Sommelier? Hat so jemand nicht mit Wein zu tun? In der Tat. Doch mittlerweile gibt es nicht nur Experten für kostbare Rebensäfte. Ob Wein, Käse oder eben auch Fisch: Was Sommeliers in allen Bereichen gemeinsam haben, ist das jeweilige Fachwissen, das mehr als fundiert ist, und ihre intensiv geschulte Wahrnehmung, mit der sie Qualität und Zustand der Produkte beurteilen können.
Ein solcher Experte in Sachen Frischfisch ist David Käser von der Fischerei Tegernsee. Diese liegt direkt am See hinter Kloster und Brauhaus und ist im Besitz des Hauses Wittelsbach, während das Fischereirecht beim Freistaat Bayern liegt. Ihre Inhaber haben zum Teil bereits ihre Ausbildung hier absolviert und danach mit Engagement und Fleiß den Betrieb ausgebaut. Heute versorgen sie gemeinsam mit der Herzoglichen Fischzucht in Wildbad Kreuth die ortsansässige Gastronomie sowie private Kundschaft. Die Qualität an heimischem und Meeresfisch ist kaum zu überbieten – das hat sich auch in der Spitzengastronomie herumgesprochen. Dort ist David Käser im Wortsinn ein gefragter Mann.
Herr Käser, seit wann gibt es den Beruf Fischsommelier/Fischsommelière?
David Käser: Seit 2017, seit 2018 darf ich mich so nennen. Also ganz frisch wie der Fisch.
Welche Voraussetzungen sind denn für diese Fortbildung nötig?
Man braucht mehrere Jahre Berufserfahrung und/oder eine Ausbildung in den einschlägigen Bereichen, den Abschluss macht man dann bei der IHK. Mit dem Fischsommelier will man Personen, die mit Fisch arbeiten, an der Fischtheke, in der Verarbeitung sowie der Gastro, ermöglichen, ihr Fachwissen zu vertiefen. Das ist beim Meeresfisch sowie Krusten- und Schalentieren auch absolut sinnvoll. Außerdem ist die Ausbildung zum Fischwirt nur an einem Gewässer möglich – das kommt für einen Münchner nicht in Frage.

Sein Job verlangt Vielseitigkeit: Fischsommelier David Käser beim Verkauf. Foto: Bettina Rubow
Sie kommen aus einem musikalischen Münchner Elternhaus, was hat Sie denn auf den Fisch gebracht?
Vielleicht die Tatsache, dass ich gegenüber vom Fischhäusl am Wiener Platz aufgewachsen bin? Mich hat Fisch schon immer fasziniert, mit 15 habe ich den Angelschein gemacht und dann später das Speerfischen für mich entdeckt. Mit der Harpune fischen ist in Deutschland verboten, ich hab’s dann im Urlaub in Italien gemacht. Generell ist der Fischfang in Deutschland besonders reglementiert.
Und dann werden große Fische auf Insta hergezeigt wie Trophäen?
Ja, Anglerstolz, vielen geht’s da tatsächlich nur ums Jagdglück, nicht um den Geschmack. Einmal hatte ich eine besonders schöne Bernsteinmakrele, die hält man dann so in die Kamera, dass sie noch größer wirkt als in natura. Dafür muss man aber auch lange im Wasser warten, mit Schnorchel und Taucheranzug, aber ohne Sauerstoffflasche, damit die Fische zu dir kommen. Man braucht im Wortsinn einen langen Atem, weil man die Luft anhält, bis der Fisch nah genug ist. Ich verwerte aber grundsätzlich den ganzen Fisch, Schuppen und Innereien wandern als Futter gleich wieder ins Meer, die Filets genießen wir direkt oder ich friere sie ein, und aus der Karkasse wird eine Suppe.
Welche Fische genau werden denn heute im See gefangen?
Renke, auch Felchen genannt, Hecht, Seeforelle, Seesaibling, vereinzelt Barsch, leider wenig Zander, obwohl wir ihn jedes Jahr wieder neu einsetzen in den See. Das Wasser im Tegernsee hat Trinkwasserqualität und ist nährstoffarm, das bedeutet für die Fische weniger Nahrung.
Fährt ein Fischsommelier denn überhaupt raus auf den See?
Ja schon, ich sitze hier ja auch direkt an der Quelle. Man darf sich einen Fischsommelier auf keinen Fall verwöhnt vorstellen, Zwölfstundentage auf den Beinen sind die Regel. Ich habe etliche Lehrjahre an unterschiedlichen Stellen in München absolviert, Fischhäusl, Fisch Witte – da lernt man Fischeschlachten und -ausnehmen und vor allem auch die Unterschiede in der Behandlung von, sagen wir, Steinbutt, Seezunge und Thunfisch. Für uns Fischprofis zählt vor allem der handwerkliche Aspekt. Das Ausnehmen, Filettieren und Räuchern, das muss man lernen und das übt sich mit den Jahren. Ein Fischsommelier muss perfekt und rasch filetieren können.
Ihr Lieblingsfisch aus dem Tegernsee?
Für mich ist die Seeforelle mit ihrem feinen festen Fleisch der hochwertigste Süßwasserfisch aus dem See. Meeresfische sind geschmacklich generell überlegen, würde ich sagen, da mag ich Zackenbarsch und Meerbarben mit ihrem leicht süßlichen Geschmack.

Die Fischerei liegt gleich hinter Kloster Tegernsee. Foto: Bettina Rubow
Und Ihr Räucherfisch?
Der kommt in der Früh von sechs bis neun in den Rauch, ganz traditionell über Holzfeuer. Beim einheimischen Fisch ist der geräucherte Saibling unser Topprodukt, saftig, leichtes Raucharoma, das den zarten Fisch nicht erdrückt. Der kommt nicht nur im Bräustüberl auf die Teller, sondern auch im Hotel Überfahrt und in den Egerner Höfen. Mal mit einer Halben, mal mit Champagner.
Was tun Sie, um die natürliche Population im See zu erhalten?
In Bad Wiessee, wo auch unser Bistro ist, gibt es ein Bruthaus. Teil der Ausbildung hier ist die Brutpflege der Seesaiblinge, Renken und Seeforellen. Das ist gar nicht so einfach, nur ein kleiner Teil der Rogen kommt überhaupt durch beziehungsweise wird durch die männliche Milch befruchtet und wächst heran. Das Bruthaus unterstützt diese Prozesse und sorgt auch für den Seeforellenbesatz im Königssee. Damit ist sehr viel sehr sorgfältige Arbeit verbunden.
Was zeichnet einen Fischsommelier im Vergleich zum Fischverkäufer oder auch zum Fischer aus?
Das breite Wissen über Fisch, Meeresfrüchte und Feinkost. Ein zentraler Teil der Prüfung ist die Sensorik. Das muss man sich als praktischen Teil vorstellen, in dem es um die Beurteilung von Geschmack, Geruch, Frische und Qualität geht. Optik und Struktur des Fleischs spielen eine Rolle und die Unterschiede zwischen wild gefangenem und gezüchtetem Fisch. Das zeigt sich im Verhältnis von Kopf und Körper, aber auch in den größeren Flossen von Wildfischen, die sich durch mehr Strömung durchkämpfen müssen. Und: einem Fischsommelier würde es nie passieren, dass er eine Seezunge für eine Fischsuppe in Stücke schneidet…
Die meisten Leute können höchstens Kabeljau von Lachs unterscheiden, wie ist das bei Ihnen?
In unserer Kundengruppe gibt es schon ein breites Wissen über Fisch und wie unterschiedlich er zubereitet wird und schmeckt. Saibling und Renke stehen ganz oben in der Beliebtheit, bei den Meeresfischen ist es der Wildfang von Seeteufel, Steinbutt und Kabeljau, die schmecken delikater, weil sie in der Wildnis langsamer wachsen und nicht so fett sind.

Ceviche, ursprünglich ein peruanisches Fischgericht, lässt sich hervorragend mit Saibling machen, sagt David Käser. Foto: Bettina Rubow
Hat eigentlich jeder See eine spezielle Zusammenstellung von Fischarten? Bei Ihnen ist mir die Rutte aufgefallen?
Ja, die Rutte kommt tatsächlich nicht überall vor. Sie bevorzugt kühle, klare und sauerstoffreiche Gewässer und ist der einzige dorschartige Süßwasserfisch, ein toller, sehr besonderer Fisch, der auch wegen seiner Leber als Delikatesse gilt. Wir fangen ihn für ausgewählte Gastronomen im Tal.
Das Gespräch führte Bettina Rubow.
Das könnte Sie auch interessieren
Die Süddeutsche Zeitung ist weder für den Inhalt der Anzeigen noch die darin enthaltenen Verlinkungen noch für ggf. angegebene Produkte verantwortlich.