Zweifelhafte Moral
Putzerfische leben von der Körperpflege. Andere Meeresbewohner kommen als Kunden zu ihnen, um sich Parasiten vom Körper, von den Flossen und aus dem Maul fressen zu lassen. Am besten läuft das Geschäft als Familienbetrieb, bei dem je ein Männchen und ein Weibchen die Kundschaft gleichzeitig bedienen. Die Kunden schwimmen dort oft Schlange; sie scheinen zu wissen, dass der Service besser ist.
Die Verhaltensbiologen Nichola Raihani und Redouan Bshary haben nun herausgefunden, dass die Pflegefische im Paarverbund ihre Kunden schonender behandeln. Der Grund: Das Männchen bestraft sein Weibchen, wenn dieses sich einen Bissen aus der leckeren Schleimschicht des Klienten genehmigt, statt brav nur die Parasiten abzuraspeln (Science, Bd.327, S.171, 2010).
Eigentlich schmeckt Putzerfischen nämlich das Gewebe ihrer Kunden besser als deren Parasiten. Allerdings riskieren sie, durch zu viele Bisse die Kundschaft zu vergraulen. Die Forscher haben nun beobachtet, dass männliche Putzerfische das kleinere Weibchen aggressiv herumjagen, wenn es einen Kunden gebissen und vergrätzt hat.
Nach einer solchen Bestrafungsaktion beherrscht sich das Weibchen beim nächsten Kunden. Davon profitiert vor allem das Männchen, da der Kunde länger bleibt, sodass es selbst öfter mal ein Stück aus ihm herausbeißen kann; beide Putzerfische können außerdem mehr Parasiten fressen.
Aus diesen Beobachtungen lässt sich nach Ansicht der Wissenschaftler auch einiges über menschliches Verhalten lernen. "Die Situation, dass eine Person A eine Person B betrügt und eine auf den ersten Blick unbeteiligte Person C eingreift, gibt es beim Menschen andauernd", sagt Bshary. In Experimenten ist C sogar bereit, Geld zu bezahlen, wenn dafür A bestraft wird.
Verhaltensbiologen können sich nicht recht erklären, wie sich ein solches Verhalten im Lauf der Evolution durchsetzen konnte, da es keinen unmittelbaren Vorteil bringt. "Unsere Experimente mit den Putzerfischen zeigen, dass der scheinbar selbstlose Rächer durchaus aus egoistischen Gründen handeln kann", sagt Bshary. Auf Menschen übertragen könnte Person C insgeheim vermeiden wollen, selbst Opfer von Betrüger A zu werden, sollte dieser ungestraft davonkommen.
Foto: Reuters (Text: SZ vom 08.01.2010/tibar/gal)
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