Es ist schon eine echte Schau, wenn dieser Mann auf der Bühne steht: Loisach Marci, der im echten Leben Marcel Engler heißt, ist schon allein in seiner Werdenfelser Tracht eine beeindruckende Erscheinung. Wenn er aber loslegt mit seinem elektronischen Equipment, dem Alphorn und den unzähligen anderen Instrumenten, die er virtuos draufhat, gibt es erst recht kein Halten mehr. Weder bei ihm noch beim Publikum, das regelmäßig ausrastet, wenn die ersten Töne von Marcis „Alphorn-Techno“ durch die Boxen schallen. Über das Geheimnis des Alphorn-Klangs, den Zauber der Musik aus unterschiedlichen Elementen und die Inspiration durch die Landschaft seiner Heimat spricht er mit uns im Interview.
Marci, wenn du auf jemanden triffst, der noch nie etwas von deiner Musik gehört hat: Wie würdest du ihm erklären, was du da machst?
Loisach Marci: Alle Künstler haben wahrscheinlich das Gefühl, dass das einzigartig ist, was sie machen, aber ich denke, bei mir ist es wirklich so: Ich spiele unzählige alpine Instrumente und vermische das mit avantgarde-artiger Elektronik, ohne USB-Stick und ohne Computer. Bei mir stehen zum Beispiel Maschinen aus den 80er-Jahren auf der Bühne, da sind noch Röhren drin. Also Synthesizer-Retro, ähnlich wie bei der Band „Kraftwerk“. Die richtige Bezeichnung dafür wäre wahrscheinlich „Alphorn-Elektronik“, aber „Alphorn-Techno“ knackt einfach besser – und fasst vielleicht auch den Bruch aus Club-Gefühl und dem Blick in die Berge besser zusammen, was ja beides meine Musik ausmacht.

Der Loisach Marci live ist ein echtes Erlebnis. Auch er liebt die Stimmung, etwa auf der Oidn Wiesn, wo es ihm die „Atmosphäre auf und an der Bühne“ besonders angetan hat. Foto:Nico Schwarz
Wann war denn für dich der Moment, in dem du gemerkt hast, dass die Musik so richtig dein Ding ist?
Mein Vater war Generalmusikdirektor der Stadt Garmisch-Partenkirchen, das heißt, schon als Kind waren immer Musiker um mich herum. Musik war immer in der Familie und in mir. Aber es gibt so etwas wie ein Schlüsselerlebnis in meinem Leben: Irgendwann in meiner Kindheit war ich mit meiner Mama auf einem Sommerfest im Werdenfelser Land. Sechs oder sieben muss ich da gewesen sein. Und damals konnte ich schon relativ gut Mundharmonika spielen. Sogar einen Blues hab ich da schon drauf gehabt. Dann sind wir in dieses Festzelt rein, und da hat eine Band gespielt, die meine Mutter gut gefunden hat: Die „Hot Dogs“. Die haben mal den Hit gehabt „Ja, so warns die alten Rittersleut“. Ich hab mich dann die ganze Zeit schon vorne an der Bühne rumgedrückt, und als der Sänger von der Band in der Pause runtergekommen ist, um eine Zigarette zu rauchen, hat meine Mama gesagt: „Jetzt gehst mal hin und fragst, ob Du mal mitspielen darfst“. Meine Mundharmonika hab ich ja eh immer dabei gehabt und dann hab ich tatsächlich meinen ganzen Mut zusammengenommen und hab ihn gefragt. Und er meinte dann so: „Spui‘ amoi!“. Dann hab ich meine Mundharmonika rausgenommen und hab losgelegt. Der hat riesige Augen bekommen, hat mich wortlos an der Hand mit auf die Bühne genommen, und mich der Band vorgestellt. Ich musste dann nochmal ein bisschen was spielen, die haben sich auf eine Tonart geeinigt und haben plötzlich mit ihrem Dixieland-Sound losgelegt. Der Sänger hat mir das Mikro hingestellt, und da haben schon alle im Zelt hoch auf die Bühne geschaut, das habe ich gemerkt. Ich habe gespielt und als ich fertig war, sind wirklich alle im Zelt aufgestanden. Das war der Moment, in dem ich gecheckt hab: Das ist es! Das will ich machen. Dieses Gefühl war so besonders, das lässt einen nie wieder los.

