Neue deutsche Elektro-Welle:Warten auf das Batterie-Wunder

Audi e-tron auf der IAA

Audi zeigte auf der IAA die Elektrostudie e-tron.

(Foto: Bloomberg)
  • Mit einem Marktanteil von 0,4 Prozent sind Elektroautos in Deutschland noch immer Exoten.
  • Trotzdem zeigen die deutschen Hersteller auf der IAA spektakuläre Studien, die von Elektromotoren angetrieben werden.
  • Bis diese Serienreife erreichen, werden aber noch Jahre vergehen, da die nötige Batterietechnik fehlt.

Von Joachim Becker

Autofahrer leben in der besten aller Welten. Sprit ist billig, entsprechend beliebt sind bullige Hochdachautos. Wer wird sich denn beim Autokauf bescheiden - und ein kleines Batteriewägelchen kaufen? Stromer wie den Renault Zoe gibt es mangels Nachfrage mittlerweile mit 5000 Euro Rabatt. Auch der Peugeot iOn steht sich in den Schauräumen die Reifen platt. Stolze 8000 Euro Nachlass sollen die Nachfrage ankurbeln. Mit einem Marktanteil von 0,4 Prozent sind Elektrofahrzeuge in Deutschland Exoten - und zugleich die Superstars der IAA.

Bis 2020 kündigt Martin Winterkorn 22 Elektroautos und Plug-in-Hybrid-Modelle an - vom Kleinwagen bis zum Phaeton und Audi A8: "Klarer kann man sich nicht zur Elektromobilität bekennen", so der VW-Konzernchef. Warum Europas Nummer eins plötzlich unter Strom steht, ist naheliegend: Viel Zeit bleibt nicht, um die CO₂-Ziele für 2021 zu erfüllen. In den nächsten fünf Jahren müssen viele Hersteller ihren Flottenverbrauch um ein Viertel auf rund vier Liter Benzin pro 100 km senken. Ohne eine Elektrifizierung jedes zehnten Neuwagens sind 95 g/km mit einem steigenden SUV-Anteil nicht zu schaffen.

Klein, grün und leichtfüßig - Autozwerge wie Audis Urban Concept mit E-Antrieb standen auf der IAA 2011. Vier Jahre später ist von der "neuen Ära der Mikromobilität" nichts mehr übrig. Jetzt werden rollende Wohnzimmer mit 500 PS elektrifiziert: "Fahrspaß ohne Verzicht - wir bringen den Audi e-tron quattro mit allen Funktionalitäten eines SUV", jubelt Audi-Technik-Chef Ulrich Hackenberg. Die Studie ist mit fast fünf Metern Länge und zwei Meter Breite das Öko-Pendant zum Audi Q7. Der Audi e-tron quattro wirkt schnörkelloser und dynamischer als das 20 Zentimeter höhere SUV nach US-Zuschnitt. Mit 2,5 Tonnen ist er aber genauso übergewichtig wie das Audi-SUV der ersten Generation.

Porsche will beim Elektroauto aufholen

Erinnern wir uns: Waren bleischwere und teure Energiespeicher nicht wesentliche Gründe für die weitgehende Elektro-Abstinenz vieler deutscher Automarken? Bei größeren Modellen begnügen sie sich nach wie vor mit Plug-in-Hybriden. Gut 100 kg Batteriegewicht reichen dort für 30 bis 50 Kilometer emissionsfreies Gleiten durch die Innenstadt. Den Rest erledigt der Verbrennungsmotor. In den konventionellen Antriebsplattformen ist gar nicht mehr Platz für Batterien, wenn der Kofferraum erhalten bleiben soll. Vom horrenden Preis der Stromspeicher gar nicht zu sprechen. "Vor nicht allzu langer Zeit hieß es ja, die Batteriekosten lägen bei 500 Euro pro Kilowattstunde (kWh). Dann würde unsere Batterie für 500 Kilometer Reichweite 45 000 Euro kosten. Das geht natürlich nicht", erklärt Porsche-Chefentwickler Wolfgang Hatz. Mit einer halben Tonne Gewicht für den 100-kWh-Energiespeicher scheinen sich die Zuffenhausener dagegen abgefunden zu haben. "Das ist für uns keine Option", stellt BMW Entwicklungsvorstand Klaus Fröhlich klar.

Rein rechnerisch enthält ein Liter Diesel genauso viel Energie wie eine voll geladene 10-kWh-Batterie. Nur weil Elektromotoren die besseren Kostverwerter sind, sieht der Heizwertvergleich nicht ganz so trist aus. Trotzdem sind voll geladene Stromer mit wenig mehr Energie unterwegs, als ein konventioneller Reservetank speichern kann. Einzig Tesla setzt auf eine Antriebsplattform für 400 Kilometer Elektro-Reichweite. "Bisher waren kleine E-Mobile angesagt, und wir wurden von den meisten in der Auto-Branche für verrückt gehalten", erinnert sich Tesla-Kommunikations-Chef Ricardo Reyes, "jetzt freuen wir uns natürlich über die IAA-Studien von Audi und Porsche. Sie bestätigen unser Konzept eines sportlichen Oberklassefahrzeugs mit hoher Leistung und Reichweite."

