US-Truppenabzug aus Syrien:"Das ist ein schrecklicher Fehler"

  • Die US-Regierung hatte am Mittwoch überraschend den Truppenabzug aus Syrien verkündet.
  • Die Bundesregierung wirkt überrascht und äußert sich dann kritisch, ebenso Frankreich und Großbritannien.
  • Auch in den USA muss Trump heftige Kritik einstecken - unter anderem auch von vielen Republikanern.

Als in Washington die ersten Nachrichten über den Abzug der US-Truppen aus Syrien bekannt werden, befindet sich der deutsche Außenminister Heiko Maas an Bord einer Transall C-160 auf dem Weg von Erbil im kurdischen Nordirak zum Luftwaffenstützpunkt Al-Azraq in Jordanien. Der Rückweg von seiner dreitägigen Irak-Reise führt ein ganzes Stück an der Grenze zu Syrien entlang. Maas sitzt hinter den Piloten und sieht aus dem Cockpit-Fenster Geschützfeuer. Was da genau am Boden passiert, ist aus dieser Höhe nicht auszumachen. Dennoch ist es ein Anblick, der Eindruck macht auf den Minister.

Von der überraschenden Entscheidung des US-Präsidenten, die Truppen aus Syrien zurückzuholen, wird Maas beim Zwischenstopp in Jordanien unterrichtet, wo er den dort stationierten deutschen Soldaten einen kurzen Vor-Weihnachtsbesuch abstattet. Auf dem Flugfeld steht ein Tornado der Bundeswehr. Unter anderem mit Aufklärungsflügen beteiligen sich deutsche Soldaten von hier aus am internationalen Einsatz gegen die Terrormiliz Islamischer Staat, der von der US-Entscheidung zumindest nicht unmittelbar betroffen ist.

Zu den Soldaten spricht Maas über den Sinn des Einsatzes und darüber, dass er nicht vorzeitig beendet werden dürfe. Zu Trumps Entscheidung sagt er nichts. Er und seine Leute sind von den Nachrichten aus Washington vollkommen überrascht worden. Vorwarnungen gab es keine. Die Signale seien in den vergangenen Monaten genau entgegengesetzte gewesen, ist zu hören. In der deutschen Delegation herrscht Ratlosigkeit.

Später teilt Maas dann mit: "Der IS ist zurückgedrängt, aber die Bedrohung ist noch nicht vorbei. Es besteht die Gefahr, dass die Konsequenzen dieser Entscheidung dem Kampf gegen IS schaden und die erreichten Erfolge gefährden." Aus dem Auswärtigen Amt heißt es, man stehe in Kontakt mit der US-Regierung, es gebe viele Fragen. In nächster Zeit solle beraten werden, welche Folgen der Abzug für die Strategie der Anti-IS-Koalition habe.

Ähnlich äußerte sich Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Der IS sei zwar territorial unter Kontrolle, aber als Gefahr keineswegs besiegt, teilte sie in Berlin mit. Im Osten Syriens werde weiter um Widerstandsnester des IS gekämpft. Zudem stärkte die Entscheidung des Weißen Hauses die syrische Regierung von Präsident Baschar al-Assad. In den laufenden Verhandlungen um eine ausbalancierte Nachkriegsordnung Syriens würden sich jetzt natürlich Gewichte zugunsten des Diktators Assad verschieben.

Das Pentagon versuchte, Trump umzustimmen

In den USA selbst wird die Kritik an Trumps Entscheidung noch deutlicher geäußert - auch von Politikern, die Trump nahe stehen. Mehrere republikanische Senatoren und Abgeordnete bezeichnen den Truppenabzug als schweren Fehler und warnen vor bösen Folgen eines überstürzten Rückzugs - auch für die Sicherheit der USA. Von den Demokraten kommt ebenfalls Kritik.

