Elf Uhr vormittags war Zeit für das Ritual. „Do you think it‘s too early for a little gin?“, pflegte die britische Großmutter einer Freundin zu fragen. Da ahnte noch niemand, dass Gin ab den 1990er-Jahren die Welt im Sturm erobern würde, auch die kleine Welt im niederbayerischen Bodenmais, wo bereits die Urgroßeltern der jetzigen Betreiber des Bodenmaiser Hofs eine Limonaden- und Malzbierbrauerei führten. Sie stellten alkoholfreies Bier her (was ja irgendwie Malzbier ist) und Kracherl, die bayerischen Limonaden. Es gab aber kein Brennereirecht auf dem Haus, wie es andernorts oft der Gin-Destillerie zugrunde liegt. Der heutige Seniorchef, Wolfgang Geiger, der mit seiner Frau Anita 1961 den Betrieb und dessen Ausbau übernommen hatte, kam durch einen Glücksfall an die Lizenz und entwickelte sich fortan zum leidenschaftlichen Brennmeister. Nach etlichen Jahren mit Zwetschgengeist, Likör & Co. machte er sich an den Wacholderbrand – so lautet die Übersetzung des niederländischen Wortes „jenever“, ist Holland doch das Ursprungsland des Gin.

Brennmeister mit Leib und Seele: Seniorchef Wolfgang Geiger hat den Rundai Gin einst aus der Taufe gehoben. Foto: Woidlife/Marco Felgenhauer
Und man muss sagen, sein Rundai Gin, benannt nach dem Hausnamen, wurde eine ebenso runde Sache wie die Edelbrände, die er nach wie vor produziert. Der erste Gin (Rundai Gin 57) ist seiner Frau gewidmet, der zweite gewissermaßen ihm selbst (Rundai Gin 51). Anlässlich eines weiteren Jubiläums, nämlich der 100 Jahre des Bodenmaiser Hofs, schuf er einen Gin-Klassiker, bei dem die Wacholdernote eindeutig dominiert. „Ohne Wacholder kein Gin“, merkt seine Tochter Sandra an, die mit ihrem Mann Anton inzwischen den Betrieb leitet und den Rundai Gin liebt, wie sie selbst sagt. Für sie und ihr empfindliches Verdauungssystem sei der hauseigene Gin die reinste Medizin. Kein Wunder, dass sie den 100er am meisten mag und ihn auch am liebsten pur trinkt.
Nun ist es aber auch so, dass der Reiz des modernen Gins nicht ausschließlich im Wacholderaroma steckt, zumindest nicht nur. Es gibt viele verschiedene sogenannte Botanicals, Aromaträger, die für die geschmackliche Vielfalt des Gins sorgen, darunter heimische Bergkräuter und Heilpflanzen wie Arznei-Engelwurz, aber auch exotische Pflanzen wie Yuzu, eine Zitrusfrucht aus Asien, Ingwer, Koriander und Lotusblätter. Auch mediterrane Blüten und Kräuter wie Lavendel, Orangenblüte und Rosmarin stehen für besondere Gin-Noten.

Im Bodenmaiser Hof kann man den hauseigenen Gin auch in der Rosé-Variante genießen. Foto: Christoph Ruhland
Welche Botanicals – außer Wacholder – verwenden die Geigers denn für ihre Rundai-Gins? Das verrät Sandra Geiger-Pauli nicht, denn die Zusammensetzung der Gewürze, Kräuter, Schalen und Beeren ist Betriebsgeheimnis. Aber sie kann sagen, dass 30 verschiedene pflanzliche Aromaträger in den Bodenmaiser Gin wandern. Der 51er-Gin punktet mit Zitrusnoten, die sich gut mit einer Gurkenscheibe im Glas vertragen, der 57er ist beeriger und der 100er wie schon gesagt der wacholdige Klassiker im Hause Rundai. Rosa Gin ist wie Rosé Champagner eine Besonderheit, die besonders gut in die Oma Rosa Bar passt, die Hotelbar, die wiederum ganz in Rosa gehalten ist inklusive der Rosentapeten. Rosa hieß auch die verehrte Großmutter, deren Mann bereits mit 46 Jahren verstarb und die daraufhin den Betrieb, eine Baustelle plus drei Kinder allein managen musste. Ihre Enkelin würde nie vergessen, sie im Gespräch zu erwähnen.
Bettina Rubow
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