Die neue deutsche Elektro-Welle startet 2018

Über mangelndes Interesse kann sich Tesla auf der Messe nicht beklagen. Dafür sorgen nicht nur Audi und Porsche mit ihren Tesla-Fightern. Spektakulär ist auch Teslas neue Batteriefabrik in der Wüste Nevadas: Angesichts riesiger Überkapazitäten in der weltweiten Akku-Produktion kann man Teslas eigene Fertigung genial (für eine schnelle Technologieentwicklung) oder einfach nur riskant finden. Daimler hat seine Zellfertigung in Kamenz gerade erst aufgegeben und stellt das Werk auf die Produktion kompletter Batteriesysteme um: "Unserer Erfahrung nach ist das Einkaufsvolumen eines einzelnen Autoherstellers einfach nicht wettbewerbsfähig", sagt Harald Kröger, Daimlers Entwicklungsleiter Elektrik/Elektronik.

Elon Musk spricht derweil schon von der nächsten Gigafactory für Batterien möglicherweise in China. Ein neues Mittelklassemodell soll zunächst für die Auslastung von 500 000 Elektroantrieben pro Jahr in Nevada sorgen: Nächstes Frühjahr soll ein Prototyp vorgestellt werden, 2017 der Verkauf ab 35 000 US-Dollar beginnen. Möglich wird der relativ niedrige Preis durch eine neue Batteriegeneration mit höherer Energiedichte.

Trotz des bildschönen Konzeptfahrzeugs Mission E wird Porsche in puncto Elektromobilität noch länger Teslas Rücklichter sehen. Das erklärt, warum die Nachzügler aus Zuffenhausen munter gegen die Kalifornier sticheln: "Ein E-Porsche, der den Namen verdient, muss mindestens eine Reichweite von 500 Kilometern haben - bei sportlicher Fahrweise wohlgemerkt", betont Porsche-Chef Matthias Müller, "sportlich heißt, ohne Leistungsverlust dauerhaft schnell zu beschleunigen und über 250 km/h zu fahren - und das nicht nur einmal pro Batterieladung." Das Problem ist nur: Mit heutigen Batterien ist so viel Sport nicht zu machen. Alle Elektro-Komponenten würden sich beim Dauerstress aus extremer Entladung und Rekuperation beim Bremsen viel zu stark erhitzen.

Unwahrscheinlich, dass sich Tesla kampflos überholen lässt

Porsche setzt daher auf ein 800-Volt-System: Die höhere Spannung erlaubt bei gleicher Leistung kleinere E-Maschinen und Leitungsdurchmesser. Vor allem soll sich das System in 15 Minuten zu 80 Prozent nachladen lassen. "Das braucht man hauptsächlich für die Rennstrecke. Unsere Kunden haben bisher kein Problem mit einer halben Stunde Ladezeit an unseren Schnellladestationen", entgegnet Ricardo Reyes. Unwahrscheinlich, dass sich die Kalifornier kampflos überholen lassen. Mit regelmäßigen Auto-Updates hat Tesla gezeigt, wie schnell bestehende Modelle weiterentwickelt werden.

Ohnehin ist der Starttermin von Porsches Elektro-Sportler noch offen: "Wenn die Technologie so weit ist - vermutlich in weniger als fünf Jahren", so Matthias Müller. Knackpunkt sind die benötigten Superakkus mit einer doppelt so hohen Energiedichte. "Die Batterieentwicklung macht große Fortschritte, unsere Partner Samsung und LG liefern beeindruckende Arbeit", zeigt sich Wolfgang Hatz zufrieden. Tesla erreicht allerdings schon heute eine Energiedichte von mehr als 200 Wattstunden pro kg. Unter Experten haben die adaptierten 18650-Zellen aus der Konsumenten-Elektronik jedoch einen zweifelhaften Ruf. "Eine gute Zelle hat heute das Sicherheitslevel vier. Die Tesla-Zellen, die sehr stark auf Energiedichte optimiert sind, haben Level sieben. Beim Nageltest, der das Batteriegehäuse durchschlägt, kommt es also leicht zum Kurzschluss", erklärt Joachim Fetzer, der bei Bosch für die Elektrifizierung zuständig ist. Der weltweit größte Zulieferer hat jüngst das kalifornische Batterie-Start-up Seeo gekauft. Dank der neuen Festkörperzellen und Anoden aus reinem Lithium sollen automobiltaugliche Batterien mehr als die doppelte Energiedichte herkömmlicher Lithium-Ionen-Zellen erreichen.

Weitere Pluspunkte der Wunderbatterien: Sie sollen nur halb so viel kosten, halb so groß und mit dem Level zwei wesentlich sicherer sein als der aktuelle Standard. "Das könnte eine entscheidende Durchbruchstechnologie sein", freut sich Bosch-Chef Volkmar Denner. Harald Kröger ist gespannt auf die ersten Zell-Prototypen: "Die Festkörperzelle ist eine der Zukunftshoffnungen. Das Problem lag bisher bei der Leitfähigkeit und Zyklenfestigkeit." Tausendmal muss sich ein Akku für 300 Kilometer laden und entladen lassen, um autotauglich zu sein. Das werden in den nächsten zehn Jahren auch neue Zelltypen schaffen, ist sich Kröger sicher.

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