wie auch die physischen oder psychischen Auswirkungen von Kriegen und nuklearen Katastrophen. Der Einsatz von Störungsmomenten bietet die Möglichkeit, gesellschaftspolitische Konflikte ans Tageslicht zu befördern, die unter der Oberfläche der fragilen Gesellschaftsmembran schwelen.

Jake Elwes,Zizi – Queering the Dataset, 2019, 1-Kanal-Video, Farbe, kein Ton, Loop, 135 Min. (Videostandbild), Leihgabe Künstler:in. ©Jake Elwes

Jake Elwes,Zizi – Queering the Dataset, 2019, 1-Kanal-Video, Farbe, kein Ton, Loop, 135 Min. (Videostandbild), Leihgabe Künstler:in. © Jake Elwes 

Ryoichi Kurokawa, ground, 2011, 3-Kanal-Videoinstallation, Farbe, Ton, 12 Min. (Videostandbild), Leihgabe des Künstlers. ©Ryoichi Kurokawa

Ryoichi Kurokawa, ground, 2011, 3-Kanal-Videoinstallation, Farbe, Ton, 12 Min. (Videostandbild), Leihgabe des Künstlers. © Ryoichi Kurokawa

Insgesamt 50 internationale Künstler:innen zeigen, wie wichtig es ist, Normen und eingefahrene Denkmuster zu hinterfragen, uns mit neuen, abweichenden Ideen zu konfrontieren und dabei nicht zuletzt Unsichtbares sichtbar zu machen.

Freuen Sie sich auf Werke von Erwin Blumenfeld, Monika von Boch, Kilian Breier, Nick Briz, Broomberg & Chanarin, Chargesheimer, Pierre Cordier, Inge Dick, Christian Doeller, Maya Dunietz, Walter Ebenhofer, Jake Elwes, Jamie Faye Fenton, Ralf Filges, William Forsythe, Marc Foucault, Heinz Hajek-Halke, Florence Henri, Fabian Hesse & Mitra Wakil, John Hilliard, Esther Hunziker, Gottfried Jäger, Arthur Jafa, JODI, Joan Jonas, André Kertész, Germaine Krull, Ryoichi Kurokawa, !Mediengruppe Bitnik und Sven König, Rosa Menkman, Ugo Mulas, Mame-Diarra Niang, Carsten Nicolai, Kazuma Obara, Nam June Paik, Jiang Pengyi, Sondra Perry, Sigmar Polke, Timm Rautert, Man Ray, Johanna Reich, Evelyn Richter, Pipilotti Rist, Barry Stone, ariella tai, Wolfgang Tillmans, Raoul Ubac, Timm Ulrichs, Steina Vasulka, Peter Weibel.

Nick Briz, A New Ecology for the Citizen of a Digital Age, 2009, 1-Kanal-Video, Farbe, Ton, 4 Min. 15 Sek. (Videostandbild), Leihgabe des Künstlers

Nick Briz, A New Ecology for the Citizen of a Digital Age, 2009, 1-Kanal-Video, Farbe, Ton, 4 Min. 15 Sek. (Videostandbild), Leihgabe des Künstlers

Let’s Glitch!

Im Rahmen eines facettenreichen Vermittlungs- und Veranstaltungsprogramms für Jung und Alt werden zahlreiche Kuratorinnenführungen mit verschiedenen Themenschwerpunkten angeboten. In einem deutsch- und einem englischsprachigen Artist Talk kommen verschiedene Künstler:innen der Ausstellung direkt zu Wort. Die in der Ausstellung aufgeworfenen Fragestellungen erfahren in Form von Performances und Konzerten eine räumliche wie inhaltliche Erweiterung. In Kooperation mit KINO DER KUNST wird ein Programmkino entwickelt, begleitet von einer Einführung in die jeweiligen Filme. Eine Glitch-Nacht im BLITZ Club rundet das Programm ausgelassen ab.

Pinakothek der Moderne
Sammlung Moderne Kunst

Barer Straße 40, 80333 München

+49 (0)89/2 38 05-3 60

Internet: www.pinakothek.de

E-Mail: info@pinakothek.de

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