Dürre:Wie schlimm geht es den Bauern? Was wird teurer?

Lesezeit: 4 min

Landwirtschaft am Limit: Der Bauernverband befürchtet die "schlechteste Ernte des Jahrhunderts". Doch es gibt auch Profiteure des trockenen Sommers.

Von Herbert Fromme, Hans von der Hagen und Benedikt Müller

Viele Bürger genießen das ungewöhnlich schöne Wetter in Deutschland. Doch aus Sicht vieler Landwirte waren die vergangenen Wochen verheerend. Manche stehen wegen der Dürre vor dem Ruin.

Wie wirkt sich die lange Trockenperiode auf die Getreideernte aus?

Der Deutsche Bauernverband rechnete zuletzt mit einer Getreideernte von 41 Millionen Tonnen. Der Durchschnitt liegt in Deutschland jährlich eher bei 46 bis 48 Millionen Tonnen. Doch selbst die 41 Millionen Tonnen dürften wohl nicht mehr zu halten sein. Udo Hemmerling , stellvertretender Generalsekretär des Bauernverbandes, erwartet, dass die nächste Schätzung eher bei 40 Millionen Tonnen liegen werde. Er sagt: "Es ist die schlechteste Ernte des Jahrhunderts." Viele Getreidebauern in Nord- und Ostdeutschland beziffern ihre Ernteausfälle auf 50 Prozent. Im Süden des Landes, wo es mehr geregnet hat, dürfte es besser aussehen.

Wem nützt das gute Wetter?

"Beim Obst überwiegen die positiven Effekte der Witterung", sagt Michael Koch vom Agrarmarktinformationsdienst (AMI). Die Apfelbäume hängen in diesem Sommer recht voll. Auch melden Obstbauern in diesem Jahr eine deutlich größere Kirschen- und Pflaumenernte. Bereits im Frühsommer hat die Branche sechs Prozent mehr Erdbeeren geerntet als im Vorjahr .

Ernteausfälle
:Die Landwirtschaft ist Teil des Problems

Eine Milliarde Euro als Nothilfe für Bauern? Ja, gerne - aber nur, wenn die Landwirtschaft endlich nachhaltig wird.

Kommentar von Moritz Geier

Wie reagieren die Großhandelspreise für Getreide?

Die Trockenheit bestimme die Agrarbörsen bereits seit einigen Wochen, sagt Steffen Kemper vom AMI. Europaweit hätten schon viele Verbände ihre Ernteschätzungen nach unten korrigiert. "Mit jeder neuen Schätzung verfestigt sich das Bild", sagt Kemper. Eine Tonne Qualitätsweizen kostet heute im Schnitt 179 Euro - zehn Euro mehr als vor einem Jahr. Futtergerste hat sich um 17 Euro pro Tonne verteuert, Braugerste um 20 Euro. Bei vielen Ackerfrüchten können die leicht höheren Preise die Ernteausfälle nicht kompensieren.

Wird es auch für die Verbraucher teurer?

Viele Gemüsesorten sind in diesem Sommer teurer als im vergangenen Jahr. "Alles, was im Freiland wächst, hat zu kämpfen", sagt Marktforscher Koch. Grüner Salat sei in den vergangenen Wochen teurer geworden. Auch bei Möhren und Zwiebeln erwartet Koch in diesem Jahr keine Spitzenerträge. "Preisaufschläge für Verbraucher gab es auch bei Kohlrabi und Blumenkohl", sagt Koch. Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren weitgehend selbst mit diesen Kohlsorten versorgt, sodass die geringe Ernte nun in höheren Preisen durchschlägt. Ob Kartoffeln für Verbraucher spürbar teurer werden, ist unklar. Vielleicht werden die Verbraucher die Folgen der Trockenheit auch nur an kürzeren Pommes erkennen, denn ohne Regen werden die Früchte kleiner.

Inwieweit sind Milchbauern betroffen?

Oft müssen Milchviehhalter jetzt Futter zukaufen oder die Reserven für den Winter angreifen, heißt es beim Bundesverband Deutscher Milchviehhalter. Doch die entstehenden Mehrkosten ließen sich noch nicht beziffern. "Das fängt ja schon damit an, dass jeder anderes Futter hinzukauft", sagt ein Verbandssprecher. Allerdings spürten Bauern schon jetzt, dass die Preise für Futter anzögen. Hinzu kommt: Oft müssen Bauern derzeit weite Wege in Kauf nehmen, um überhaupt noch einen Anbieter zu finden.