Neben seiner Offenheit für unterschiedlichste Musikrichtungen zeichnet den Loisach Marci eine tiefe Verbindung mit der heimatlichen Natur aus. Foto: Jörg Hoffmann
Du spielst über zehn Instrumente. Wie geht das? Wie kann man sich all das beibringen?
Ich sage immer: Ich spiele nur ein Instrument. Ich spiele immer nur mich. Denn es geht gar nicht darum, wie das Instrument klingt. Die Frage ist: Wie klingst Du? Das ist für mich so wichtig, dass das mit dem Menschen zu tun hat. Ich habe kein Instrument richtig lernen müssen und habe auch nie Unterricht gehabt. Das ist ähnlich wie bei einem Handwerker. Der hat von Haus aus ein gewisses Talent und dann greift er zum Werkzeug. Das ist dann erstmal egal, welches das ist – es muss nur der Sache dienen, an der er gerade ist. Wenn ich jemanden mit einer schönen Trompete begleiten muss, dann weiß ich, was ich da jetzt machen muss. Genauso wenn bei einem Rave richtige Party-Stimmung angesagt ist, da kann ich mich extrem gut drauf einstellen. Wir als Künstler müssen die Leute einfach gut unterhalten und ihr Herz berühren, mehr braucht es nicht.
Da hättest du ja einfach auch bei den traditionellen Instrumenten bleiben können. Aber jetzt kombinierst du zum Beispiel das Alphorn mit Techno-Sound – wie ist es dazu gekommen?
Das war vor elf Jahren. Da ist ein Veranstalter auf mich zugekommen, und hat mich gefragt, ob ich bei einem Festival ein bisschen Alphorn spielen könnte, so für die Leute, wenn die auf dem Gelände ankommen. Ich fand das war eine richtig gute Idee, bin also da hin, aber da waren dann gleich so viele Leute, dass der Veranstalter einen DJ gebeten hat, auf der Bühne schon mal was aufzulegen. Währenddessen habe ich meinen Soundcheck gehabt, und dann hat der DJ mit so einem typischen Techno-Beat losgelegt. Ich blase in das Alphorn rein, mit diesen langen, ruhigen und erdigen Tönen, wir haben es auf die Soundanlage genommen und haben alle gemerkt, dass diese Mischung was richtig Krasses ist, weil auch das Publikum sofort so gebannt auf die Bühne geschaut hat. Das hat auch etwas mit dem Geheimnis des Alphorns zu tun, denn der Klang seines Grundtons hat eine ähnliche Wirkung wie fließendes Wasser auf uns. Das fließt nämlich immer in der Tonart F, wie mir jemand erklärt hat, der sich wissenschaftlich damit befasst hat. Die tieferen Töne haben eine körperliche Wirkung auf uns und für manche ist das bei meinen Konzerten sogar fast schon meditativ.
Wenn jemand den Fluss seiner Heimat, also die Loisach, zum Bestandteil seines Künstlernamens macht, kann man davon ausgehen, dass die Umgebung eine große Wirkung auf sein Schaffen hat, oder?
