Motorräder:Harley-Davidson knattert in die Krise

Harley Davidson Treffen in Lugano

Ein Traum fürs Leben? Beim Harley-Davidson-Treffen in Lugano Anfang Juli kommen die Fans der Kultmarke zusammen.

(Foto: dpa)
  • Die Firma Harley-Davidson steckt in der Krise. Es scheint, als wolle kaum mehr jemand die wuchtigen Maschinen fahren - als sei Harley-Davidson nicht mehr cool.
  • Dabei verkörpert kaum eine andere Marke so sehr die Sehnsucht nach Freiheit und Individualität.
  • Ein Ausweg aus der Krise könnte der Zukauf des italienischen Motoradherstellers Ducati sein - aber zu den Gerüchten will sich bei Harley-Davidson niemand äußern.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Jetzt mal ehrlich: Kann ein Mensch cooler aussehen als auf einer Harley? Peter Fonda auf der 1951 Panhead Chopper in "Easy Rider", Arnold Schwarzenegger auf einer 1990 Fat Boy in "Terminator 2", Bruce Willis auf der 1986 FXR Super Glide in "Pulp Fiction". Selbst der coolste Typ der TV-Geschichte, Fonzie aus der Serie "Happy Days", war in den ersten Staffeln auf einer 1947 Knucklehead Bobber unterwegs. Die legendären Motorräder aus Milwaukee gehören schon lange zu den Insignien von Coolness. Und so fragen nun viele mit Recht: Was zur Hölle ist bei der Firma so schiefgelaufen?

Harley-Davidson hat, wie berichtet, am Dienstag verheerende Zahlen für das zweite Quartal vermeldet, den Wegfall von 180 Arbeitsplätzen in den USA angekündigt und weiter sinkende Verkäufe prognostiziert. "Niemand will solche Maßnahmen ergreifen müssen", sagte Geschäftsführer Matt Levatich in einem Telefonat mit Analysten: "Aufgrund der zu erwartenden geringeren Auslieferungen müssen wir jedoch die Produktion drosseln." Die ernüchternden Zahlen: Der Umsatz ist im Vergleich zum Vorjahresquartal um 5,7 Prozent auf 1,58 Milliarden Dollar gefallen, der Gewinn um acht Prozent auf 259 Millionen Dollar. In diesem Jahr wird die Firma voraussichtlich nur maximal 246 000 Motorräder verkaufen, nach 260 000 noch im Jahr davor. Die Aktie des Unternehmens hat seit Jahresbeginn knapp 17 Prozent ihres Wertes verloren.

Es gibt noch zwei Zahlen, die Anleger beunruhigen: Die Einkünfte aus dem sogenannten Merchandising-Geschäft, also dem Verkauf von T-Shirts und Halsketten, sind in den vergangenen drei Monaten um 17 Prozent zurückgegangen, im Quartal davor betrug das Minus gar 21 Prozent. Das ist alarmierend für ein Unternehmen, das sich aufgrund der Beliebtheit seiner Marke darauf verlassen konnte, dass Harley-Fahrer an Geburts- und Feiertagen von Freunden und Verwandten Anhänger und Kopftücher geschenkt bekommen - und dass viele Menschen es schlicht und ergreifend ziemlich cool finden, mit einer Harley-Lederjacke eine Bar zu betreten. Ist Harley-Davidson aber vielleicht nicht mehr cool?

Das Unternehmen, das es seit dem Jahr 1903 gibt, das als einziger amerikanischer Motorradhersteller neben Indian die große Depression überlebt hat und das über die schöne Wall-Street-Kennung "HOG" verfügt, verkauft seit Jahrzehnten eine eigenwillige Interpretation des amerikanischen Traums. Kaum eine andere Marke verkörpert so sehr die Sehnsucht nach Freiheit und Individualität. Noch im Februar hat US-Präsident Donald Trump Harley-Davidson wegen seiner Made-in-USA-Strategie als eine jener typisch amerikanischen Firmen im Mittleren Westen gepriesen, die von seiner Steuerreform und den Handelsverträgen mit anderen Ländern profitieren sollen.