Ist das Dürrerisiko der Bauern versicherbar?

"Ja, aber nicht nur auf Basis von Versicherungsbeiträgen der Landwirte", sagt Rainer Langner, Chef der Vereinigten Hagelversicherung in Gießen. Denn wenn es zum Schaden kommt, geht er leicht in die Milliarden. "Die Beiträge müssten so hoch sein, dass kaum ein Landwirt diese Versicherung abschließen könnte." In anderen Ländern wurden Lösungen gefunden: In den USA etwa können sich Landwirte gegen alle Risiken einschließlich Hagel, Überschwemmungen und Dürre absichern. Das von privaten Versicherern organisierte System wird dann erheblich vom Staat unterstützt.

Werden hierzulande die Bauern Unterstützung vom Staat bekommen?

Bauernpräsident Joachim Rukwied fordert Hilfen im Volumen von einer Milliarde Euro. "Wir haben jährliche Schwankungen von zehn Prozent nach oben und unten, da hören Sie auch nichts von uns. Aber 50, 60, 70 Prozent, das geht über das übliche unternehmerische Risiko hinaus", sagt er. Allein die Ausfälle bei der Getreideernte summierten sich auf 1,4 Milliarden Euro.

Wie würde eine mögliche Unterstützung vom Bund verteilt werden?

Der Bauernverband drängt darauf, dass Bund und Länder die rechtlichen Voraussetzungen schaffen, damit jetzt der Notstand ausgerufen werden kann. In einem weiteren Schritt müssten die Bauern ihre Ernteausfälle nachweisen. Hilfen gäbe es nur, wenn die Ernte 2018 um mehr als 30 Prozent unter dem Schnitt der vergangenen drei Jahre liege.

Wie reagiert die Politik?

Am Dienstag wollen Vertreter von Bund und Ländern über Konsequenzen der Hitzeperiode sprechen. Am Mittwoch will Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner das Kabinett informieren. Das Ausmaß der Schäden dürfte freilich erst nach der Erntebilanz Ende August vorliegen. Klöckner kündigte an: "Auf dieser Grundlage werden wir die Entscheidung möglicher Hilfen treffen können, die gegebenenfalls der Bund mit den Ländern zusammen anbieten kann." Kritik kommt von der SPD. Sie sieht in Hilfen für Bauern einen wirtschaftspolitischen Präzedenzfall.

Dringen alle Bauern auf solche Hilfen?

Nein. Bei der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft etwa, die vor allem kleinere Betriebe vertritt, sieht man die Forderung des Bauernverbandes skeptisch. Es sei zu einfach, jetzt nur Geld vom Bund zu fordern, sagt ihr Geschäftsführer, Georg Janßen. Er appelliert an die Solidarität der Bauern untereinander und die der Abnehmer ihrer Erzeugnisse. "Faire Preise würden uns viel mehr helfen als die Unterstützung vom Staat", sagt er.

Wie steht es um den Weinjahrgang 2018?

Die Winzer profitieren bislang vom langen und warmen Sommer 2018. Die Trauben sind etwa drei Wochen schneller gereift als im langjährigen Durchschnitt, die Rebstöcke reichlich behängt. "Die Ertragsaussichten der Winzer sind gut in diesem Jahr", sagt Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut. Bereits in einer Woche wollen erste Betriebe mit der Weinlese für Federweißer beginnen. Einen so frühen Erntetermin habe es noch nie gegeben. Wie gut der Weinjahrgang 2018 wird, hängt nun vom Wetter der nächsten drei bis sechs Wochen ab, bis die Hauptlese für die eigentliche Weinproduktion beginnt. Bei zu viel Regen in kurzer Zeit könnten die Trauben aufplatzen. Dann müssten die Winzer schnell möglichst viele Reben vor dem Verfaulen retten.

© SZ vom 31.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Klimawandel
:Vorgeschmack auf die Sommer der Zukunft

Die derzeitige Hitzewelle zeigt deutlich, was künftig Normalität sein wird. Und es könnte noch viel schlimmer kommen, so eine Prognose für Europa: Italien wäre dann eine Wüste.

Von Joachim Laukenmann

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: