Europäische Union:Viel Streit um viel Geld

Von der Leyen zu Empfehlungen für Exit-Strategie

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen muss mit viel Widerspruch zu ihrem Entwurf rechnen.

(Foto: Lukasz Kobus/dpa)

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen präsentiert Pläne für den EU-Haushalt und den Corona-Hilfstopf. Die entscheidende Frage: Wie viel ist Zuschuss, wie viel Kredit?

Von Björn Finke, Brüssel

Es geht um Tausende Seiten Papier - und um mehr als Tausend Milliarden Euro: An diesem Mittwoch stellt Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen das lange erwartete Corona-Hilfspaket vor, plus einen neuen Entwurf für den Sieben-Jahres-Haushalt der EU von 2021 bis 2027. Der Hilfstopf soll das Budget aufstocken, sodass die Kommission von der Pandemie besonders betroffene Länder stärker unterstützen kann. Viele Eckpunkte sind bereits bekannt, andere Fragen weiter offen - und heftig umstritten zwischen den Mitgliedstaaten. Ein Überblick:

Wie groß fällt das Paket aus?

Von der Leyen legt zwei Entwürfe vor. Der erste betrifft den sogenannten Mehrjährigen Finanzrahmen, also den Etat für 2021 bis 2027. Die Staats- und Regierungschefs konnten sich bei einem Gipfeltreffen im Februar nicht auf ein Budget einigen. Der Kompromiss, der damals diskutiert wurde, umfasste etwas mehr als eine Billion Euro oder 150 Milliarden Euro pro Jahr. Aus der Kommission heißt es, dass der neue Entwurf nicht wesentlich von diesem Zahlenwerk abweichen werde. Der zweite Vorschlag, den von der Leyen präsentieren wird, behandelt den Wiederaufbauplan: So hat die Deutsche den Corona-Hilfstopf getauft. Bei dessen Volumen liegen die Schätzungen zwischen 500 Milliarden und einer Billion Euro. Der Topf ist mit dem Brüsseler Haushalt verknüpft; er soll über zwei oder drei Jahre vorhandene EU-Programme aufstocken und neue finanzieren. Das würde den Etat der Kommission massiv vergrößern.

Wie geht es weiter?

Die EU-Regierungen werden die Vorschläge debattieren. Am Ende müssen sich die Staats- und Regierungschefs bei einem Gipfel einigen. Bereits in drei Wochen ist ein Spitzentreffen geplant, doch könnte dies zu früh sein. Als wahrscheinlicher gilt ein Durchbruch im August. Der Bundesregierung käme dann eine besonders wichtige Rolle zu, denn im Juli übernimmt Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft. Danach müsste noch das Europaparlament zustimmen. Die nationalen Parlamente müssen ebenfalls ihr Placet geben: Der Corona-Hilfstopf soll über Schulden finanziert werden, für welche die Mitgliedstaaten haften. Dies berührt die Haushaltshoheit der Parlamente. Größte Hürde dürfte aber die Einigung der Regierungen sein. Klar ist auch, dass von der Leyens Vorschläge in vielen Punkten abgeändert sein werden, bis sie schließlich Gesetz sind.

Worüber streiten die Staaten?

Beim Sieben-Jahres-Haushalt herrscht Zwist darüber, wofür das Geld ausgegeben werden soll. Die Kommission und auch Deutschland dringen darauf, mehr in Forschung, Klimaschutz und Grenzsicherung zu investieren - zulasten klassischer EU-Etatposten wie Agrarsubventionen und Hilfsfonds für benachteiligte Regionen. Profiteure dieser Töpfe wie Polen wehren sich aber dagegen. Ein weiterer Streitpunkt sind Rabatte auf den Beitrag: Deutschland und die Gruppe der sogenannten Sparsamen Vier - Österreich, Schweden, Dänemark und die Niederlande - kämpfen gegen das Ansinnen der Kommission, diese Nachlässe abzuschaffen.

Beim Corona-Hilfstopf sind das Volumen und die Verteilung zwischen Zuschüssen und Darlehen umstritten. Die Kommission wird zusammen mit ihrem Entwurf eine Analyse des Finanzbedarfs präsentieren und damit die Größe des Hilfspakets begründen. Gefüllt werden soll der Topf mit Anleihen, welche die Kommission ausgibt. Die Sparsamen Vier fordern, dass der Topf ausschließlich zinsgünstige Kredite verteilt und keine Zuschüsse. Klamme Staaten wie Italien und Spanien müssten die Hilfen zurückzahlen, und damit könnte wiederum die Kommission ihre Corona-Schulden begleichen.

Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron haben dagegen in einem gemeinsamen Vorschlag angeregt, dass ein 500 Milliarden Euro schwerer Hilfstopf nur Zuschüsse zahlt. Das ist ganz im Sinne südeuropäischer Regierungen, die befürchten, dass ihnen EU-Kredite nicht viel bringen, da sie ohnehin mehr als genug Schulden haben. Von der Leyens Entwurf wird eine Mischung von Zuschüssen und Darlehen vorsehen.

Wer zahlt am Ende?

Die Anleihen für den Corona-Hilfstopf sollen in den kommenden Jahrzehnten aus dem EU-Haushalt beglichen werden, also letztlich über die Beiträge der Mitgliedstaaten. Deutschlands Anteil am Budget beträgt 26 Prozent; daher würde der hiesige Steuerzahler besonders stark belastet. Von der Leyen wird außerdem am Mittwoch vorschlagen, dass die Regierungen der Kommission neue Einnahmequellen erschließen, um einen Teil des Schuldendienstes abzudecken. In der Debatte sind etwa eine Abgabe auf unrecycelten Plastikmüll, eine EU-Steuer für Digitalkonzerne oder Einnahmen aus dem europäischen Emissionshandelssystem.

Gibt es Bedingungen für Hilfe?

Zuschüsse aus dem Hilfstopf werden nicht einfach so in Staatshaushalte fließen, sondern als Teil von EU-Programmen an Projekte und Reformvorhaben geknüpft sein. Die Kommission will auch alle Auszahlungen - ob aus Corona-Fonds oder normalem Haushalt - davon abhängig machen, dass in den Ländern der Rechtsstaat funktioniert. Das soll Missbrauch erschweren, doch die Regierungen in Polen und Ungarn lehnen solche Bedingungen vehement ab. Schließlich laufen gegen sie gerade EU-Verfahren wegen Sorgen um den Rechtsstaat: ein weiterer Streitpunkt, der eine rasche Einigung erschweren wird.

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