Man habe bereits damit begonnen, Soldaten aus Syrien abzuziehen, hatte die US-Regierung am Mittwoch verkündet. Das "territoriale Kalifat" der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) sei besiegt. Das bedeute nicht, dass die weltweite Koalition im Kampf gegen den IS oder ihre Kampagne beendet sei. Nun beginne aber die nächste Phase dieses Einsatzes. Trump selbst schrieb auf Twitter: "Wir haben den IS in Syrien geschlagen, das war der einzige Grund, während der Trump-Präsidentschaft dort zu sein."

Der Fernsehsender CNN berichtete, Trump habe bei seiner Entscheidung weder Außenminister Mike Pompeo noch Verteidigungsminister James Mattis einbezogen. Die New York Times schrieb, Vertreter des Pentagons hätten bis zuletzt vergeblich versucht, Trump von seinem Entschluss abzubringen. Die USA haben in Syrien etwa 2000 Soldaten, die offiziell zur Ausbildung und Beratung der syrischen Oppositionstruppen dort sind.

Lindsey Graham, republikanischer Senator aus South Carolina, - zuletzt eigentlich ein eifriger Verteidiger Trumps - beklagte sich in diversen Tweets über die Entscheidung des Präsidenten. Der IS sei keineswegs besiegt. Ein Abzug der US-Truppen sei ein großer "Obama-mäßiger Fehler" und helfe dem IS bei seinem Bestreben, sich in der Region wieder auszubreiten.

Moskau lobt die Entscheidung

Marco Rubio, republikanischer Senator aus Florida, schrieb: "Das ist ein schrecklicher Fehler." Der Abzug sei überstürzt, das werde das Land noch auf Jahre verfolgen. Colorados republikanischer Senator Cory Gardner rief Trump dazu auf, von seiner Entscheidung abzurücken. Auch Republikaner im Repräsentantenhaus äußerten sich besorgt und irritiert. Die Demokratin Nancy Pelosi bezeichnete es als voreilig, einen Sieg über den IS zu verkünden und die US-Truppen aus Syrien abzuziehen.

Es mag solcher Kritik geschuldet sein, dass Trump seine Entscheidung am Donnerstag vehement via Twitter verteidigte. Der Abzug aus Syrien sei keine Überraschung gewesen, er habe jahrelang dafür geworben und die Entscheidung zuletzt verschoben. Andere Länder seien die lokalen Feinde des IS, die USA aber hätten die Arbeit gemacht. Jetzt sei es Zeit, nach Hause zurückzukehren.

In Europa kritisierten sowohl die britische als auch die französische Regierung die Entscheidung. Der IS sei "nicht von der Landkarte gelöscht", sagte Frankreichs Verteidigungsministerin Florence Parly. Aus dem britischen Außenministerium hieß es, der IS sei weiterhin eine Bedrohung, es bleibe viel zu tun.

Lob für Trumps Entscheidung kommt hingegen aus Moskau. In seiner traditionellen Jahrespressekonferenz bezeichnete Präsident Putin diese als "richtig". Eine Sprecherin des russischen Außenministeriums sagte, nun gebe es eine echte Perspektive für eine politische Einigung. Die amerikanischen Truppen hätten sich in Syrien ohne eine entsprechende Aufforderung der syrischen Regierung und ohne UN-Mandat aufgehalten.

Die USA stehen an der Spitze einer internationalen Koalition, die in Syrien den IS bekämpft. Die Dschihadisten beherrschen in Syrien zwar nur noch ein kleines Gebiet, sie sind aber weiterhin aktiv. IS-Zellen konzentrieren sich auf Anschläge. Nach einem Rückzug der US-Truppen könnte der Weg frei werden für eine neue Militäroffensive der Türkei. Die Regierung in Ankara droht schon seit langem mit einer weiteren Operation gegen die YPG. Die Türkei sieht in ihr einen Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und bekämpft sie deshalb.

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US-Truppen in den Syrien

Leserdiskussion
:US-Truppenabzug aus Syrien - die richtige Entscheidung?

Die US-Regierung hat am Mittwoch überraschend den Truppenabzug verkündet. Trump behauptet, dass der IS geschlagen sei. Seine eigene Partei bezeichnet den Abzug als "schrecklichen Fehler".

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