Coronavirus:So funktioniert die Krankenhausampel in Bayern

Corona-Intensivstation in der München Klinik Schwabing, Schwabinger Krankenhaus

Maßstab für die Anti-Corona-Maßnahmen in Bayern ist ab sofort die Belastung der Kliniken durch die Pandemie.

(Foto: Florian Peljak)

Die Inzidenzzahlen sind nicht länger allein entscheidend für die Corona-Maßnahmen in Bayern, es kommt auf die Auslastung der Krankenhäuser an. Wo gibt es die Zahlen und was ändert sich bei Gelb oder Rot? Ein Überblick.

Von Johann Osel und Christian Sebald

Der Corona-Spezialist am Klinikum München-Schwabing und Pandemie-Berater der Staatsregierung, Clemens Wendtner, begrüßt die neue Krankenhausampel. "Angesichts der steigenden Impfzahlen hat sich die Aussagekraft der Sieben-Tages-Inzidenz aufgeweicht", sagt Wendtner. "Was jetzt wirklich interessiert, ist die Belastung der Kliniken durch die Pandemie."

Hierfür sei die Ampel ein wichtiges Instrument. Schon zuvor hatten andere Klinikchefs die Abkehr von der Inzidenz gelobt. "Letztlich ist ja das Entscheidende nicht, ob die Menschen Corona bekommen, sondern wie stark die Krankenhäuser belastet sind", sagte etwa der Werkleiter des Klinikums Passau, Stefan Nowak. Der Infektiologe und Pandemie-Beauftragte des Klinikums rechts der Isar in München, Christoph Spinner nannte die Ampel ebenfalls eine "sinnvolle Maßnahme".

Die neue Krankenhausampel macht die Auslastung der bayerischen Kliniken mit Corona-Patienten zum zentralen Maßstab für Corona-Maßnahmen. Sie wird denn auch im täglichen Status-Bericht des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) an erster Stelle angeführt.

Die Ampel wird auf Gelb gestellt, wenn bayernweit binnen sieben Tagen mehr als 1200 Patienten wegen einer Corona-Erkrankung neu in Kliniken aufgenommen werden müssen. Die Konsequenzen: Statt der einfachen medizinischen Masken müssen die Menschen etwa wieder FFP2-Masken tragen. Der Mindeststandard für Coronatests wird auf PCR-Tests angehoben. Außerdem werden neue Personenobergrenzen sowohl für öffentliche als auch für private Veranstaltungen eingeführt.

Auf Rot schaltet die Ampel, wenn mehr als 600 Corona-Patienten auf Intensivstationen in Bayern behandelt werden. Bislang ist freilich unklar, welche Anti-Corona-Maßnahmen dann gelten sollen. Die Staatsregierung will erst darüber entscheiden, wenn die Grenze tatsächlich gerissen wird.

Einen klassischen Lockdown soll es laut Staatsregierung nicht mehr geben. Nicht auszuschließen ist aber etwa, dass bei Rot die Schulen in den Blick geraten. Kultusminister Michael Piazolo (FW) hielt am Dienstag nach dem Kabinett am Ziel des dauerhaften und flächendeckenden Präsenzunterrichts fest, sagte aber auf Nachfrage: "Wir wissen noch nicht, was uns erwartet."

Sowohl Gelb als auch Rot sind so bemessen, dass sie die bisherigen Höchstzahlen von Corona-Patienten in den Kliniken deutlich unterschreiten. Bei den Krankenhauseinweisungen binnen sieben Tagen lag der bisherige Höhepunkt bei etwa 1750 Patienten. Und auf den Intensivstationen sind ungefähr 800 Corona-Intensivpatienten bayernweit als das "versorgungskritische Maximum" anzusehen, also als die Grenze für die Belastbarkeit der Kliniken.

Trotz steigender Infektionszahlen steht die Krankenhausampel aktuell komplett auf Grün. Laut LGL von Donnerstag, 14 Uhr, sind in den vergangenen sieben Tagen 233 Corona-Erkrankte neu in den bayerischen Klinken aufgenommen worden. Die sogenannte Sieben-Tages-Hospitalisierungs-Inzidenz je 100 000 Einwohner hat damit 1,77 betragen. Viel einprägsamer ist freilich, dass Gelb um 967 Patienten unterschritten wurde. Die Situation auf den Intensivstationen ist ebenfalls entspannt. Unter Bezug auf das Divi-Intensivregister meldete das LGL bayernweit 165 Patienten, die wegen Corona auf einer Intensivstation behandelt werden. 85 müssen invasiv beatmet werden. Rot wird aktuell also um 435 Patienten unterschritten.

Die Stufe Gelb berücksichtigt auch Long-Covid

Corona-Spezialist Wendtner hält die Zweistufigkeit der Ampel ausdrücklich für gut. "Gelb greift einfach früher", sagt er. Wenn die Zahl der Klinikeinweisungen entsprechend hoch geht, hat man noch einen Vorlauf für Gegenmaßnahmen, bevor sie nach drei oder vier Wochen auf die Intensivstationen durchschlägt. Ministerpräsident Markus Söder argumentierte ähnlich. Beatmungsfälle seien zwar "der entscheidende Faktor", die normalen Betten korrelierten aber damit, zeigten entsprechenden Vorlauf an, wenn es ernster würde.

Gelb berücksichtigt zugleich den Faktor Long-Covid, eben weil es alle Patienten einbezieht, die wegen Corona in eine Klinik müssen. Wie sehr gerade auch Long Covid die Regierung umtreibt, hat sich am Mittwoch gezeigt, als Söder im Landtag darauf zu sprechen kam. Er schilderte Fälle von oft auch jüngeren Menschen, die dadurch aus ihrem Leben und ihren Berufen herausgerissen wurden. Wie das Ziel, Leben zu retten, gehöre es auch zu den "Schutzgütern" und zum Auftrag der Politik, die Bevölkerung "vor Schaden zu bewahren". Long-Covid könne "jeden treffen und es ist völlig unklar, wer es bekommt".

Zwar ist die Inzidenz nun "ohne Rechtsfolgen". Aber sie hat nicht völlig ausgedient. Und zwar nicht nur, weil sie weiter erhoben wird und wohl beim Gesamtgeschehen weiter im Blickfeld von Politik und Medizin steht. Sondern auch, weil sie unterster Grenzwert bleibt. So gilt weiter: Überschreitet sie in einer Stadt oder einem Landkreis den Wert von 35, tritt dort die 3-G-Regel breitflächig in Kraft. Unter dem Wert liegen derzeit nur 15 Kreise, vorwiegend in Nordbayern, es werden weniger. Spitzenreiter bleibt die Stadt Rosenheim mit der Sieben-Tages-Inzidenz von 191,9.

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