Eine typisch amerikanische Firma mit Produkten für den typischen Durchschnittsamerikaner also. Doch wer bitteschön kann sich solch ein Luxusmotorrad leisten und damit ein paar Wochen lang die Route 66 hinabfahren? Auch dazu gibt es einen Film: John Travolta fährt in "Wild Hogs" auf einer 2005 FLSTFSE Screamin' Eagle Fat Boy, er ist in dem Streifen ein stinkreicher Anwalt. Ein Begleiter ist Zahnarzt, ein anderer Programmierer. Eine Harley ist nicht unbedingt das Fortbewegungsmittel des hart arbeitenden Rockers, sie ist eher das Spielzeug derer, für die sich der amerikanische Traum bereits erfüllt hat.

Es gibt Menschen, die können mit diesem Mein-Haus-mein-Auto-meine-Harley-Gehabe nicht viel anfangen. "Die Rezession vor zehn Jahren hat das Verhalten zahlreicher junger Leute beeinflusst", sagt David Beckel von der Analysefirma Alliance Bernstein: "Unsere Daten zeigen, dass diese Generation deutlich weniger mit Motorrädern anfangen kann als die Generationen davor." Schuld sollen also die Millennials sein, die derzeit für vieles verantwortlich gemacht werden, was nicht mehr rund läuft.

Männlich, 50, erfolgreich

"Wir müssen aufhören, nur Motorräder zu bauen - wir müssen neue Fahrer gewinnen", sagte Harley-Chef Levatich jetzt nicht ohne Pathos: "Wir müssen uns auf die Suche machen nach Menschen, die sich nach Freiheit und Abenteuer sehnen, die das Leben leben wollen, die hinter ihren Smartphones hervorkommen und raus auf die Straße wollen. Millennials kaufen oft gebrauchte Motorräder. Wir müssen sie davon überzeugen, dass sich die Anschaffung eines neuen Modells lohnt."

Die Neuregistrierung größerer Motorräder ist in den ersten sechs Monaten dieses Jahres um sieben Prozent zurückgegangen, nicht einmal drei Prozent aller Amerikaner besitzen überhaupt noch ein Motorrad. Harley-Davidson steckt in der Zwickmühle. Die Firma muss einerseits mit traditionellen Maschinen die Stammkundschaft - männlich, 50, erfolgreich - bei Laune halten, andererseits mit moderneren Modellen auch jüngere Kunden begeistern. Levatich sagt: "Von den Modellen, die wir in diesem Jahr auf den Markt gebracht haben, richtet sich der Roadster an jüngere Leute, der Street Rod ist ebenfalls finanzierbar." Insgesamt bietet das Unternehmen nun acht Modelle an, die weniger als 12 000 Dollar kosten.

Es gibt natürlich eine zweite Möglichkeit, ein jüngeres Publikum anzusprechen, ohne die eigene Marke umkrempeln zu müssen. Harley-Davidson könnte den italienischen Motorradherstellers Ducati übernehmen, der noch zu VW beziehungsweise Audi gehört. Bislang hat VW mögliche Verkaufsabsichten offiziell noch nicht bestätigt. Auch die indische Fahrzeugfirma Bajaj Auto und einige Beteiligungsgesellschaften sollen interessiert sein, es heißt, dass es bis Ende Juli Gebote von bis zu 1,7 Milliarden Euro geben könnte.

Für Harley hätte ein Kauf große Vorteile: Ducati gilt als jung und sportlich, das Unternehmen konnte seinen Umsatz in den vergangenen zwei Jahren um insgesamt 13 Prozent steigern. "Das sind alles nur Gerüchte und Spekulationen, die ich nicht kommentieren möchte", sagte Levatich dazu: "Es gibt derzeit genug bei der Marke Harley-Davidson zu tun und damit, neue Fahrer zu gewinnen."

Levatich will aus Harley-Davidson wieder eine coole Marke machen. Er sollte vielleicht beim Handyhersteller Nokia oder beim Suchmaschinendienst Yahoo nachfragen, was einem Unternehmen passieren kann, wenn Menschen es plötzlich nicht mehr cool finden. Oder beim TV-Star Fonzie: Der stieg irgendwann um von seiner Harley auf eine 1949 Triumph Trophy 500, weil Schauspieler Henry Winkler eine kleinere, leichtere und einfacher zu handhabende Maschine haben wollte.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: