Zuwanderung:Integration in der Bronzezeit

Vor 5000 Jahren erlebte Irland wohl eine große Einwanderungswelle aus der Region am Schwarzen Meer. Skelette bergen Hinweise, dass die Neuankömmlinge den Fortschritt beschleunigten.

Von Werner Bartens

Eine Insel, die aussieht wie eine angebissene Kartoffel, den Launen des Atlantiks im Nordwesten Europas ausgeliefert - bessere Bedingungen für Jahrtausende behaglicher Inzucht kann man sich kaum vorstellen. Doch die Bevölkerung Irlands hat offenbar schon früh Migrationswellen aus Vorderasien aufgenommen, wie ein Team irischer Genetiker und Archäologen im Fachblatt PNAS (online) zeigt. Diese Einflüsse beschleunigten vermutlich den kulturellen Wandel in der Jungsteinzeit und zu Beginn der Bronzezeit, der von Sesshaftwerdung, Ackerbau, Viehzucht und schließlich der Metallverarbeitung geprägt war.

Die Bevölkerung Irlands weist Besonderheiten im Erbgut auf. So gibt es auf der Insel die größte Neigung zur Laktose-Toleranz, eine Häufung an Mukoviszidose und die Hämochromatose, eine erbliche Eisenspeicherkrankheit, wird sogar "keltisches Leiden" genannt, weil es in Irland öfter auftritt. Wie es zu diesen Eigenheiten kam, war bisher ungewiss. Die DNA-Analyse der Überreste einer Frau, die zwischen 3343 und 3020 vor Christus gelebt haben muss und von drei Männern, die auf die Zeit zwischen 2026 und 1534 vor Christus datiert werden, gibt Aufschluss über die Vermischung mit Völkern aus dem Schwarzmeerraum und der russischen Steppe.

Merkmale aus dem Nahen Osten

"Es gab eine Welle genetischer Veränderungen, die aus der Region rund um das Schwarze Meer in das bronzezeitliche Europa gekommen und bis an die westlichsten Küsten Irlands gelangt ist", sagt Daniel Bradley vom Trinity College in Dublin, der die Studie geleitet hat. "Weil das Ausmaß der genetischen Veränderungen so groß ist, kann es auch mit anderen kulturellen Umbrüchen einhergehen und vielleicht der Ursprung für die Vorgängersprachen des Keltischen sein."

Die untersuchten irischen Genome zeigen starke Einflüsse aus anderen Regionen. So enthält das Erbgut der jungsteinzeitlichen Bauersfrau mehrheitlich Anteile, wie sie im Nahen Osten verbreitet sind. Sie hatte schwarze Haare, braune Augen und muss Südeuropäern oder Menschen aus Vorderasien geähnelt haben. Im Nahen Osten waren Ackerbau und Viehzucht schon 5000 Jahre früher verbreitet als in Irland. Mit den Wanderungsbewegungen der Menschen aus diesen Regionen wurde vermutlich auch die Sesshaftwerdung auf der Insel beschleunigt.

Kam mit den Zuwanderern die Metallbearbeitung nach Irland?

Die drei jünger datierten Männer von den Rathlin-Inseln hatten hingegen blaue Augen, den bis heute in Irland häufigsten Typ des Y-Chromosoms und wiesen Gen-Varianten für die Hämochromatose auf. Bei ihnen zeigt das Erbgut starke Anteile von Bewohnern der russischen Steppe, was dafür spricht, dass sich im dritten Jahrtausend vor Christus Menschen aus dem südlichen Sibirien auf den Weg nach Westen gemacht haben. Mit dieser Migrationswelle könnte die Metallbearbeitung nach Irland gekommen sein. "Die Ähnlichkeit zwischen Genomen aus der Bronzezeit und denen der modernen Iren, Schotten und Waliser ist besonders groß", sagt Lara Cassidy, die an der Studie beteiligt war. "Das könnte dafür sprechen, dass sich Eigenheiten des keltischen Genoms bereits vor 4000 Jahren ausgebildet haben."

Danach ist das Erbgut der Iren erstaunlich stabil geblieben. Frühere Analysen, an denen Bradleys Team beteiligt war, haben gezeigt, dass jeder zehnte männliche Ire regionaltypische Mutationsmuster des Y-Chromosoms aufweist, was dafür sprechen könnte, dass er Nachkomme des legendären Stammesfirsten Niall of the Nine Hostages ist, der um 1700 vor Christus gelebt haben soll. Insgesamt gibt es wohl drei Millionen Männer weltweit mit dieser Gen-Variante - darunter jeder 50. Mann in New York.

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