Ziel: Kernfusion:Sternenfeuer im Labor

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In Kalifornien soll der weltgrößte Laser eine Kernfusion auslösen - den Prozess, der Sterne leuchten lässt, Wasserstoffbomben zur Explosion bringt und alle Energieprobleme der Welt lösen könnte.

Hubertus Breuer

Der belgische Physiker Bruno van Wonterghem steht mit Bauhelm und Sicherheitsbrille ein wenig verloren in dem menschenleeren Raum. "Wir testen erst in ein paar Wochen wieder", sagt er. "Deshalb ist es hier zurzeit ruhiger."

Die "Kathedrale des Lichts" hat den Charme eines Flugzeughangars. (Foto: Foto: Lawrence Livermore National Laboratory)

Schwarze Schränke mit summenden Computerservern stehen vor einem langen grünen Kommandopult. Auf Bildschirmen leuchten Tabellen und Zahlenreihen, ein Display meldet: "MOR Wavelength. Inner: 1053.40 nm, Outer: 1052.70nm". Sie bezeichnen die Wellenlängen zweier Laserimpulse, die von Halbleiterchips erzeugt werden.

Diese Miniblitze enthalten kaum mehr Energie als ein fallender Brotkrümel. Und doch gehören sie zum größten und stärksten Laser der Welt. Ziel ist die Kernfusion, also die Verschmelzung von Wasserstoffatomen. Es ist der Prozess, der Sterne leuchten lässt, Wasserstoffbomben zur Explosion bringt und alle Energieprobleme der Welt lösen könnte.

An dieser Vision liegt es wohl, dass die Medien bei der feierlichen Einweihung der National Ignition Facility (NIF) im Mai 2009 von einer "Kathedrale des Lichts" schwärmten. In Wirklichkeit hat das zum kalifornischen Lawrence Livermore National Laboratory gehörende Versuchsgebäude den Charme eines Flugzeughangars.

Obwohl es groß ist wie ein Fußballstadium, wirkt es innen beengt mit seinen verwinkelten Korridoren, meterdicken Betonwänden gegen Neutronenstrahlung und den fensterlosen Kontrollräumen. Die beiden 25 Meter hohen Seitenschiffe sind zwar luftiger. Doch auch hier dominieren Stahlrohre und Apparaturen, groß wie Einfamilienhäuser.

Ende vergangenen Jahres erreichten die Forscher und Ingenieure der NIF ein wichtiges Etappenziel. Sie schickten zwei Laserimpulse, in 192 Einzelstrahlen aufgeteilt, auf einen anderthalb Kilometer langen Parcours über Dutzende Spiegel, Verstärkergläser, Kristalle und fokussierende Linsen.

Am Ende ihrer Bahn schossen sie in eine blaue Vakuumkugel mit zehn Metern Durchmesser. In deren Mitte trafen sie gleichzeitig auf einen seitlich offenen Goldzylinder, kleiner als ein Bleistiftspitzer. Die Innenwand des Zylinders verwandelte das Laserlicht in hochenergetische Röntgenstrahlung. Und die ließ schließlich ein Plastikkügelchen in dem Zylinder implodieren.

Zur Fusion kam es aber nicht. Ein Grund: Dem Kügelchen fehlten die Wasserstoffisotope Deuterium und Tritium. Das wird beim nächsten Experiment im September anders sein. Die Laserkanone wird für wenige Nanosekunden mit der bislang höchsten erreichten Energie von mehr als dreieinhalb Millionen 100-Watt-Glühbirnen auf das Ziel feuern. Implodiert die Wasserstoffkugel, so hoffen die Physiker, krachen die Atome ineinander und verschmelzen in einem 100 Millionen Grad heißen Höllenfeuer.

Kommt es dazu, verwandelt sich die bei der Fusion entstehende überschüssige Masse in Energie - gemäß der berühmten Formel Einsteins, derzufolge die Energie der Masse mal der Lichtgeschwindigkeit im Quadrat entspricht. Ein Gramm des Kernfusionsbrennstoffs liefert so viel Energie wie elf Tonnen Kohle. Es fallen weder Treibhausgase noch Atommüll an.

Zu schön, um wahr zu sein, meinen Kritiker. Die Energieforschung sei ein Vorwand, vermutet der Physiker Wolfgang Liebert von der TU Darmstadt. Eigentlich gehe es darum, Wasserstoffbomben besser zu verstehen. Schließlich ist das Lawrence Livermore Laboratory auch mit der Wartung der nuklearen Sprengköpfe der USA beschäftigt. Der Physiker Thomas Cochran von der Umweltorganisation National Resources Defense Council prophezeit, dass die Laserfusion schon wegen der Kosten nie wettbewerbsfähig sein würde. Doch van Wonderghem winkt ab: "Wir wollen nur demonstrieren, dass die Technik funktioniert."

Bis zum ersten regulären Kernfusionsreaktor wird in jedem Fall noch viel Zeit verstreichen. Denn eine Zündung allein reicht nicht - es müssten schon mehrere pro Sekunde sein, um eine dauernde Stromversorgung zu garantieren. Die NIF schafft bestenfalls eine Handvoll pro Tag. Diese Aufgabe könnte eines Tages womöglich das internationale Hiper-Projekt (High Power Laser Energy Research Facility) übernehmen, eine Laserfusionsanlage der zweiten Generation, für die derzeit eine Machbarkeitsstudie läuft.

Vielleicht erweist sich aber auch eine zweite Fusionstechnologie als geeigneter: Der im Bau befindliche experimentelle Fusionsreaktor Iter in Südfrankreich soll die Kernfusion mittels extrem starker Magnetfelder ermöglichen. In sie eingeschlossen, sollen Deuterium und Tritium so stark erhitzt werden, dass sie ihre gegenseitige Abstoßung überwinden und verschmelzen.

An der NIF werden in wenigen Wochen die ersten Testschüsse fallen, im Spätsommer soll dann das große Experiment starten. "Die letzten 15 Jahre haben wir daran gearbeitet, dieses System zu bauen", sagt der britische Plasmaphysiker Brian MacGowan "Jetzt können wir den Laser bald nutzen, um die eigentlich geplante Forschung zu betreiben."

© SZ vom 15.05.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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