Zwangsimpfung:"Anschnallen ist auch Pflicht"

Kinderkrankheiten breiten sich immer wieder aus in Deutschland - die Folgen sind für manche der kleinen Patienten gravierend. Der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, Wolfram Hartmann, fordert deshalb eine Impfpflicht.

Christina Berndt

Immer wieder haben sich in den vergangenen Jahren Kinderkrankheiten epidemieartig in Deutschland ausgebreitet - mit zum Teil lebenslangen Folgen für die Infizierten. Deshalb, so der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, Wolfram Hartmann, brauchen wir eine Impfpflicht.

SZ: Eltern zum Impfen zu verpflichten ist eine drastische Maßnahme. Sonst ist Zwang im Gesundheitswesen eher selten. Ist er bei Kinderimpfungen denn nötig?

Hartmann: Nach der UN-Kinderrechtskonvention hat jedes Kind ein Grundrecht auf Prävention. Wenn die Eltern nicht von allein dafür sorgen, sollte der Staat Maßnahmen ergreifen. Unwissende Eltern haben nicht das Recht, ihre Kinder in Gefahr zu bringen. Das Anschnallen im Auto ist ja auch Pflicht.

SZ: Und welche Strafen sollen bei Versäumnis drohen?

Hartmann: Es geht nicht um Strafe, sondern um Druck. In anderen Ländern wie Frankreich oder den USA wird kein Kind in eine öffentlich finanzierte Schule oder einen Kindergarten aufgenommen, wenn es nicht geimpft ist. Dort wird auf diese Weise eine Impfrate von 95 Prozent erreicht, und die ist nötig, um eine Erkrankung auSZurotten.

SZ: Für welche Krankheiten wünschen Sie sich eine Impfpflicht?

Hartmann: Für die schwerwiegenden, von Mensch zu Mensch übertragbaren Krankheiten - also Masern, Diphtherie, Mumps, Röteln, Windpocken und Keuchhusten.

SZ: Wenn man ehrlich ist, ist die Wahrscheinlichkeit zu erkranken aber doch sehr gering. 300 bis 500 Kinder erkranken in einem durchschnittlichen Jahr an Masern, nur eins davon wird Spätschäden erleiden. Und die Impfung kann ja auch unerwünschte Folgen haben.

Hartmann: Die Argumentation kann ich nicht nachvollziehen. Ein Kind kann sich jederzeit anstecken, bei jedem Einkauf im Supermarkt. Und niemand kann vorhersagen, welches Kind es trifft. Unter Wissenschaftlern sind Impfungen überhaupt nicht strittig. Gerade die Masern sind eine ausgesprochen gefährliche Erkrankung.

Die schwerste Folge, eine tödliche Gehirnentzündung namens SSPE, tritt bei jedem tausendsten Infizierten auf.

Aber schon bei jedem hundertsten lassen sich im EEG nachhaltige Veränderungen erkennen. Das heißt, dass die Viren bei jedem hundertsten auf das Gehirn übergreifen, mit bisher unbekannten Folgen. Die Impfung bringt dagegen Risiken mit sich, die um den Faktor eins zu 100 000 geringer sind.

SZ: Ist Ihr Ratschlag womöglich nicht ganz uneigennützig? Kinderärzte verdienen natürlich an jeder Impfung.

Hartmann: Das wäre schön, wenn eine so wichtige Sache mit einem großen Einkommen verbunden wäre. Das ist aber nicht so. Unser Berufsverband kümmert sich außerdem auch um die Prävention von Misshandlungen. Und daran verdienen wir nun überhaupt nichts.

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