Auf jeden Fall. Ich sag ja auch immer: Der Sound kommt aus der Felsenwand. So eine Felswand wie der Wetterstein hat so etwas Krasses, Hartes, Brutales. Und das ist etwas, das ich auch bei meiner Musik fühle. Das heißt, sie kommt einfach so direkt aus mir raus. Das Werdenfelser Land ist meine Heimat, und das holt mich selber oft ab, wenn ich merke, wie schön wir es hier haben. Und die Loisach ist natürlich ein ganz magischer Ort für mich. Da hab ich auch mal ein fast spirituelles Erlebnis gehabt. In einer schwierigen Zeit, als ich verschiedene private Probleme gehabt habe. Da bin ich in der Loisach drin gestanden, das Wasser kam auf mich zu, und man hat ja immer das Gefühl, es reißt Dich gleich weg. Aber dann ist der Gedanke aufgekommen: Schau, es könnte Dich wirklich wegreißen, aber es fließt ja doch weiter. Das war für mich ein ganz besonderer Moment. Ich habe das wie eine Sprache des Wassers empfunden, zu wissen, dass es einfach weiterfließt, egal wie sehr es an mir reißt. Und ich bin auch gern in Griesen draußen. Da wird das Land ganz flach, so ein bisschen wie in Kanada. Da spüre ich Freiheit und lasse einfach alles an mir vorbeiziehen. Richtig gern bin ich auch am Pflegersee, unterhalb vom Königsstand. Oder in Grainau. Gegenüber von der Zugspitze gibt es eine Krieger-Gedächtnis-Kapelle und von dort oben hat man einen Ausblick, der ist Wahnsinn.

Die tiefen, langen Töne seines Alphorns kombiniert Loisach Marci mit pulsierendem Sound. Sein „Alpen-Techno“ begeistert viele Menschen live, aber auch auf sein neues Album „Legacy“ darf man sich freuen. Foto: Nico Schwarz
Es hat jetzt lange kein neues Album von dir gegeben, weil du das Gefühl hattest, den ganz speziellen Klang und den Spirit, der deine Live-Auftritte auszeichnet, nicht ins Studio transportieren zu können. Das hat sich jetzt geändert – voraussichtlich im November gibt‘s eine neue Platte. Was kannst du uns darüber verraten?
Wir haben die Entscheidung getroffen, wie früher in den 60er- und 70er-Jahren ins Studio zu gehen. Das heißt für mich, dort live zu spielen, und dafür habe ich mich richtig gut vorbereitet und extrem viel geübt. Mit dem Alphorn und der Elektronik. Was können geile Übergänge sein? Was kommt wohin? Das waren so die Fragen. Und dann habe ich das komplette Equipment und die ganzen Instrumente im Studio aufgebaut. In einer Drei-Tages-Session haben wir dann 17 Songs aufgenommen. Da ist vielleicht mal ein Schlag zu laut oder irgendwas nicht ganz so tight, aber die Energie ist unglaublich gut. Es wird auch ein paar skurrile Sachen auf dem Album geben, so eine Art Hörspiel zum Beispiel, denn genau das reizt mich: Wenn jemand, der die Platte hört, Zugang zu etwas bekommt, das er vorher vielleicht noch nie so gehört hat. „Legacy“ wird sie heißen, und es ist für mich auch wirklich die „Loisach-Legacy“, weil ich keine Ahnung habe, ob es so was in der Art nochmal geben wird.
Das Gespräch führte Kai-Uwe Digel.
Kein Auftritt vom Loisach Marci ist wie der andere. Auch bei der Release-Tour wird es viele Highlights geben.
Foto: Nico Schwarz
Loisach Marci live
Zum Erscheinen des Albums im November 2025 soll es eine eigene „Release-Tour“ geben, die bis ins kommende Jahr dauern wird. Aber auch schon vorher gibt es einige Gelegenheiten, den „Alphorn-Techno“ von Loisach Marci live zu erleben. So zum Beispiel am 11. Juli 2025 beim „Beach Open Air“ in Erding, am 2. August 2025 beim „Brass Wiesn Festival“ in Eching, am 13. September 2025 beim „Bergluft Festival“ in Tegernsee, oder am 4. Oktober 2025 auf der „Oidn Wiesn“ im Rahmen des Münchner Oktoberfests. Übrigens ein Auftritt, auf den sich Marci immer besonders freut, weil er dort mit so vielen anderen gleichgesinnten Musikern zusammenkommt und die Stimmung, wie er sagt, „auf und an der Bühne so besonders ist“.
kud
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