Gesundheitspolitik:"Wir brauchen eine Masern-Impfpflicht"

Masernimpfung

Ein Kinderarzt gibt einem Mädchen eine Masernimpfung.

(Foto: dpa)
  • Die Gesundheitsminister von Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg fordern eine Pflicht zur Masernimpfung für Kleinkinder.
  • Das Robert-Koch-Institut hat neue Zahlen vorgelegt, wonach die Impfquoten stagnieren.
  • Eine Impfpflicht greife alledings in das verfassungsrechtlich geschützte Selbstbestimmungsrecht auf körperliche Unversehrtheit ein, sagt Niedersachsens Gesundheitsministerin Carola Reimann (SPD).

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Angesichts stagnierender Impfquoten in Deutschland mehren sich die Forderungen nach einem verpflichtenden Schutz vor Masern. "Wir brauchen eine Masern-Impfpflicht", sagte Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU). Trotz zahlreicher Aufklärungskampagnen hätten in NRW nicht einmal 80 Prozent aller Kinder bis zum 24. Lebensmonat die erste und zweite Masernimpfung erhalten. "Gerade für Kinder, die in Gemeinschaftseinrichtungen betreut werden, ist das wichtig", sagte Laumann.

Auch Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) verlangt ein Umdenken. "Eine Impfpflicht darf kein Tabu sein", sagte er der SZ. Die Zunahme von Masernfällen und die permanente Unterschreitung der Impfquote zeigten "leider, dass Impfappelle und Aufklärung allein offenbar nicht genügen".

Zuvor hatte das Robert-Koch-Institut neue Zahlen zu den Impfquoten vorgelegt, die in Deutschland bei der Einschulung erhoben werden. Danach hatten 2017 zwar mehr als 97 Prozent der eingeschulten Kinder die erste Masernimpfung erhalten, aber nur 92,8 Prozent die wichtige zweite. Damit ist diese Quote bei Masern seit 2012 kaum mehr gesunken; gegenüber dem vergangenen Jahr stagniert sie.

Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt eine Impfquote von 95 Prozent, um die Masern zu eliminieren. Die Krankheit gilt als hochansteckend und kann lebensbedrohliche Komplikationen nach sich ziehen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erneuerte seine Forderung, die Impfung in Schulen und Kindergärten verpflichtend zu machen. "Wer sich impft, schützt nicht nur sich selbst, sondern auch die Gemeinschaft", sagte er.

Regional ist die Impfquote sehr unterschiedlich. Während in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg mehr als 95 Prozent der eingeschulten Kinder beide Masernimpfungen erhielten, waren es in Baden-Württemberg nur 89 Prozent. Allein dort sind in diesem Jahr schon 62 Masernfälle gemeldet worden - gegenüber 43 Fällen im gleichen Zeitraum 2018. Bundesweit verzeichnet das Robert-Koch-Institut bisher 300 Fälle von Masern. Im kompletten Vorjahr waren es 543. "Fast die Hälfte der Erkrankten sind junge Erwachsene", sagte Institutschef Lothar H. Wieler. "Das weist auf die großen Impflücken in diesen Altersgruppen hin." Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt Erwachsenen unter 50, die Impfung nachzuholen, wenn sie nicht gegen Masern geimpft sind oder dies unklar ist.

Ob sich eine Impfpflicht durchsetzen lässt, darüber gehen die Meinungen auseinander. "Die Einführung einer Impfpflicht kann nur eine Ultima Ratio darstellen", sagte Niedersachsens Gesundheitsministerin Carola Reimann (SPD). Sie greife stark in das verfassungsrechtlich geschützte Selbstbestimmungsrecht auf körperliche Unversehrtheit ein. Ihre bayerische Amtskollegin Melanie Huml (CSU) hegt diese Bedenken ebenfalls. Auch der Virologe Jan Leidel, bis 2017 Vorsitzender der Stiko, äußert Vorbehalte. Zwar müssten Impfquoten steigen. Allerdings sei eine Impfung gegen den Willen der Betroffenen "rechtlich eine Körperverletzung".

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